Verbreitung > Zum Kriterium der »Abstrahierbarkeit« bezüglich der standardisierten Logik

Medien mit standardisierter Logik und die mit ihrem Umgang verbundenen Erfahrungen werden im zweiten Subprozess im Teilprozess der Manifestation durch eine weitgehende Ablösung von räumlichen und zeitlichen Beschränkungen verbreitet. Technische Zeichnungen abstrahieren beispielsweise durch die maßstäbliche Verkleinerung von räumlichen Bedingungen. Die moderne Zeitmessung abstrahiert von naturgegebenen Rhythmen wie den Gezeiten und dem Sonnenstand. Entscheidend für die weltweite Verbreitung einer einheitlichen Zeit ist die Passung der Zeitzonen und die Genauigkeit der Zeitmessung, nicht das individuelle Zeitempfinden.

Nur solche Erfahrungen, die nicht an Raum und Zeit haften und daher abstrahiert werden können, sind in Form von Medien mit standardisierter Logik zu manifestieren. Da innerhalb der erlebten Erfahrung während einer Interaktion meist alle medialen Logiken mitwirken, gelingt es vielen Menschen nicht, eine Trennung zwischen abstrahierbarem und an den singulären Organismus gebundenem Erfahrungswissen zu ziehen. Deshalb fällt es diesen Menschen insgesamt schwer, geeignete Erfahrungen zu abstrahieren. Im Zusammenhang dieser Untersuchung ist es wichtig, abstrahierbare und im Organismus oder an den Lebenskontext gebundene Erfahrungen möglichst getrennt voneinander zu untersuchen und nicht gegeneinander abzuwägen, indem beispielsweise die Fähigkeit zur Abstraktion oder zum authentischen Empfinden von Erfahrung gegeneinander ausgespielt werden. Beide Fähigkeiten sind für die Entfaltung von Lebensqualität wichtig. Viele Erfahrungsbereiche des Lebens werden inzwischen von der Interaktion mit standardisierten Medien bestimmt und sie verbreiten sich weiter. Die Manifestierung dieser Bereiche sollte nicht denjenigen überlassen bleiben, die ihrerseits primär die Fähigkeit zur Abstraktion pflegen und andere Erfahrungsakzente ausblenden. Daher wäre es wichtig, durch das innovative Potential von Design gerade diejenigen Menschen zur Teilnahme an der Interaktion mit standardisierten Medien anzuregen, für die das Kriterium der Abstrahierbarkeit ihrer Erfahrung eine schwer zu erfüllende Bedingung darstellt.

Das innovative Potential von Design kann dabei mitwirken, die Abstrahierbarkeit einer Erfahrung zu erleichtern. Dies unterstützt Menschen dabei, sich an der Verbreitung von Erfahrungen über Raum und Zeit hinweg mitzubeteiligen und auch ihre Erfahrungen einbringen zu können.

Beispiel für das innovative Potential von Design

Die kindlichen Ansätze zur Abstaktionsfähigkeit zu fördern, war das Anliegen von Friedrich Fröbel (1782­1852), der hierfür einen speziellen Systembaukasten mit Holzbausteinen entwickelte. Einen anderen Weg schlägt der amerikanische Bürgerrechtler und Mathematikprofessor Bob Moses ein. Sein Mathematikunterricht baut auf die konkreten Erfahrungen seiner Schüler, die oft in den Randbezirken leben, auf. Mathematik ist für ihn ein Vehikel, um die gesamten intellektuellen Fähigkeiten zu trainieren. Er sieht in der Fähigkeit zum abstrakten Denken den Schlüssel für die zukünftigen Chancen der jungen Generation. Moses vertritt die These, dass Menschen erst dann, wenn sie fähig sind, ihre Gedanken zu strukturieren und zu abstrahieren, Forderungen an die Gesellschaft stellen und dass insofern Mathematik auch als ein Werkzeug für die Freiheit gelten kann (vgl. Schimmeck, 1999).

Ebenso mit einer politischen Intention im Hintergrund gestaltete Otto Neurath die Isotype, ein System aus piktogrammartigen Zeichen, das verbalen Sprachunterschiede überbrückend, im Prinzip den Menschen weltweit allein aufgrund ihrer naturgegebenen Abstraktionsfähigkeit verständlich sein sollten. Ein Ziel war es, mittels diesem System schriftunkundigen Menschen die Teilnahme an einer universellen Kommunikation und sogar an der Weiterentwicklung der Wissenschaft zu erleichtern. Die philosophische Vision einer Einheitswissenschaft die sich unter der Mitwirkung aller Menschen entfaltet, erfüllte sich nicht in der erwarteten Form. Denn allein durch Intuition ist die Bedeutung vieler Piktogramme nicht zu erfassen, vielmehr müssen auch solche Zeichen ähnlich den Schriftzeichen zunächst erlernt werden. Hinsichtlich anderer Bereiche, den Verkehrszeichen, den Markenzeichen dem Gebrauch abstrakter Abkürzungen, der Veranschaulichung des Wetterberichts, der Entwicklung von Zeichen für die Navigation im Internet usw. hat sich aber das Prinzip eine abstrakten, standardisierten Darstellungsweise bewährt. Durch den Wechsel von Abstraktion und innovativem Design bilden sich immer neue Standards, die dann wiederum durch das innovative Potential von Design in verschiedene Richtungen weiterentwickelt werden können. Für diese Dynamik zwischen Vereinheitlichung und Differenzierung ist exemplarisch das Software-Design zu nennen, dessen Programmierstandards sich in den letzten Jahrzehnten ausgehend von Objekten zu verteilten Objekten differenzierten und derzeit als Komponenten auf einer höheren Abstraktionsstufe integriert werden. Das hierbei entstandene Konzept der Schnittstelle wird inzwischen auch auf die Beschreibung von Designproblemen bezüglich anderer Medien angewendet.