Ausübung > Zum Kriterium der »Variabilität« bezüglich der organischen Logik

Im dritten Subprozess im Teilprozess der Reaktivation, der Ausübung, kann sich aufgrund von Eigenininitiative die Kompetenz zum virtuosen, Varianten erzeugenden Umgegen mit organischen Medien entwickeln. Zwar sind durch diese Kompetenz die bedingenden Zwänge der Medien nicht zu beseitigen, sie trägt aber zu einer befreiten, von positiven Gefühlen begleiteten Interaktion mit ihnen bei. Diese gefühlsmäßige Qualität der Erfahrung während dem Subprozess der Ausübung wird mittels dem Kriterium der Variabilität untersucht.

Organische Medien sind zwar immer durch das Individuum konkretisiert, aber sie entfalten sich in Abhängigkeit von den Wertmaßstäben innerhalb der sozialen Eingebundenheit und der vorherrschenden Orientierung an einem sozialen Strukturtyp. Wenn in einem sozialen System statische Werte wie die Identität, welche eine Person verkörpert oder die gesellschaftliche Position, welche eine Person einnimmt, Vorrang haben, so stehen die gezielte Erarbeitung und Sicherung von diesem Status im Vordergrund der Nutzung und Reaktivation von einmal aktivierten und manifestierten Medien. Flexibilität im Verhalten wird nur im Falle der geglückten Statussteigerung belohnt, aber das damit verbunden Risiko bleibt dem einzelnen überlassen. Kann dieser nicht auf Sicherheiten zurückgreifen, so wird er versuchen, das Risiko gering zu halten und dementsprechend unflexibel sein, also seine organischen Medien wie Sprachgebrauch, Fremdsprachenkenntnisse, sportliche, artistische oder musische Fähigkeiten, emotionale Qualitäten usw. wenig variieren. Werden in einem sozialen System dagegen dynamische Werte wie der persönliche Lebensweg oder lebendige soziale Beziehungen betont, so ist das Bemühen um persönliche und gemeinsame Lebensqualität die maßgebende Aktivität. Organische Medien sind dann nicht nur Mittel zum Zweck, sondern stellen in ihrer Gestaltbarkeit durch Variantenbildungen eine qualitative Lebensbereicherung dar.

Wie die Menschheitsgeschichte zeigt, sind organische Medien sehr verschiedenartig gestaltbar. Auch unter Selektion dieser Varianten durch eine ethische Wertung bleiben noch viele gleichwertige Möglichkeiten zur Ausformung menschlicher Fähigkeiten übrig. All die unterschiedlichen Möglichkeiten können voneinander profitieren. Sie müssen nicht wie in einem Nullsummenspiel (vgl. Watzlawick, Anleitung zum Unglücklichsein, S. 121 ff.) gegeneinander ausgespielt werden. Spielerische Gestaltung von organischen Medien schafft Lebensqualität für den einzelnen und hält als gelebte Vielfalt reichhaltige Ressourcen für die Überlebensfähigkeit sozialer Systeme bereit. Die Reaktivation in Form der Rezeption oder Nutzung solcher an organische Medien gebundenen Produkte erfolgt mit Respekt und Wertschätzung vor der Arbeit, die zu deren Entstehen führte. Den Gegensatz dazu bilden maschinell gefertigte Produkte, die in immer gleicher Qualität instantan zur Verfügung stehen und gedankenlos verbraucht werden.

Das Kriterium der Variabilität bezüglich der Interaktion mit organischen Medien wird durch ein abwechslungsreiches, Flexibilität förderndes adaptives Potential von Design positiv angeregt und durch monotone, die Bildung fester Schemata begünstigender Impulse geschwächt. Im Subprozess der Ausübung und bezüglich dem Kriterium der Variabilität ist das adaptive Potential von Design eng mit der Art und Weise der Ausführung durch die aktive Person verbunden.

Beispiel für das adaptive Potential von Design

Die Fähigkeit zum lockeren, Grenzen austestenden, akzentuierenden Variieren von bestimmten organischen Logiken macht einen großen Teil der ästhetischen Erfahrung und der Lebensqualität aus. Aktive Menschen halten selten nur an einem im Organismus verkörperten Wissensschema fest, sie spielen damit, korrigieren es, entwickeln alternative Varianten und regen dadurch auch andere Menschen zu flexiblerem, das Kriterium der Variabilität positiv erfahrbar machendem Verhalten an. Geübte Schauspieler faszinieren, indem sie verschiedenste Persönlichkeiten verkörpern können. Die Fotokünstlerin Cindy Sherman scheint für jedes Foto in die Lebensgeschichte eines anderen fiktiven Menschen zu schlüpfen. Der Musiker Justus Frantz spielt auf dem Klavier ein Potpourri von ineinanderfließenden Melodien verschiedenster Musikstile. Der bekannte Fälscher Konrad Kujau zeichnet oder malt spontan im Stil unterschiedlichster Künstler. Routinierte Zehnkämpfer stellen ihre Motorik schnell auf die jeweilige Sportart ein. Erfahrene Tänzer beherrschen klassische, moderne und freie Tanzstile. Geübte Schachspieler haben tausende von Zugfolgen parat und können diese zudem variieren. Solche Menschen entwickeln durch die ständige Ausübung der Interaktion mit den durch die organische Logik bestimmten Medien die Fähigkeit, ihre Medien-Schemata und ästhetischen Lebensmuster zu variieren, ohne einer völligen Beliebigkeit zu verfallen und ohne ihre Ressourcen in unproduktiven, Machtschemata festigenden, zwischenmenschlichen Kleinkriegen zu verschwenden.

Befähigung > Zum Kriterium der »Vollzugsfähigkeit« bezüglich der organischen Logik

Die Verfügung über bestimmte organische Medien kann zwar gegeben sein, trotzdem steht der Subprozeß der Befähigung noch vor dem Subprozeß der endgültigen Ausführung, denn ohne Berücksichtigung des Kriteriums der Vollzugsfähigkeit kann der Teilprozess der Reaktivation nicht abschließbar sind. Zeichnen als Medium mit organischer Logik erfordert nicht nur die vergegenwärtigende Verfügung über eine Idee, Zeichengeräte und das Wissen um deren Bedienung. Denn diese wichtigen Voraussetzungen kommen erst dann im positiven Sinne für die Erfahrung zur Entfaltung, wenn zusätzlich das Kriterium der Vollzugsfähigkeit erfüllt ist. So muss ein Mensch, um zu zeichnen, momentan in der Lage sein, mit der Hand, dem Mund, dem Fuß einen Stift führen oder auch eine Computertastatur, eine Maus oder einen Touchscreen bedienen zu können. Jedes der genannten Medien beeinflusst die Erfahrung während der Reaktivation unterschiedlich. Doch letztlich bestimmt das Kriterium der momentanen Vollzugsfähigkeit den Grad der Bedingtheit der Erfahrung durch die Medien, die der organischen Logik unterliegen.

Das adaptive Potential von Design kann dem Kriterium der Vollzugsfähigkeit dadurch entsprechen, dass die zur Interaktion mittels organischer Medien zusätzlich benötigten Geräte individuell angepasst sind, ihre Bedienung gut zu erlernen ist und bezüglich dauerhaften oder temporären Veränderungen der Vollzugsfähigkeit dementsprechend neue adaptive Lösungen entwickelt werden.

Beispiel für das adaptive Potential von Design

Ein Werkzeug oder Medium ob einfach oder komplex, das jemand, der nicht gelernt hat damit umzugehen, reaktiviert, entfaltet eine stärkere Eigendynamik, als wenn es mit der entsprechenden Vollzugsfähigkeit gehandhabt wird. Wenn ein Kind zum ersten Mal mit Buntstiften zeichnet, bleibt oft unentscheidbar, ob die Hand den Stift führt oder die von Papier gebremsten Bewegungen des Stifts die Hand steuern. Ebenso muss die Vollzugsfähigkeit bezüglich der Handhabung von Computerprogrammen entwickelt werden. Hinsichtlich der Beobachtung einer Interaktion mit Schwerpunkt auf Medien mit organischer Logik unterscheiden sich Stift oder Pinsel nicht prinzipiell von Computern. Kleinkinder lernen ebenso leicht ein Bild mit Fingerfarben oder mit einem Touchscreen zu malen.

Dem Kriterium der Vollzugsfähigkeit gerecht werdend kann das Gelingen einer beabsichtigten Interaktion beispielsweise durch die Entwicklung von Software mit besonderer Berücksichtigung des adaptiven Potentials von Design erleichtert werden. Hieraus ergibt sich die noch unausgeschöpfte Chance, nicht nur körperliche, sondern auch geistige Behinderungen, die der durchschnittlich entwickelten Vollzugsfähigkeit bei leichten Aufgaben im Wege stehen, ausgleichen zu können. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass gerade geistig Behinderte sehr gerne mit dem Computer arbeiten (vgl. Zopfi, in: Die Zeit Nr. 15, 1997, S. 78).

Eine vorübergehende körperliche Beeinträchtigung der momentanen Vollzugsfähigkeit bezüglich dem Radfahren als schwerpunktmäßig durch die organische Logik bedingten Medium, gleicht zum Beispiel das von Claus Dietel entwickelte Fahrrad mit abnehmbaren Zusatzmotor aus.

Verfügung > Zum Kriterium der »Vergegenwärtigbarkeit« bezüglich der organischen Logik

Hinsichtlich der Interaktion mit Medien, die der organischen Logik folgen, ist zu beachten, dass die Fähigkeit hierzu besonders stark von der Vorgeschichte einer Person und dem durch Verkörperung manifestierten Erfahrungswissen abhängt. So steht vielen Menschen das Fahrradfahren im Prinzip zur Verfügung, da sie jederzeit ein Rad besteigen und losfahren könnten, allerdings wäre es sicher für einen Großteil problematisch, eine vorgegebene Wegeführung mit einigen Schwierigkeitsgraden abzufahren. Auch das Aufsagen einer kurzen Grußformel wäre für die meisten Menschen eine einfache Aufgabe, wogegen es ihnen schwer fiele, eine kleine, freie Begrüßungsrede zu halten. Die Reaktivation von geistigen oder körperlichen Erfahrungen im Umgang mit vorrangig durch die organische Logik geprägten Medien, basiert auf der Vergegenwärtigbarkeit des einmal gelernten.

Allein diese im Subprozess der Verfügung vergegenwärtigbaren Erfahrungen stehen zur Reaktivation bereit. Die bedingende Wirkung auf die Erfahrung während dem Subprozess der Verfügung ist daher durch das Kriterium der Vergegenwärtigbarkeit zu kennzeichnen. Zum einen gerät dasjenige, was nur oberflächlich gelernt wurde rasch in Vergessenheit. Zum anderen trägt mangelnde Reaktivierung des Gelernten zum Vergessen bei. So können viele Erwachsene ihre Fremdsprachenkenntnisse nicht reaktivieren, weil sie diese Sprache in der Schulzeit nur in wenigen Unterrichtsstunden lernten und selten in der Lebenspraxis zur Anwendung bringen konnten. Auch das Wissen aus anderen Wissensgebieten, deren Kennenlernen sich allein auf die Schulstunden beschränkte, ist nach der Schulzeit nur noch von wenigen Menschen zu vergegenwärtigen.

Der Übergang von der Industrie- zur Wissensgesellschaft ist nur von Menschen zu vollziehen, die bereit sind, lebenslang zu lernen, denn Wissen wird nicht mehr als ein für allemal feststehend modelliert. Hierbei kann das adaptive Potential von Design verstärkt zum Einsatz kommen. Dem Kriterium der Vergegenwärtigbarkeit ist beispielsweise zu entsprechen, indem die didaktische und dramaturgische Aufbereitung von Lernstoffen in nach Schwierigkeitsgraden gestaffelter Form erfolgt. Auf diese Weise ist zunächst ein oberflächlicher Überblick zu vermitteln und anschließend das gezielte, tiefergehende Lernen auf die individuellen Erfordernisse des Lernenden abzustimmen.

Beispiel für das adaptive Potential von Design

Einfache und somit leichter vergegenwärtigbare Erfahrungsanteile zu einem Wissensgebiet können als Einstiegshilfen angeboten werden, um sich an das bereits Gelernte besser zu erinnern sowie darauf aufbauen oder anknüpfen zu können. Einige Lern- und Hilfsprogramme für Computersoftware begleiten den Nutzer bereits in diesem Sinne. Das Aufgabenfeld der didaktischen Aufbereitung von Wissensstoffen unter Anwendung der Multimedia-Technologie, erfordert die stärkere Beteiligung von Designern und wird bezüglich dem Computer-Based-Training für die Aus- und Weiterbildung weiter wachsen.

Die Zertifizierung im Bereich der Weiterbildung stellt nicht mehr das durch eine Prüfung in Form eines »Verhörs« abrufbare Wissen als vorbildlich hervor, sondern zeichnet solche Kenntnisse aus, die im Zusammenhang mit einem praktischen Szenario vergegenwärtigt werden können. Auch die Erwartungen von Arbeitgebern gehen in diese Richtung. Diese legen weniger Wert auf traditionelle Prüfzeugnisse, als vielmehr auf den Nachweis von verfügbarem, vergegenwärtigbarem Wissen bezüglich der Praxis. Somit ist auch die Form der Prüfung entsprechend umzugestalten.

Einprägung > Zum Kriterium der »Gleichartigkeit« bezüglich der organischen Logik

Bezüglich der interaktiven Entwicklung der organischen Medien kann der Wunsch erwachsen, die zugehörigen Erfahrungen nicht nur durch ihre Darstellung zu vervielfältigen und zu verbreiten, sondern sie weiterzugeben und sie letztendlich durch das Verständnis anderer Menschen über die eigene Existenz hinaus zu manifestieren. Die eigenen Erfahrungen sollen nicht verloren gehen und in die Erfahrung anderer Menschen eingeprägt werden. Mit der Weitergabe der durch organische Medien verkörperten Erfahrungen verbindet sich nicht unbedingt der Anspruch, aber doch die Hoffnung darauf, dass diese auch für andere Menschen eine wichtige Bedeutung erlangen könnten und so die investierten Ressourcen wie die persönliche Lebenszeit nicht völlig spurlos im Universum verschwinden. Mit dem Erkennen der persönlichen Vergänglichkeit und damit der in den singulär entfalteten, organischen Medien verkörperten Erfahrungen gewinnt deren Darstellbarkeit und Verbreitbarkeit große Bedeutung. In dem Science-Fikction-Film »Blade Runner« des Regisseurs Ridley Scott von 1982 drückt ein sterbender Replikant diesen Gedanken aus: »… all diese Momente werden verloren sein in der Zeit, so wie Tränen im Regen.« ­ und bedauert, dass er seine Erfahrungen niemandem weitergeben kann. Menschen können ihn nicht verstehen, da sie anders sind als er. Die vermittelte Einprägung der an organische Medien gebundenen Erfahrungen erfordert eine prinzipielle Gleichartigkeit beispielsweise auch zwischen einem Lehrenden und einem Lernenden. Zwar muss ein Lehrer für gehörlose Kinder nicht selbst taub sein, er sollte jedoch die Gebärdensprache beherrschen und sich in die Welt dieser Kinder einfinden können. Ebenso muss ein Sporttrainer keine Spitzenleistungen in seiner Disziplin erbringen können, sollte jedoch die Sportart, die er unterrichtet, selbst ausgeübt und das zugehörige Körpergefühl einmal erfahren haben. Auch ein Gesangslehrer sollte das Singen aus eigener Erfahrung kennen, ohne die gleichen stimmlichen Qualitäten wie die Schüler aufweisen zu müssen.

Das Kriterium der Gleichartigkeit zur Sicherung der medial vermittelten Einprägung und stabilen Manifestation von Erfahrungen im Umgang mit Medien mit organischer Logik wird durch das adaptive Potential von Design dadurch unterstützt, dass bei geringer oder nicht vorhandener Gleichartigkeit Möglichkeiten zu deren Herstellung gefunden werden.

Beispiel für das adaptive Potential von Design

Nicht nur für Kinder nimmt die Interaktion mit organischen Medien einen Großteil ihres Tuns in Anspruch, auch alte Menschen beschäftigen sich gezwungenermaßen durch altersbedingte Veränderung mancher Fähigkeiten mit ihren organischen Medien. Das adaptive Design kann daraufhin angelegt sein, die schwindenden Kompetenzen zu erhalten und zu kompensieren, damit die Gleichartigkeit der Älteren mit den Jüngeren so lange wie möglich bestehen bleibt. Dadurch ist die Vermittlungsrichtung neuer Erfahrungen von jungen zu alten Menschen gesichert. Durch das Altern ist aber nicht nur der Verlust von Fähigkeiten zu beklagen, sondern auch die Entwicklung neuer Erfahrungen durch die veränderte Interaktion mit den organischen Medien festzustellen. Deren Manifestation müsste durch die Vermittlungsrichtung von den Alten zu den Jungen erfolgen, denn diese Erfahrungen könnten den Jüngeren später einmal zugute kommen. Daher müsste nun zur Herstellung einer Gleichartigkeit zur Vermittlung der Erfahrungen in umgekehrter Weise die organische Logik der jungen Menschen an die der alten Menschen angepasst werden. Dies schafft der »Age Simulator« von der Firma Meyer-Hentschel Consulting mit Sitz in Saarbrücken. Ein Kopfhörer dämpft und vermischt die Klänge, ein enger Anzug verhindert flotte, kraftvolle Bewegungen und Bleisäcke an den Hosen erschweren das schnelle Gehen. Speziell präparierte Handschuhe setzen die Fingerfertigkeit herab und ein Helm verkleinert und trübt das Gesichtsfeld (vgl. Spiegel Spezial Nr. 2/1999, S. 52). Einem Designer, der in diesen Age Simulator schlüpft, fällt es sicher leichter, altersgerechtes Design zu entwickeln. Dieses Anliegen hat sich die von Roger Coleman begründete Arbeitsgemeinschaft DAN, Design for Ageing Network, zum Ziel gesetzt.

Verbreitung > Zum Kriterium des »Darstellbarkeit« bezüglich der organischen Logik

Solange ein Individuum vorwiegend seine organischen Medien für die Interaktion mit der Welt nutzt, bleibt deren Entfaltung für die Erfahrung im Prinzip auf das subjektive Erleben begrenzt. Ein im Spiel versunkenes Kind ist in seinem Tun aufgehoben. Es will damit nichts mitteilen, denkt nicht an außenstehende Beobachter oder an ein fertiges Produkt als Resultat seines Spiels. Es lebt voll und ganz ohne zeitliche oder räumliche Beschränkungen zu bemerken im Spielen, bis Hunger oder Müdigkeit aufkommt. Außer dem Kind selbst hat keiner erfahren, worum es bei diesem Spielen ging. Das Ergebnis dieser Tätigkeit ist, abgesehen von vielleicht zurückbleibenden Spuren, nur als Veränderung der verkörperten Kompetenzen des Kindes im Umgang mit den organischen Medien zu beobachten, es ist nicht als solches darstellbar. Ebenso können durch Variieren und Trainieren mittels organischer Medien erzeugte Erfahrungen, seien dies körperliche Fitness oder Phantasiewelten, für andere Menschen verborgen bleiben. In der Schachnovelle von Siegfried Lenz lernt die in Einzelhaft eingesperrte Hauptfigur das Schachspielen aus einem Buch. Sie muss alle Indizien von Spielversuchen wie Brotkrümel als Spielsteine, Kratzspuren als Spielfelder usw. vor den Bewachern verstecken und spielt schließlich nur noch im Gedanken. Der Gefangene erreicht ein Niveau, auf dem er simultan mehrere Spiele im Kopf sozusagen gegen sich selbst spielen kann. Später, wieder in Freiheit, ergibt sich erstmals die Gelegenheit zu einem realen Schachspiel. Er kann es nicht zu Ende führen, weil er unfähig ist, sich auf das Spieltempo seines realen Gegners einzustellen. So ist seine Kompetenz des Schachspielens zwar durch Verkörperung fixiert, er kann sie aber nur für sich alleine ausüben. Das Kriterium der Darstellbarkeit, das für eine Vervielfältigung seiner Kompetenz nötig wäre, damit andere seine Spielzüge wenigstens durch Abschauen lernen könnten, ist bei ihm nicht erfüllt.

Das adaptive Potential von Design ist dafür einzusetzen, die Darstellbarkeit verkörperter Erfahrungen zu erleichtern, indem unterschiedliche Darstellungsarten bereitgestellt werden. Dies ist insbesondere im schulischen Bereich wichtig. Einerseits bekommen Schüler, denen es nicht gelingt, ihre Kompetenzen zur Darstellung zu bringen, diese allzu leicht völlig abgesprochen. Andererseits müssen Lehrer in ihren Unterricht dem Kriterium der Darstellbarkeit entsprechend gestalten, und ihr verkörpertes Wissen für die Verbreitung aufbereiten.

Beispiel für das adaptive Potential von Design

Mit traditioneller Ausbildung entwickeln sich gehörlose Kinder langsamer als zur Verbalsprache befähigte Kinder. Zudem haben es schwerer, ihrer Fähigkeiten darzustellen. In Schulversuchen mit der Gebärdensprache als Hauptsprache tritt die normale Intelligenz der Gehörlosen zu Tage. Das adaptive Potential der Gebärdensprache ermöglicht es ihnen, ihre verkörperten Fähigkeiten darzustellen.

Menschen unterscheiden sich durch die Bevorzugung von bestimmten Darstellungsmodalitäten bezüglich der Produktion und auch der Rezeption (vgl. Vester, 1978; Markova, 1993). Das adaptive Potential von Design kann dieser Tatsache durch entsprechend vorbereitetes Unterrichtsmaterial Rechnung tragen indem nicht allein die verbale Sprache als primäres Darstellungsmedium zugelassen wird. Die Sprachfähigkeit vieler Kinder ist bis zur Pubertät durch Legasthenie eingeschränkt. Gerade diese Kinder können sich sehr gut durch visuelle Medien, Musik oder Körperbewegungen ausdrücken. Durch den Einsatz von Computerprogrammen, die nach dem Kriterium der Darstellbarkeit konzipiert sind und multimodale Darstellungsweisen wie Töne, Farben, Formen und Animationen anbieten, wird es für viele Kinder leichter, sowohl ihre besonderen Fähigkeiten zu präsentieren, als auch den Lernstoff besser in ihre Erfahrungswirklichkeit zu integrieren.

Fixierung > Zum Kriterium der »Verkörperbarkeit« bezüglich der organischen Logik

Die Fixierung der Kompetenz zur Interaktion mit Medien, welche durch die organische Logik bedingt sind, basiert darauf, dass sie sozusagen »in Fleisch und Blut« übergegangen ist. Dies betrifft die Fähigkeit einer Kassiererin zum schnellen Addieren im Kopf ebenso wie die Fähigkeit einer Sängerin, auf Anhieb den gewünschten Ton treffen zu können. Doch benötigt diese Art der Fixierung eine Unterstützung durch fortgesetztes Training. Besonders vorteilhaft wirkt sich das Kriterium der Verkörperbarkeit in künstlerischen Bereichen aus, in denen es auf die individuelle Ausprägung der Erfahrung ankommt. Von Nachteil ist aber oft der Aufwand der zur Erhaltung der verkörperten Kompetenz betrieben werden muss, wenn diese eher alltägliche Bereiche betrifft. Hier kann das adaptive Potential von Design ansetzten.

Um dem Kriterium der Verkörperbarkeit zu entsprechen, muss das adaptive Potential von Design daraufhin angelegt sein, dass es während einer Interaktion mit organischen Medien unterstützend auf die Erfahrung wirkt, indem es sich den bereits verkörperten Fähigkeiten anpasst und auf diesen aufbaut.

Beispiel für das adaptive Potential von Design

Das adaptive Potential von Design kann dem Kriterium der Verkörperbarkeit sowohl in körperlicher wie auch geistiger Hinsicht entsprechen. So können moderne Autositze mittels Computer auf mehrere Fahrer oder Lieblingspositionen eines Fahrers einprogrammiert werden. Sie fixieren somit die Haltung, in der der Autofahrer zuletzt seine optimale Position gefunden hatte und erleichtern dadurch auch die Nutzung eines Fahrzeugs durch mehrere Personen unterschiedlichster Statur. Donald A. Norman legt anhand seinem Konzept der natürlichen Mappings dar wie bestimmte Handlungsabläufe durch Design zu erleichtern sind. Anstelle jedesmal die willkürliche, der elektrischen Verkabelung folgende Zuordnung von Herdplatten und Schaltern nachvollziehen und lernen zu müssen, wäre es zur Verbesserung der Handhabung sinnvoller, die Schalterposition nach dem Bedienungsablauf der Nutzer zu richten (vgl. Norman, 1989, S. 93ff).

Das adaptive Potential von Design kann allgemein bei der Gestaltung von Bedienungsoberflächen die Interaktion erleichtern, indem die verkörperten Kompetenzen der Nutzer stärker miteinbezogen werden. So lässt sich die Andruckstärke der Tasten bei vielen Tastaturen nach der Schreibgeschwindigkeit eines Bedieners einstellen oder das Reaktionstempo der Computermaus ist den Fähigkeiten des Nutzers entsprechend wählbar.

Entwicklung > Zum Kriterium der »Trainierbarkeit« bezüglich der organischen Logik

Spielerisch werden die Grenzen der organischen Logik erforscht und mittels Variieren deren Möglichkeiten entfaltet. Diese Vielfalt bündelt sich durch die Auswahl eines angestrebten Ziels und entwickelt sich durch Trainieren weiter auf ein spezifisches Konzentrat der organischen Medien hin. Jedes Individuum stellt eine solch einzigartige Ausformung der organischen Medien dar.

Dieses Kriterium ist mit dem Begriff »Trainieren« bezeichnet, weil dieser deutlicher als der in diesem Zusammenhang ebenfalls mögliche Begriff »Lernen« mit der Bedeutung von körperlichem Einsatz verbunden wird. Auch geistige Fähigkeiten sind ohne körperlichen Einsatz nicht entwickelbar. Durch Training werden die körperlichen Potentiale zu gezielt einsetzbaren Medien ausgeformt, egal ob sie zur Erzeugung sportlicher oder künstlerischer Bewegungsmuster, zur Generierung wissenschaftlicher Theorien oder phantasievoller Gehirnmuster dienen. Die Bedeutung von Training schließt hier ein Lernen ein, das durch intuitiv entwickeltes Verstehen generiert wird. Es geht nicht darum, scheinbar feststehendes Wissen nach dem Lehrmodell des Nürnberger Trichters zu übernehmen. Das Kriterium der Trainierbarkeit kennzeichnet die Erfahrung des Lernens als aktives Tätigsein, das im Unterschied zum Spielen oder Variieren, jedoch auf diese Erfahrungen aufbauend, einen bestimmten Weg weiterentwickelt.

Im Zuge dieses lernenden Trainierens formt sich die individuelle Persönlichkeit mit den Kompetenzen oder Inkompetenzen ihrer spezifisch ausgeprägten organischen Medien. Dieses Trainieren erfolgt nicht isoliert. Es ist eingebunden in soziale und kontextuelle Interaktion und Kommunikation. Aber die Arbeit des Trainierens als Weiterentwickeln der organischen Medien muss jede Person selbst vollbringen. Hier zeigt sich der Unterschied zwischen produktivem und rezeptivem Tätigsein. Es lässt sich leichter und schneller lernen einen Gewichtheber zu beobachten, als ein Gewicht selbst zu heben. Ebenso ist es einfacher, von anderen produzierte Theorien zu kritisieren, als selber welche zu entwickeln.

Lernen als Trainieren benötigt gegenüber dem Lernen als Übernehmen von Bewährtem viel Zeit. Ab dem Übergang vom Jugendlichen zum Erwachsenen steht die erforderliche Zeit meistens nicht mehr zur Verfügung. Dies mag die Hauptursache dafür sein, dass heute lieber Bewährtes thematisiert wird, entweder durch unkritische Übernahme oder durch zermürbende Kritik aus der sicheren Distanz des unbeteiligten Beobachters. Solange ein Vergleich möglich ist, zeigt er, dass mit dem Verzicht auf die persönliche Entfaltung der organischen Medien zur kreativen Produktion ein Großteil der möglichen Lebensqualität und -intensität verloren geht. Daher suchen viele Menschen innerhalb ihrer sozialen Rahmenbedingungen nach Möglichkeiten sich selbst mit der Entfaltung ihrer organischen Medien weiterzuentwickeln und wählen oft nicht den einfachsten Weg.

Das adaptive Potential von Design kann das Kriterium der Trainierbarkeit bezüglich Medien mit organischer Logik unterstützen, indem die Aktivität von Menschen stärker gefördert wird, als ihre bloße Präsenz oder eine passive Konsumhaltung.

Beispiel für das adaptive Potential von Design

Dem einzelnen Menschen ist es unmöglich, seine organischen Medien hinsichtlich allen offenen Perspektiven zu trainieren und weiterzuentwickeln; er muss sich entscheiden. Daher wächst mit zunehmender Komplexität der Orientierungsmöglichkeiten für die Kreation von Lebensperspektiven der Bedarf an komprimierten Angeboten für zunächst das alltägliche Leben vereinfachende und schließlich Expertenwissen ersetzende Problemlösungen. Vom Instantkaffee zur Robotersteuerung für Gehirnoperationen, von den Straßenverkehrsregeln zum Grundgesetz, von Höflichkeitsformen zu Lebensführungshilfen reichen weite Entwicklungsspannen. Aber ohne persönliche produktive Mitwirkung an diesen Prozessen oder ohne Erfahrung des Trainierens in wenigstens einem Bereich, die zum Verständnis anderer Bereiche beitragen kann, nimmt ein Nutzer schließlich generell eine passive Konsumentenhaltung ein und glaubt unterschiedslos hinsichtlich jedem Produktangebot er brauche nur einen einfachen Input zu geben, um als Output das gewünschte Resultat zu bekommen. Je umfangreicher dieses Prinzip zum Tragen kommt, desto unproduktiver, unkreativer, verdummender und ästhetisch ärmer wird das Leben der Menschen, denn ihre aktive und damit Veränderungen einbringende Beteiligung ist nicht gefragt und wird nicht gefördert. Dieser Tendenz können Designer entgegenwirken, indem sie nicht versuchen, jeglichen Aufwand für den Nutzer, sei es bezüglich der Handhabung oder dem kognitiven Umgang mit Produkten durch reibungslose, funktionale Gestaltung auszuschalten.

Da es inzwischen relativ leicht ist, ohne fundiertes Vorwissen mit dem Computer perfekte Resultate zu erzeugen, steigt der Wert von Produkten, die primär mittels organischer Medien entstehen wie Zeichnungen, Live-Musik, Sportlichkeit, Artistik aber auch Reiseberichte, Biografien, usw. Im Ausgleich zu der Vielzahl von scheinbar zusammenhanglosen, austauschbaren Produktangeboten, erfährt das authentisch Gewachsene mehr Beachtung. Dadurch erhält das Kriterium der Trainierbarkeit einen wichtigeren Stellenwert für die ästhetische Erfahrung des Akteurs.

Verbesserung > Zum Kriterium der »Korrigierbarkeit« bezüglich der organischen Logik

Geistige oder motorische Fähigkeiten und entsprechende Medien mit organischer Logik sind zwar im Prinzip verbessernd umformbar, Korrekturversuche können jedoch auch die Gefahr einer Verschlechterung mit sich bringen. Für den Subprozess der Verbesserung bezüglich Medien mit organischer Logik ist viel Zeit und persönlicher Einsatz notwendig. Diese Ressourcen sind knapp. Dadurch ist die Korrigierbarkeit von einmal geformten organischen Medien wie Sprachgebrauch, persönlicher Gestik oder Wissenskonzepten als theoretisch oder motorisch schematisiertes Wissen eingeschränkt. Aus diesem Grund bleiben viele Menschen ohne größere Korrekturen vorzunehmen, an ihren einmal produzierten, der organischen Logik zugehörigen Medien-Schemata haften.

Dem Kriterium der Korrigierbarkeit entspricht das adaptive Potential von Design durch eine fehlerfreundliche Gestaltung von Interaktionen. Hierzu gehört die Erleichterung der Registrierung eines Fehlers ebenso wie die Ermöglichung seiner Korrektur.

Beispiel für das adaptive Potential von Design

Oft ist es schwieriger die Programmplätze eines Fernsehgeräts einzugeben, als spielerisch ein Computerprogramm zu erlernen. Da die Tasten einer TV-Fernbedienung doppelt belegt sind oder die Anzeige plötzlich wieder verschwindet, kann ein Nutzer seinen Fehler nicht mehr zurückverfolgen und muss den Vorgang ‚auf gut Glück‘ nochmals wiederholen. Dagegen sind gute Programme so aufgebaut, dass sie dem Nutzer Schritt für Schritt ein Feedback durch die Monitoranzeige geben und dadurch falsche Eingaben schnell zu registrieren und auch zu korrigieren sind. Im Zuge des Aufkommens von Personalcomputern entschieden sich viele Menschen, die wenig von Computertechnik verstanden, aber den Computer als Werkzeug nutzen wollten, für Apple Computer, weil diese ein Interface anboten, das dem Nutzer einen spielerischen Einstieg erleichterte und ihm die Befürchtung nahmen, durch irgendwelche versehentlich falschen Eingaben Fehler im System auszulösen. In der Folge erneuerten andere Hersteller ihr Interface-Design entsprechend.

Der Einsatz von Spiegeln im Tanzunterricht hilft dabei, Bewegungsfehler am eigenen Körper zu überprüfen und zu korrigieren. In vielen sportlichen Disziplinen werden zu diesem Zweck heute Filmaufnahmen, Messdaten und Computerprogramme eingesetzt. Diese Hilfsmittel im Sinne des adaptiven Designs unterstützen den Sportler dabei, sein innerliches Schema eines Bewegungsablaufes mit dessen tatsächlicher Durchführung zu vergleichen und gezielt Korrekturen vorzunehmen.

Erzeugung > Zum Kriterium der »Erspielbarkeit« bezüglich der organischen Logik

Die elementarste kreative Tätigkeit ist das Spiel mit dem eigenen Körper. Jedes Kleinkind entdeckt und erzeugt spielerisch für sich die Grenzen seines körperlichen Erfahrungsbereiches. Die Logik des Hörens als einem sinnlichen Medium wird durch die spielerische Produktion von Geräuschen ob mit der eigenen Stimme oder körperlichen Interaktionen mit der Welt wie Klopfen, Schlagen, Kratzen usw. für die eigene Erfahrung erzeugt. Dementsprechend beginnt die spielerische Auseinandersetzung mit dem Singen und Sprechen durch unstrukturiertes Geplapper und melodischen Wiederholungen. Die Logik des Sehens wird durch Zukneifen eines oder beider Augen, durch Verstecken usw. spielerisch zum Teil der Erfahrung. Die Logik des Schmeckens entsteht im spielerischen oralen Abtasten unterschiedlichster Dinge. Vor dem Erfassen der Logik des Riechens werden Dinge in die Nase gesteckt. Die Logik des Mediums der eigenen Haut als Körpergrenze wird spielerisch erfühlt, indem sich Kinder selbst beißen, zwicken oder die Haare zupfen. Kinder die von Geburt an durch eine Krankheit schmerzunempfindlich sind, erfahren diese elementare organische Logik als mediale Grenze nicht und verstümmeln sich im Spiel mit dem eigenen Körper. Die Bewegungserfahrung bildet sich unter anderem durch Zappeln oder rhythmisches Schaukeln.

Wahrscheinlich ist diese Erfahrung der Körpergrenzen durch die Erspielbarkeit der Medien, die durch eine organische Logik geprägt sind, auch für die geistige Entwicklung sehr wichtig. Dies belegt der Vergleich von gesunden mit autistischen Kindern. Autistische Kinder, deren Krankheit auf einem genetischen Defekt beruht, fallen auf, weil sie beispielsweise jeden zärtlichen Körperkontakt ablehnen. Ihnen gelingt es nicht, ihre Körpergrenzen durch spielerische Abgrenzung verschiedener Medien mit organischer Logik zu entdecken oder zu erzeugen. So wiederholen sie bestimmte Tätigkeiten wie Dinge nach Farben zu sortieren ohne Veränderung immer wieder. Genausowenig wie ihnen die Erspielbarkeit der sinnlichen Medien oder deren Gewichtung und angenehme Gestaltung gelingt, können sie ihre geistigen Vorstellungen abgrenzen und ordnen. Eine These zur Erklärung dieses Phänomens besagt, dass Autisten kein Bewusstsein ihrer körperlichen und geistigen Abgegrenztheit entwickeln und deshalb auch unfähig sind, sich vorzustellen, dass andere Menschen etwas denken könnten, was von ihren eigenen momentanen Denkinhalten verschieden ist. Dadurch sind Autisten unfähig normal zu kommunizieren. Das unvorhersehbare Verhalten anderer Menschen macht sie unsicher.

Das adaptive Potential von Design unterstützt die Erspielbarkeit der Medien mit organischer Organisationslogik, indem unterschiedliches Spielzeug für Kinder entwickelt wird, das insbesondere das Kriterium der körperlichen Erspielbarkeit im Sinne einer spielerischen Abgrenzung der organischen Medien fördert.

Beispiel für das adaptive Potential von Design

Da die spielerische Grenzfindung und Gestaltungsvariation bezüglich den Medien mit organischer Logik von der Eigenaktivität der Person abhängt, sollten von außen keine zielorientierten, drängenden Impulse gegeben werden. Im Vordergrund sollte vielmehr die Anregung der persönlichen Entfaltung durch vielfältige Angebote und reichlich Zeit stehen, nicht das Aufbauen von Körpererfahrungen nach vorgegebenen, engen Richtlinien. So erscheint es in diesem Zusammenhang wenig sinnvoll, bereits zweijährige behinderte Kinder an den einseitigen Bewegungsablauf eines Rollstuhls gewöhnen zu wollen. Jaron Lanier, der Erfinder von Cyberspace-Brillen, arbeitet mit körperlich behinderten Kindern, um ihnen im Cyberspace die spielerische Abgrenzung und Ausweitung ihrer körperlichen Möglichkeiten erfahrbar zu machen, die sie wegen ihrer Behinderung in der gegebenen physikalischen Welt nicht aus eigener Kraft zustande bringen könnten.

Das adaptive Potential von Design, das spielerischen Freiraum für die individuelle Abgrenzung von Körpererfahrungen bietet, ist auch für Erwachsene wichtig. Dies zeigt der Misserfolg der ersten ergonomischen Arbeitsmöbel, die den Körper in eine optimale Sitzhaltung pressen wollten. Einige Entwicklungsfirmen für Software haben ihre Büroeinrichtungen aufgelockert und viele zum Spiel anregende Gegenstände einbezogen. Durch das Spielen in Denkpausen, wird nicht nur der vom Sitzen erstarrte Rücken, sondern auch der Kopf wieder freier und die Arbeit geht danach besser voran.

Besonders wichtig ist das Kriterium der Erspielbarkeit bezüglich der organischen Logik auf dem Gebiet der Sexualität als Medium für persönliches Körpergefühl und für sozialen Kontakt. Es fördert die sexuelle Erfahrung oder das Ausleben von Phantasien und trägt somit dazu bei, starre Tabus aufzubrechen, die manche Menschen zur belastenden Verdrängung ihrer Wünsche oder zum ernsthaften Überschreiten der sozialen Konventionen zwingen. Die teilweise auch das Denken vereinnahmende Kraft der Sexualität als organisches Medium lässt sich durch spielerischen, freien Umgang zum beherrschbaren, erotischen Erleben gestalten. Die entsprechende Gestaltung von erotischen Hilfsmitteln, Werbekampagnen oder der Präsentation in Geschäften sollte zu diesem spielerischen Erkunden anregen und die Thematik aus ihrer Schmuddelecke herausholen.