Im Unterschied zu organischen Medien sind kontextuelle Medien bereits in irgendeiner Form im Lebensumfeld fixiert. Bei Interaktionen mit Ihnen darf ein bestimmtes Maß an Zuverlässigkeit erwartet werden. Neben dem Verhalten, das in der Erwartungsbestätigung endet, vollzieht sich erprobendes Verhalten, das den Erfahrungshorizont erweitert und verschiedene Arten von Interaktionen mit einem Medium austestet. Welche Verhaltensweise überwiegt lässt sich schwer entscheiden.
Für die ästhetische Erfahrung der verändernden, erprobenden Interaktionen im Lebenskontext ist es im Sinne der bisherigen Überlegungen und im Unterschied zu romantisierenden oder anthroposophischen Auffassungen, welche die menschliche Erfahrung der Naturverbundenheit als Wert an sich herausstellen, nicht von vornherein entscheidend, ob sie an natürlich oder kulturell fixierten Medien ansetzt. Wichtig ist der gestalterische Spielraum, der für selbständiges, erprobendes Verhalten im Lebenskontext offen steht. Hier ist das situative Potential von Design förderlich einzusetzen.
Beispiel für das situative Potential von Design
In einem Lebenskontext, der wenig Freiraum für kreatives Ausprobieren von Ideen lässt, verkümmern Aktivitätsansätze und die Menschen verlieren einen entscheidenden Aspekt qualitativer Lebenserfahrung. Möglichkeiten für kreatives Erproben werden schon durch die Gesamtverfassung des Lebenskontexts eingeschränkt. Ein Stadtbewohner kann die Gesamtheit seiner Fähigkeiten, wie Naturvorgänge beurteilen zu können, mit vielen Tieren umzugehen, handwerklich von der Maschinenreparatur bis zur Zimmermannsarbeit geschickt zu sein weniger gut erproben als ein Landbewohner. Dagegen bleiben dessen Erfahrungsmöglichkeiten in der Erprobung von Café Besuchern, Teilnahme am kulturellen Leben, Nutzung von Freizeitangeboten aller Art, längere Reisen usw. eingeschränkt. Solche vorgefundenen Lebenskontexte, ob eher durch die Natur oder durch die Kultur geprägt, sind selten völlig umzugestalten. Gerade deshalb sind kleine Veränderungen wichtig. Phantastische Visionen oder Utopien können die Erfahrung des kreativen Erprobens der Medien im alltäglichen Lebenskontext und deren aktive Mitgestaltung nicht ersetzen.
Möbel und andere Gegenstände des täglichen Gebrauchs sollten nicht allesamt strikt auf eine Funktion hin optimiert sein, weil dadurch das Erproben anderer gerade benötigter Funktionen sehr stark eingeschränkt wird. Stühle sind gewöhnlich zum Sitzen da, aber wer holt immer eine Leiter, um einen höheren Regalboden zu erreichen? Afrikaner, denen in den sechziger Jahren von Entwicklungshelfern Toiletten eingebaut worden waren, welche sie nach ihrer Ansicht zum vorgesehen Zweck aber nicht benötigten, bewiesen ihre erprobende Kreativität, indem sie die Toiletten beispielsweise zum Gemüsewaschen benutzten.