Solange ein Individuum vorwiegend seine organischen Medien für die Interaktion mit der Welt nutzt, bleibt deren Entfaltung für die Erfahrung im Prinzip auf das subjektive Erleben begrenzt. Ein im Spiel versunkenes Kind ist in seinem Tun aufgehoben. Es will damit nichts mitteilen, denkt nicht an außenstehende Beobachter oder an ein fertiges Produkt als Resultat seines Spiels. Es lebt voll und ganz ohne zeitliche oder räumliche Beschränkungen zu bemerken im Spielen, bis Hunger oder Müdigkeit aufkommt. Außer dem Kind selbst hat keiner erfahren, worum es bei diesem Spielen ging. Das Ergebnis dieser Tätigkeit ist, abgesehen von vielleicht zurückbleibenden Spuren, nur als Veränderung der verkörperten Kompetenzen des Kindes im Umgang mit den organischen Medien zu beobachten, es ist nicht als solches darstellbar. Ebenso können durch Variieren und Trainieren mittels organischer Medien erzeugte Erfahrungen, seien dies körperliche Fitness oder Phantasiewelten, für andere Menschen verborgen bleiben. In der Schachnovelle von Siegfried Lenz lernt die in Einzelhaft eingesperrte Hauptfigur das Schachspielen aus einem Buch. Sie muss alle Indizien von Spielversuchen wie Brotkrümel als Spielsteine, Kratzspuren als Spielfelder usw. vor den Bewachern verstecken und spielt schließlich nur noch im Gedanken. Der Gefangene erreicht ein Niveau, auf dem er simultan mehrere Spiele im Kopf sozusagen gegen sich selbst spielen kann. Später, wieder in Freiheit, ergibt sich erstmals die Gelegenheit zu einem realen Schachspiel. Er kann es nicht zu Ende führen, weil er unfähig ist, sich auf das Spieltempo seines realen Gegners einzustellen. So ist seine Kompetenz des Schachspielens zwar durch Verkörperung fixiert, er kann sie aber nur für sich alleine ausüben. Das Kriterium der Darstellbarkeit, das für eine Vervielfältigung seiner Kompetenz nötig wäre, damit andere seine Spielzüge wenigstens durch Abschauen lernen könnten, ist bei ihm nicht erfüllt.
Das adaptive Potential von Design ist dafür einzusetzen, die Darstellbarkeit verkörperter Erfahrungen zu erleichtern, indem unterschiedliche Darstellungsarten bereitgestellt werden. Dies ist insbesondere im schulischen Bereich wichtig. Einerseits bekommen Schüler, denen es nicht gelingt, ihre Kompetenzen zur Darstellung zu bringen, diese allzu leicht völlig abgesprochen. Andererseits müssen Lehrer in ihren Unterricht dem Kriterium der Darstellbarkeit entsprechend gestalten, und ihr verkörpertes Wissen für die Verbreitung aufbereiten.
Beispiel für das adaptive Potential von Design
Mit traditioneller Ausbildung entwickeln sich gehörlose Kinder langsamer als zur Verbalsprache befähigte Kinder. Zudem haben es schwerer, ihrer Fähigkeiten darzustellen. In Schulversuchen mit der Gebärdensprache als Hauptsprache tritt die normale Intelligenz der Gehörlosen zu Tage. Das adaptive Potential der Gebärdensprache ermöglicht es ihnen, ihre verkörperten Fähigkeiten darzustellen.
Menschen unterscheiden sich durch die Bevorzugung von bestimmten Darstellungsmodalitäten bezüglich der Produktion und auch der Rezeption (vgl. Vester, 1978; Markova, 1993). Das adaptive Potential von Design kann dieser Tatsache durch entsprechend vorbereitetes Unterrichtsmaterial Rechnung tragen indem nicht allein die verbale Sprache als primäres Darstellungsmedium zugelassen wird. Die Sprachfähigkeit vieler Kinder ist bis zur Pubertät durch Legasthenie eingeschränkt. Gerade diese Kinder können sich sehr gut durch visuelle Medien, Musik oder Körperbewegungen ausdrücken. Durch den Einsatz von Computerprogrammen, die nach dem Kriterium der Darstellbarkeit konzipiert sind und multimodale Darstellungsweisen wie Töne, Farben, Formen und Animationen anbieten, wird es für viele Kinder leichter, sowohl ihre besonderen Fähigkeiten zu präsentieren, als auch den Lernstoff besser in ihre Erfahrungswirklichkeit zu integrieren.