Erzeugung > Zum Kriterium der »Erspielbarkeit« bezüglich der organischen Logik

Die elementarste kreative Tätigkeit ist das Spiel mit dem eigenen Körper. Jedes Kleinkind entdeckt und erzeugt spielerisch für sich die Grenzen seines körperlichen Erfahrungsbereiches. Die Logik des Hörens als einem sinnlichen Medium wird durch die spielerische Produktion von Geräuschen ob mit der eigenen Stimme oder körperlichen Interaktionen mit der Welt wie Klopfen, Schlagen, Kratzen usw. für die eigene Erfahrung erzeugt. Dementsprechend beginnt die spielerische Auseinandersetzung mit dem Singen und Sprechen durch unstrukturiertes Geplapper und melodischen Wiederholungen. Die Logik des Sehens wird durch Zukneifen eines oder beider Augen, durch Verstecken usw. spielerisch zum Teil der Erfahrung. Die Logik des Schmeckens entsteht im spielerischen oralen Abtasten unterschiedlichster Dinge. Vor dem Erfassen der Logik des Riechens werden Dinge in die Nase gesteckt. Die Logik des Mediums der eigenen Haut als Körpergrenze wird spielerisch erfühlt, indem sich Kinder selbst beißen, zwicken oder die Haare zupfen. Kinder die von Geburt an durch eine Krankheit schmerzunempfindlich sind, erfahren diese elementare organische Logik als mediale Grenze nicht und verstümmeln sich im Spiel mit dem eigenen Körper. Die Bewegungserfahrung bildet sich unter anderem durch Zappeln oder rhythmisches Schaukeln.

Wahrscheinlich ist diese Erfahrung der Körpergrenzen durch die Erspielbarkeit der Medien, die durch eine organische Logik geprägt sind, auch für die geistige Entwicklung sehr wichtig. Dies belegt der Vergleich von gesunden mit autistischen Kindern. Autistische Kinder, deren Krankheit auf einem genetischen Defekt beruht, fallen auf, weil sie beispielsweise jeden zärtlichen Körperkontakt ablehnen. Ihnen gelingt es nicht, ihre Körpergrenzen durch spielerische Abgrenzung verschiedener Medien mit organischer Logik zu entdecken oder zu erzeugen. So wiederholen sie bestimmte Tätigkeiten wie Dinge nach Farben zu sortieren ohne Veränderung immer wieder. Genausowenig wie ihnen die Erspielbarkeit der sinnlichen Medien oder deren Gewichtung und angenehme Gestaltung gelingt, können sie ihre geistigen Vorstellungen abgrenzen und ordnen. Eine These zur Erklärung dieses Phänomens besagt, dass Autisten kein Bewusstsein ihrer körperlichen und geistigen Abgegrenztheit entwickeln und deshalb auch unfähig sind, sich vorzustellen, dass andere Menschen etwas denken könnten, was von ihren eigenen momentanen Denkinhalten verschieden ist. Dadurch sind Autisten unfähig normal zu kommunizieren. Das unvorhersehbare Verhalten anderer Menschen macht sie unsicher.

Das adaptive Potential von Design unterstützt die Erspielbarkeit der Medien mit organischer Organisationslogik, indem unterschiedliches Spielzeug für Kinder entwickelt wird, das insbesondere das Kriterium der körperlichen Erspielbarkeit im Sinne einer spielerischen Abgrenzung der organischen Medien fördert.

Beispiel für das adaptive Potential von Design

Da die spielerische Grenzfindung und Gestaltungsvariation bezüglich den Medien mit organischer Logik von der Eigenaktivität der Person abhängt, sollten von außen keine zielorientierten, drängenden Impulse gegeben werden. Im Vordergrund sollte vielmehr die Anregung der persönlichen Entfaltung durch vielfältige Angebote und reichlich Zeit stehen, nicht das Aufbauen von Körpererfahrungen nach vorgegebenen, engen Richtlinien. So erscheint es in diesem Zusammenhang wenig sinnvoll, bereits zweijährige behinderte Kinder an den einseitigen Bewegungsablauf eines Rollstuhls gewöhnen zu wollen. Jaron Lanier, der Erfinder von Cyberspace-Brillen, arbeitet mit körperlich behinderten Kindern, um ihnen im Cyberspace die spielerische Abgrenzung und Ausweitung ihrer körperlichen Möglichkeiten erfahrbar zu machen, die sie wegen ihrer Behinderung in der gegebenen physikalischen Welt nicht aus eigener Kraft zustande bringen könnten.

Das adaptive Potential von Design, das spielerischen Freiraum für die individuelle Abgrenzung von Körpererfahrungen bietet, ist auch für Erwachsene wichtig. Dies zeigt der Misserfolg der ersten ergonomischen Arbeitsmöbel, die den Körper in eine optimale Sitzhaltung pressen wollten. Einige Entwicklungsfirmen für Software haben ihre Büroeinrichtungen aufgelockert und viele zum Spiel anregende Gegenstände einbezogen. Durch das Spielen in Denkpausen, wird nicht nur der vom Sitzen erstarrte Rücken, sondern auch der Kopf wieder freier und die Arbeit geht danach besser voran.

Besonders wichtig ist das Kriterium der Erspielbarkeit bezüglich der organischen Logik auf dem Gebiet der Sexualität als Medium für persönliches Körpergefühl und für sozialen Kontakt. Es fördert die sexuelle Erfahrung oder das Ausleben von Phantasien und trägt somit dazu bei, starre Tabus aufzubrechen, die manche Menschen zur belastenden Verdrängung ihrer Wünsche oder zum ernsthaften Überschreiten der sozialen Konventionen zwingen. Die teilweise auch das Denken vereinnahmende Kraft der Sexualität als organisches Medium lässt sich durch spielerischen, freien Umgang zum beherrschbaren, erotischen Erleben gestalten. Die entsprechende Gestaltung von erotischen Hilfsmitteln, Werbekampagnen oder der Präsentation in Geschäften sollte zu diesem spielerischen Erkunden anregen und die Thematik aus ihrer Schmuddelecke herausholen.