Im Unterschied zur Interaktion mit organischen Medien, deren Registrierung manchmal nur vom subjektiven Beobachterstandpunkt aus, im innerlich geschlossenen Raum erfolgt, beinhaltet das Interagieren mit kontextuellen Medien eine Öffnung nach außen. Erst dadurch kann jedes Individuum aktiv seine Erfahrungen in den Lebenskontext einbringen. Der Prozess der Reaktivation bezüglich des Umgehens mit Medien, die einer kontextuellen Logik unterliegen, betrifft jedoch nicht nur den einzelnen, sondern viele Menschen und verändert deren Lebenskontext. Daher gehören zum Subprozess der Befähigung in Relation zur Interaktion mit kontextuellen Medien zwei bedingende Einflussfaktoren. Ein Faktor ist durch die individuelle Fähigkeit zum Eingreifen in den Lebenskontext gegeben. Der zweite, in diesem Zusammenhang wesentlichere Faktor, betrifft die Prüfung der Relevanz oder der Zustimmungsfähigkeit der kontextbezogenen Interaktion für die Mitbetroffenen. Die Veränderungen an Medien mit kontextueller Logik bringen nämlich für alle, die ihr Handeln auf sie beziehen, neue Verbindlichkeiten mit sich. Dies erfordert von einem Akteur die Bereitschaft, für sein kontextbezogenes Handeln einzustehen, Verantwortung zu übernehmen und seine Erfahrung somit nach dem Kriterium der Verbindlichkeit zu erfassen und zu bewerten. Die Hoffnung, eine Erfahrung könne auch für andere Menschen gültig sein und somit im positiven Sinne Verbindlichkeit beanspruchen sowie die Unsicherheit, ob dieser Anspruch je einzulösen ist, drückt ein Gedicht von Philipp Larkin aus:
»Und hast du einmal deinen Geist durchmessen, dann überblickst du wie in einer Inventarliste, worüber du verfügst. Alles andere darf für dich nicht existieren. Und was ist damit gewonnen? Nur dies, dass wir uns wiederfinden in der zufallsblinden Prägung, die sich in allem zeigt, was wir tun; vielleicht, dass wir verstehen, woher sie stammt. Doch an dem grünen Abend, wenn für uns der Tod beginnt, nur zu bekennen, worin sie bestand, ist kaum zufriedenstellend, denn sie galt nur einmal, nur für einen Menschen, und der liegt im Sterben.« (Übersetzung aus dem Englischen von Christa Krüger, in: Rorty, 1989. S. 52)
Fraglich ist, wie die Hoffnung darauf, durch kontextbezogene Interaktion im Sinne des Kriteriums der Verbindlichkeit positive Akzente für die Erfahrung setzen zu können, jemals in größerem Umfang einzulösen ist, ohne Stück für Stück den Raum möglicher Bedeutungen auszufüllen. Neu hinzukommenden Akteuren bliebe dann nur das Erkunden dieses fertigen, abgeschlossenen Bedeutungsraums überlassen, ohne die Möglichkeit eigenständig an den Prozessen der Aktivation, der Manifestation und der Reaktivation bezüglich Medien mit kontextueller Logik mitwirken zu können.
Das situative Potential von Design kann mithelfen, dem Kriterium der Verbindlichkeit dadurch zu entsprechen, dass möglichst jeder Mensch an der Gestaltung seines Lebenskontexts aktiv teilnehmen kann, wenigstens durch ein zustimmendes oder ablehnendes Votum. Dadurch wäre auch zu verhindern, dass der Einfluss auf die Erfahrung bezüglich Medien mit kontextueller Logik großteils von oben, aus Machtpositionen heraus vorgegeben wird und sich nicht von unten, aus der Lebensdynamik wachsend, entfalten kann.
Beispiel für das situative Potential von Design
Besonders die Architektur hat Schwierigkeiten damit, dem Kriterium der Verbindlichkeit im obigen Sinne durch das situative Potential von Design zu entsprechen. Im Wohnungsbau ist es durchaus üblich, in der Planungsphase die Interessen der zukünftigen Bewohner einzubeziehen. Es wird diskutiert, ob Grünanlagen, Spielflächen, Sportanlagen, Gemeinschaftsgebäude usw. gewünscht werden. Dies ist hinsichtlich größeren Bauvorhaben schwierig wie die im Vorfeld kontroverse Diskussion um die »Gläserne Fabrik«, die der VW-Konzern in Dresden errichtet, zeigt. Während den Planern eine Erlebniswelt rund um das Auto vorschwebt, die dem Autokäufer ein touristisches Rundumerlebnis bieten soll, fühlen sich viele Bürger Dresdens überrumpelt, da ihre Stadt in eine Richtung geprägt wird, die sie als dort Lebende nicht befürworten.
Hinsichtlich dem Subprozess der Befähigung und dem Kriterium der Verbindlichkeit muss besonders die Reaktivation und Nutzung von kontextuellen Medien im städtischen Raum geprüft werden, denn hier sind besonders viele Menschen von Veränderungen in ihrem Lebenskontext betroffen. So ist es zwar zu begrüßen, wenn sich viele kleine Geschäfte, Cafés usw. in einer Straße ansiedeln, aber was für den Inhaber ungeachtet des finanziellen Erfolgs als Entfaltung seiner Erfahrungen im Sinne seiner Befähigung erlebt wird, kann ein Bewohner als Verschandelung des Stadtbildes durch Werbeschilder, schrille Schaufenstergestaltung oder billigste Ausstattung empfinden. In einigen Städten wurde deshalb bereits über die Einführung von Strafgebühren für ungepflegte, unpassende Bestuhlung im städtischen Raum verhandelt. Bezüglich diesem Problem kann das situative Potential von Design dahingehend einwirken, dass Firmenschilder zum Beispiel auf die Architektur einer Altstadt abgestimmt werden inzwischen ist das auch bei McDonals-Filialen der Fall, dass entsprechend passende Utensilien für die Ausgestaltung der Schaufenster entwickelt werden und dass die Bestuhlung der Straßencafés deren Differenzierung zulässt Herstellerfirmen für solche Produkte müssen daher eine größere Vielfalt anbieten.
Insgesamt sollte das Public Design, von der Straßenlaterne, über die Parkbank zum Fahrradständer das Kriterium der Verbindlichkeit bezüglich der kontextuellen Medien stärker beachten. Auch in diesem Bereich ist ein größeres, differenzierteres Angebot zu schaffen, um die Bürger an dem Prozess der verändernden Nutzung und Reaktivation der Medien beteiligen zu können, die ihre Erfahrungsqualität in Relation zu kontextbezogenen Interaktionen mitbedingen. Ein Konzept für das Public Design einer Stadt darf keine zu einschränkenden Verbindlichkeiten vorgeben, sondern sollte einen Rahmen bieten, der zu Eigenaktivitäten ermuntert und befähigt. Zudem sollte das situative Potential von Design daraufhin angelegt sein, die Entwicklungsgeschichte der dort lebenden Bürger aufnehmen zu können und dadurch eine einzigartige Ausformung zuzulassen, die sich nicht in jeder anderen Stadt genauso wiederfindet. In diesem Sinne können öffentliche Einrichtungen wie Stadtverwaltung, Krankenhaus, Kindergarten oder Schule markante Signale setzten. Um diese Bereiche von der Architektur über Public Design bis zur Stadtzeitschrift einbinden zu können, ist die Entwicklung einer Corporate Identity für die Stadt sinnvoll (vgl. Kutschinski-Schuster, 1993).