Im Subprozess der Ausübung ist bezüglich der Reaktivation von Medien mit standardisierter Logik erstens die Kompetenz hervorzuheben, professionell mit dem standardisierten Wissen eines bestimmten Erfahrungsbereichs umgehen zu können. Zweitens kommt es darauf an, zumindest teilweise den Anschluss an andere Wissensgebiete zu halten. Die Qualität der ästhetischen Erfahrung während der Interaktion mit Medien, die der standardisierten Logik folgen, steigt, wenn das Kriterium einer disziplinären, zum interdisziplinären Kontakt offenen Professionalität erfüllt ist. Mathematiker entwickeln auf der Basis tradierter Standards Gedankenmodelle für verschiedene Zahlenwelten und kooperieren mit den Naturwissenschaften. Kreative Philosophen finden sich in alternative philosophische Denksysteme ein, erdenken neue Systeme stellen Brücken zwischen Wirtschaft, Politik und Wissenschaft her. Theologen propagieren ihre Religion nicht als Dogma, sondern bieten zeitgemäße Deutungen zur ethischen Orientierung für die Wissenschaften an. Freude, Kompetenz und die Fähigkeit mit Fachleuten anderer Wissensgebiete kommunizieren zu können begleiten dann die Arbeit des Forschens, des Entwickelns, des Konstruierens, des Projektierens sowie des Operierens mit Gedankenmodellen.
Das innovative Potential von Design entspricht dem Kriterium der Professionalität, indem es für Interaktionen mit einer standardisierten Logik folgenden Medien einen Standard als Rahmen bereit stellt, der erweiterbar ist und aus dem Neues entwickelt werden kann. Für die eigene Profession heißt dies erstens, disziplinäre Standards wie Gebrauchstüchtigkeit, Nutzungsfreundlichkeit und gestalterische Einheitlichkeit zu pflegen und anzuerkennen. Zweitens die Standards nur als Zwischenstand zu betrachten und sie nicht engstirnig zu befolgen, sondern sich durch den konkreten Kontext einer Problemstellung inspirieren zu lassen und innovative, über die Standards hinausweisende Lösungen zu finden. Auf diese Weise wird es gelingen, neue Aufgabenfelder für Design zu erschließen und durch neue interdisziplinäre Bezüge, das disziplinäre Wissen dort einzubringen und zu erweitern.
Beispiel für das innovative Potential von Design
Die Erfüllung des Kriteriums der Professionalität ermöglicht es, disziplinäres Wissen als standardisierte und damit geprüfte, optimierte und verlässliche Module aufzufassen, die mit weiteren Modulen der eigenen sowie anderer Disziplinen zu kombinieren sind. In diesem Sinne ist die Software zur Betriebsführung der Firma SAP (Systems, Applications and Products in Data Process) als innovatives Potential von Design deutbar, denn sie erfasst die Komplexität eines Betriebs, die Aufgabenbereiche der verschiedenen Abteilungen, durch spezifisch auf dessen Belange zugeschnittene und ausbaufähige Software-Module. Die Firma SAP spricht seit 1999 einen vergrößerten potentiellen Kundenkreis durch ein neues benutzerfreundliches Interface-Design an. Dessen Ästhetik soll weniger technisch wirken als das bisher verwendete Design und es dem Nutzer erleichtern, sich in die Programmstruktur einzufinden. Mit solchen Themengebieten werden sich Designer in Zukunft verstärkt auseinandersetzen müssen.
Die wiederholte Ausübung von kontextbezogenen Interaktionen führt zu einer Koppelung von Erfahrung und Lebensraum. Sogar solche Menschen, die ein modernes Nomadentum betreiben, schaffen um sich herum eine bestimmte Sphäre. Dieser Raum ist personenbezogen und kann mit verschiedenen Utensilien angereichert sein. Bezüglich der Medien mit kontextueller Logik, die für viele Menschen zur Reaktivation zur Verfügung stehen, ist jedoch weniger die personenbezogene, als vielmehr die ortsbezogene, die regionale Atmosphäre zu thematisieren. Je nach kultureller Lebensweise sind hierbei auch Überschneidungen oder Grenzziehungen zwischen dem privaten Wohnraum und dem öffentlichen Raum feststellbar. Für die Entfaltung von Lebensqualität ist es erstens wichtig, im Lebenskontext Resonanz für die eigene Erfahrung zu finden sowie diese wiederum in den Kontext einbringen zu können. Zweitens wird es bei Ortswechseln, dem Reisen oder Umziehen, erforderlich, sich auf einen andersartigen Kontext einstellen zu können. Bei privaten Besuchen ist die jeweils vorhandene kontextuelle Logik des Wohnraums zu beachten. Ebenso sind bei der Reaktivation von kontextuellen Medien ihre regionalen Ausprägungen zu respektieren und wirken somit bedingend auf die Erfahrung ein. Die Empfindung des Grads dieser Bedingtheit variiert mit der Fähigkeit, die verschiedenen Regionen nach ihrer Eigenart differenzieren, das Verhalten darauf abstimmen und ihre vielfältigen Ausprägungen akzeptieren zu können. Die ästhetische Erfahrung von Heimat ist nicht mehr nur an einem einzigen Ort festzumachen, sondern kann sich auf verschiedene, vertraut gewordenen und lieb gewonnene Gebiete beziehen. Diese sollten voneinander zu unterscheiden sein. Das zugehörige Kriterium ist daher mit dem Begriff der Regionalität erfassbar.
Das situative Potential von Design kommt dem Kriterium der Regionalität dadurch nach, dass es Angebote bereitstellt, die sich einerseits in eine vorgeprägte Region einfügen lassen und andererseits geeignet sind eine regionale Charakteristik in Koppelung mit den Erfahrungen der Bewohner auszuformen und weiterzuentwickeln.
Beispiel für das situative Potential von Design
Doppeldeckerbusse sind für das Stadtbild von Berlin und London typisch. Für Bewohner, als auch für Touristen sind sie ein Erkennungszeichen für die Region in der sie heimisch sind oder die sie gerade besuchen. Weil diese Busse weder behindertengerecht ausgestattet, noch wirtschaftlich im Betrieb sind, sollen sie in naher Zukunft ausgemustert werden. Dieses Vorhaben stieß auf Protest. Nun werden Lösungen dahingehend entwickelt, den Typ der Busse beizubehalten, aber Fahrwerk und Innenraumgestaltung zu erneuern.
Bewohner von Städten mit hohem Anteil alter Gebäude, die auch Kriegszeiten überstanden haben, lehnen Hochhäuser im Zentrum ab, da diese die regionale Prägung zerstören. Auch die Touristen erwarten das typische Flair von beispielsweise Wien oder Amsterdam. Ebenso verhindert eine beliebig in die Landschaft gesetzte, austauschbare Architektur die Erfahrung einer regionalen Prägung und gibt keinen Anlass, sich für ein Leben dort zu entscheiden oder eine Reise dorthin zu unternehmen. Gerade in ländlichen Regionen und Kleinstädten müssten Bauvorhaben entsprechend geprüft werden, ohne jedoch zu enge Vorschriften wie ein Verbot der Hausbegrünung oder eine feste Dachneigung vorzugeben. Insbesondere das Erscheinungsbild der Bauten in Industriegebieten sollten besser aufeinander abgestimmte werden, um auch diesen Regionen eine wieder erkennbare Charakteristik zu verleihen und sie von ähnlichen Gebieten unterscheidbar zu machen.
Bei der Ausrichtung von Gartenschauen sollten die natürlichen Gegebenheiten einer Region einbezogen werden. So protestierten die Bürger Frankfurts als ein bisher weitgehend naturbelassenes Naherholungsgebiet nur für den Zeitraum einer Gartenschau völlig verändert wurde und anschließend weniger Attraktivität bot, als zuvor. Als positives Beispiel ist dagegen die Neuplanung des Emscher-Park-Geländes anzuführen.
Die Pflege regionaler Unterschiede und die Erfahrung unter dem Kriterium der Regionalität wird zudem durch die neuen Kommunikationstechnologien vereinfacht. In Zukunft können mehr Menschen in den von ihnen bevorzugten Regionen leben und trotzdem in das aktuelle, globale Geschehen eingebunden bleiben. Ein Modellversuch zur Revitalisierung des italienischen Bergdorfes Colletta di Castelbianco setzt diese Vorstellung um, indem jedes Gebäude mit einem leistungsstarken Internetanschluss ausgestattet wurde. Dass die Menschen trotz des permanenten Kommunikationsanschlusses weiterhin reisen, sich persönlich treffen usw. hat mit der Erfahrung von Regionalität und dem Wechsel des Lebensgefühls je nach städtischer oder ländlicher, gebirgiger oder flacher usw. Region zu tun.
Im dritten Subprozess im Teilprozess der Reaktivation, der Ausübung, kann sich aufgrund von Eigenininitiative die Kompetenz zum virtuosen, Varianten erzeugenden Umgegen mit organischen Medien entwickeln. Zwar sind durch diese Kompetenz die bedingenden Zwänge der Medien nicht zu beseitigen, sie trägt aber zu einer befreiten, von positiven Gefühlen begleiteten Interaktion mit ihnen bei. Diese gefühlsmäßige Qualität der Erfahrung während dem Subprozess der Ausübung wird mittels dem Kriterium der Variabilität untersucht.
Organische Medien sind zwar immer durch das Individuum konkretisiert, aber sie entfalten sich in Abhängigkeit von den Wertmaßstäben innerhalb der sozialen Eingebundenheit und der vorherrschenden Orientierung an einem sozialen Strukturtyp. Wenn in einem sozialen System statische Werte wie die Identität, welche eine Person verkörpert oder die gesellschaftliche Position, welche eine Person einnimmt, Vorrang haben, so stehen die gezielte Erarbeitung und Sicherung von diesem Status im Vordergrund der Nutzung und Reaktivation von einmal aktivierten und manifestierten Medien. Flexibilität im Verhalten wird nur im Falle der geglückten Statussteigerung belohnt, aber das damit verbunden Risiko bleibt dem einzelnen überlassen. Kann dieser nicht auf Sicherheiten zurückgreifen, so wird er versuchen, das Risiko gering zu halten und dementsprechend unflexibel sein, also seine organischen Medien wie Sprachgebrauch, Fremdsprachenkenntnisse, sportliche, artistische oder musische Fähigkeiten, emotionale Qualitäten usw. wenig variieren. Werden in einem sozialen System dagegen dynamische Werte wie der persönliche Lebensweg oder lebendige soziale Beziehungen betont, so ist das Bemühen um persönliche und gemeinsame Lebensqualität die maßgebende Aktivität. Organische Medien sind dann nicht nur Mittel zum Zweck, sondern stellen in ihrer Gestaltbarkeit durch Variantenbildungen eine qualitative Lebensbereicherung dar.
Wie die Menschheitsgeschichte zeigt, sind organische Medien sehr verschiedenartig gestaltbar. Auch unter Selektion dieser Varianten durch eine ethische Wertung bleiben noch viele gleichwertige Möglichkeiten zur Ausformung menschlicher Fähigkeiten übrig. All die unterschiedlichen Möglichkeiten können voneinander profitieren. Sie müssen nicht wie in einem Nullsummenspiel (vgl. Watzlawick, Anleitung zum Unglücklichsein, S. 121 ff.) gegeneinander ausgespielt werden. Spielerische Gestaltung von organischen Medien schafft Lebensqualität für den einzelnen und hält als gelebte Vielfalt reichhaltige Ressourcen für die Überlebensfähigkeit sozialer Systeme bereit. Die Reaktivation in Form der Rezeption oder Nutzung solcher an organische Medien gebundenen Produkte erfolgt mit Respekt und Wertschätzung vor der Arbeit, die zu deren Entstehen führte. Den Gegensatz dazu bilden maschinell gefertigte Produkte, die in immer gleicher Qualität instantan zur Verfügung stehen und gedankenlos verbraucht werden.
Das Kriterium der Variabilität bezüglich der Interaktion mit organischen Medien wird durch ein abwechslungsreiches, Flexibilität förderndes adaptives Potential von Design positiv angeregt und durch monotone, die Bildung fester Schemata begünstigender Impulse geschwächt. Im Subprozess der Ausübung und bezüglich dem Kriterium der Variabilität ist das adaptive Potential von Design eng mit der Art und Weise der Ausführung durch die aktive Person verbunden.
Beispiel für das adaptive Potential von Design
Die Fähigkeit zum lockeren, Grenzen austestenden, akzentuierenden Variieren von bestimmten organischen Logiken macht einen großen Teil der ästhetischen Erfahrung und der Lebensqualität aus. Aktive Menschen halten selten nur an einem im Organismus verkörperten Wissensschema fest, sie spielen damit, korrigieren es, entwickeln alternative Varianten und regen dadurch auch andere Menschen zu flexiblerem, das Kriterium der Variabilität positiv erfahrbar machendem Verhalten an. Geübte Schauspieler faszinieren, indem sie verschiedenste Persönlichkeiten verkörpern können. Die Fotokünstlerin Cindy Sherman scheint für jedes Foto in die Lebensgeschichte eines anderen fiktiven Menschen zu schlüpfen. Der Musiker Justus Frantz spielt auf dem Klavier ein Potpourri von ineinanderfließenden Melodien verschiedenster Musikstile. Der bekannte Fälscher Konrad Kujau zeichnet oder malt spontan im Stil unterschiedlichster Künstler. Routinierte Zehnkämpfer stellen ihre Motorik schnell auf die jeweilige Sportart ein. Erfahrene Tänzer beherrschen klassische, moderne und freie Tanzstile. Geübte Schachspieler haben tausende von Zugfolgen parat und können diese zudem variieren. Solche Menschen entwickeln durch die ständige Ausübung der Interaktion mit den durch die organische Logik bestimmten Medien die Fähigkeit, ihre Medien-Schemata und ästhetischen Lebensmuster zu variieren, ohne einer völligen Beliebigkeit zu verfallen und ohne ihre Ressourcen in unproduktiven, Machtschemata festigenden, zwischenmenschlichen Kleinkriegen zu verschwenden.
Zum Subprozess der Befähigung in Relation zu Medien mit standardisierter Logik gehört es, sich das entsprechende Wissen, das zur Interaktion mit diesen Medien notwendig ist, anzueignen. Je komplexer dieses Wissen ist, desto schwieriger wird es für Nichtfachleute sich am Prozess der Nutzung oder Reaktivation zu beteiligen und umso härter und unveränderbarer werden die Bedingungen, die durch Medien mit standardisierter Logik für ihre Erfahrung vorgegeben sind. Der bedingende Einfluss auf die Erfahrung im Subprozess der Befähigung ist daher durch das Kriterium der Vorinformiertheit zu untersuchen und zu bewertet. Ein gewisses Maß an Vorinformation ist hinsichtlich jeder Interaktion mit standardisierten Medien unvermeidlich. Doch ist es keinem Laien zuzumuten, sich zur Nutzung dieser Medien das gesamte Fachwissen anzueignen. Dem Kriterium der Vorinformiertheit entsprechend muss die Komplexität des notwendigen Wissens daher auf ein vertretbares Maß komprimiert oder umgeformt werden. Hierbei kommt das innovative Potential von Design zum Einsatz.
Die ästhetische Erfahrung während einer Interaktion bezüglich einem Medium mit standardisierter Logik wird durch das innovative Potential von Design verbessert, indem der nötige Grad der Vorinformation abgesenkt wird, ohne das Endresultat zu stark zu beeinträchtigen. Diese Erleichterung der Erfahrungsbedingungen im Subprozess der Befähigung nach dem Kriterium der Vorinformiertheit kann im wesentlichen durch die Kombination von neuen mit bereits etablierten und bekannten Standards erreicht werden.
Beispiel für das innovative Potential von Design
Die Programmiersprache HTML (Hypertext Markup Language) zur Erstellung von Websites ist ein Medium mit standardisierter Logik. Beim Umgang mit ihm sind die Programmiervorschriften genau zu beachten. Hierin sind Informatiker geübt, aber nicht die vielen anderen Menschen, die gerne eine Website anlegen würden. Diese müssten zunächst den Grad ihrer Vorinformiertheit erhöhen, um das Medium aktiv nutzen zu können. Den Aufwand hierfür könnten die meisten Interessierten nicht betreiben und wären somit von der mitgestaltenden Nutzung des Mediums Internet ausgeschlossen. Hier kann das innovative Potential von Design ansetzen. Aus der Kombination von HTML mit anderen Programmierstandards können Programme entwickelt werden, die bereits etablierten Softwarestandards entsprechen. Einerseits erleichtert deren gewohnte Bedienung einem Informatiklaien die Erstellung einer Website, andererseits entstehen aus der Kombination der verschiedenen Programmierstandards vielleicht neue Möglichkeiten. Diese Kombination von standardisierten Logiken und die daraus im anschließenden Interaktionsprozess hervorgehenden Innovationen tragen zur Verbesserung und Erweiterung der ästhetischen Erfahrung des Nutzers bei.
Im Unterschied zur Interaktion mit organischen Medien, deren Registrierung manchmal nur vom subjektiven Beobachterstandpunkt aus, im innerlich geschlossenen Raum erfolgt, beinhaltet das Interagieren mit kontextuellen Medien eine Öffnung nach außen. Erst dadurch kann jedes Individuum aktiv seine Erfahrungen in den Lebenskontext einbringen. Der Prozess der Reaktivation bezüglich des Umgehens mit Medien, die einer kontextuellen Logik unterliegen, betrifft jedoch nicht nur den einzelnen, sondern viele Menschen und verändert deren Lebenskontext. Daher gehören zum Subprozess der Befähigung in Relation zur Interaktion mit kontextuellen Medien zwei bedingende Einflussfaktoren. Ein Faktor ist durch die individuelle Fähigkeit zum Eingreifen in den Lebenskontext gegeben. Der zweite, in diesem Zusammenhang wesentlichere Faktor, betrifft die Prüfung der Relevanz oder der Zustimmungsfähigkeit der kontextbezogenen Interaktion für die Mitbetroffenen. Die Veränderungen an Medien mit kontextueller Logik bringen nämlich für alle, die ihr Handeln auf sie beziehen, neue Verbindlichkeiten mit sich. Dies erfordert von einem Akteur die Bereitschaft, für sein kontextbezogenes Handeln einzustehen, Verantwortung zu übernehmen und seine Erfahrung somit nach dem Kriterium der Verbindlichkeit zu erfassen und zu bewerten. Die Hoffnung, eine Erfahrung könne auch für andere Menschen gültig sein und somit im positiven Sinne Verbindlichkeit beanspruchen sowie die Unsicherheit, ob dieser Anspruch je einzulösen ist, drückt ein Gedicht von Philipp Larkin aus:
»Und hast du einmal deinen Geist durchmessen, dann überblickst du wie in einer Inventarliste, worüber du verfügst. Alles andere darf für dich nicht existieren. Und was ist damit gewonnen? Nur dies, dass wir uns wiederfinden in der zufallsblinden Prägung, die sich in allem zeigt, was wir tun; vielleicht, dass wir verstehen, woher sie stammt. Doch an dem grünen Abend, wenn für uns der Tod beginnt, nur zu bekennen, worin sie bestand, ist kaum zufriedenstellend, denn sie galt nur einmal, nur für einen Menschen, und der liegt im Sterben.« (Übersetzung aus dem Englischen von Christa Krüger, in: Rorty, 1989. S. 52)
Fraglich ist, wie die Hoffnung darauf, durch kontextbezogene Interaktion im Sinne des Kriteriums der Verbindlichkeit positive Akzente für die Erfahrung setzen zu können, jemals in größerem Umfang einzulösen ist, ohne Stück für Stück den Raum möglicher Bedeutungen auszufüllen. Neu hinzukommenden Akteuren bliebe dann nur das Erkunden dieses fertigen, abgeschlossenen Bedeutungsraums überlassen, ohne die Möglichkeit eigenständig an den Prozessen der Aktivation, der Manifestation und der Reaktivation bezüglich Medien mit kontextueller Logik mitwirken zu können.
Das situative Potential von Design kann mithelfen, dem Kriterium der Verbindlichkeit dadurch zu entsprechen, dass möglichst jeder Mensch an der Gestaltung seines Lebenskontexts aktiv teilnehmen kann, wenigstens durch ein zustimmendes oder ablehnendes Votum. Dadurch wäre auch zu verhindern, dass der Einfluss auf die Erfahrung bezüglich Medien mit kontextueller Logik großteils von oben, aus Machtpositionen heraus vorgegeben wird und sich nicht von unten, aus der Lebensdynamik wachsend, entfalten kann.
Beispiel für das situative Potential von Design
Besonders die Architektur hat Schwierigkeiten damit, dem Kriterium der Verbindlichkeit im obigen Sinne durch das situative Potential von Design zu entsprechen. Im Wohnungsbau ist es durchaus üblich, in der Planungsphase die Interessen der zukünftigen Bewohner einzubeziehen. Es wird diskutiert, ob Grünanlagen, Spielflächen, Sportanlagen, Gemeinschaftsgebäude usw. gewünscht werden. Dies ist hinsichtlich größeren Bauvorhaben schwierig wie die im Vorfeld kontroverse Diskussion um die »Gläserne Fabrik«, die der VW-Konzern in Dresden errichtet, zeigt. Während den Planern eine Erlebniswelt rund um das Auto vorschwebt, die dem Autokäufer ein touristisches Rundumerlebnis bieten soll, fühlen sich viele Bürger Dresdens überrumpelt, da ihre Stadt in eine Richtung geprägt wird, die sie als dort Lebende nicht befürworten.
Hinsichtlich dem Subprozess der Befähigung und dem Kriterium der Verbindlichkeit muss besonders die Reaktivation und Nutzung von kontextuellen Medien im städtischen Raum geprüft werden, denn hier sind besonders viele Menschen von Veränderungen in ihrem Lebenskontext betroffen. So ist es zwar zu begrüßen, wenn sich viele kleine Geschäfte, Cafés usw. in einer Straße ansiedeln, aber was für den Inhaber ungeachtet des finanziellen Erfolgs als Entfaltung seiner Erfahrungen im Sinne seiner Befähigung erlebt wird, kann ein Bewohner als Verschandelung des Stadtbildes durch Werbeschilder, schrille Schaufenstergestaltung oder billigste Ausstattung empfinden. In einigen Städten wurde deshalb bereits über die Einführung von Strafgebühren für ungepflegte, unpassende Bestuhlung im städtischen Raum verhandelt. Bezüglich diesem Problem kann das situative Potential von Design dahingehend einwirken, dass Firmenschilder zum Beispiel auf die Architektur einer Altstadt abgestimmt werden inzwischen ist das auch bei McDonals-Filialen der Fall, dass entsprechend passende Utensilien für die Ausgestaltung der Schaufenster entwickelt werden und dass die Bestuhlung der Straßencafés deren Differenzierung zulässt Herstellerfirmen für solche Produkte müssen daher eine größere Vielfalt anbieten.
Insgesamt sollte das Public Design, von der Straßenlaterne, über die Parkbank zum Fahrradständer das Kriterium der Verbindlichkeit bezüglich der kontextuellen Medien stärker beachten. Auch in diesem Bereich ist ein größeres, differenzierteres Angebot zu schaffen, um die Bürger an dem Prozess der verändernden Nutzung und Reaktivation der Medien beteiligen zu können, die ihre Erfahrungsqualität in Relation zu kontextbezogenen Interaktionen mitbedingen. Ein Konzept für das Public Design einer Stadt darf keine zu einschränkenden Verbindlichkeiten vorgeben, sondern sollte einen Rahmen bieten, der zu Eigenaktivitäten ermuntert und befähigt. Zudem sollte das situative Potential von Design daraufhin angelegt sein, die Entwicklungsgeschichte der dort lebenden Bürger aufnehmen zu können und dadurch eine einzigartige Ausformung zuzulassen, die sich nicht in jeder anderen Stadt genauso wiederfindet. In diesem Sinne können öffentliche Einrichtungen wie Stadtverwaltung, Krankenhaus, Kindergarten oder Schule markante Signale setzten. Um diese Bereiche von der Architektur über Public Design bis zur Stadtzeitschrift einbinden zu können, ist die Entwicklung einer Corporate Identity für die Stadt sinnvoll (vgl. Kutschinski-Schuster, 1993).
Die Verfügung über bestimmte organische Medien kann zwar gegeben sein, trotzdem steht der Subprozeß der Befähigung noch vor dem Subprozeß der endgültigen Ausführung, denn ohne Berücksichtigung des Kriteriums der Vollzugsfähigkeit kann der Teilprozess der Reaktivation nicht abschließbar sind. Zeichnen als Medium mit organischer Logik erfordert nicht nur die vergegenwärtigende Verfügung über eine Idee, Zeichengeräte und das Wissen um deren Bedienung. Denn diese wichtigen Voraussetzungen kommen erst dann im positiven Sinne für die Erfahrung zur Entfaltung, wenn zusätzlich das Kriterium der Vollzugsfähigkeit erfüllt ist. So muss ein Mensch, um zu zeichnen, momentan in der Lage sein, mit der Hand, dem Mund, dem Fuß einen Stift führen oder auch eine Computertastatur, eine Maus oder einen Touchscreen bedienen zu können. Jedes der genannten Medien beeinflusst die Erfahrung während der Reaktivation unterschiedlich. Doch letztlich bestimmt das Kriterium der momentanen Vollzugsfähigkeit den Grad der Bedingtheit der Erfahrung durch die Medien, die der organischen Logik unterliegen.
Das adaptive Potential von Design kann dem Kriterium der Vollzugsfähigkeit dadurch entsprechen, dass die zur Interaktion mittels organischer Medien zusätzlich benötigten Geräte individuell angepasst sind, ihre Bedienung gut zu erlernen ist und bezüglich dauerhaften oder temporären Veränderungen der Vollzugsfähigkeit dementsprechend neue adaptive Lösungen entwickelt werden.
Beispiel für das adaptive Potential von Design
Ein Werkzeug oder Medium ob einfach oder komplex, das jemand, der nicht gelernt hat damit umzugehen, reaktiviert, entfaltet eine stärkere Eigendynamik, als wenn es mit der entsprechenden Vollzugsfähigkeit gehandhabt wird. Wenn ein Kind zum ersten Mal mit Buntstiften zeichnet, bleibt oft unentscheidbar, ob die Hand den Stift führt oder die von Papier gebremsten Bewegungen des Stifts die Hand steuern. Ebenso muss die Vollzugsfähigkeit bezüglich der Handhabung von Computerprogrammen entwickelt werden. Hinsichtlich der Beobachtung einer Interaktion mit Schwerpunkt auf Medien mit organischer Logik unterscheiden sich Stift oder Pinsel nicht prinzipiell von Computern. Kleinkinder lernen ebenso leicht ein Bild mit Fingerfarben oder mit einem Touchscreen zu malen.
Dem Kriterium der Vollzugsfähigkeit gerecht werdend kann das Gelingen einer beabsichtigten Interaktion beispielsweise durch die Entwicklung von Software mit besonderer Berücksichtigung des adaptiven Potentials von Design erleichtert werden. Hieraus ergibt sich die noch unausgeschöpfte Chance, nicht nur körperliche, sondern auch geistige Behinderungen, die der durchschnittlich entwickelten Vollzugsfähigkeit bei leichten Aufgaben im Wege stehen, ausgleichen zu können. In diesem Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass gerade geistig Behinderte sehr gerne mit dem Computer arbeiten (vgl. Zopfi, in: Die Zeit Nr. 15, 1997, S. 78).
Eine vorübergehende körperliche Beeinträchtigung der momentanen Vollzugsfähigkeit bezüglich dem Radfahren als schwerpunktmäßig durch die organische Logik bedingten Medium, gleicht zum Beispiel das von Claus Dietel entwickelte Fahrrad mit abnehmbaren Zusatzmotor aus.
Das Wissen um den verwendeten Code und die Handhabung der Materialien beeinflusst die spätere Reaktivierung. Beispielsweise bleibt der Erkenntnisstand der Inkas rätselhaft, weil es bis heute nicht gelungen ist, die komplexe Codierung durch farbige, geflochtene Schnüre aufzulösen. Gespeicherte Formen von Erkenntnis entfernen sich zunehmend von deren Entstehungsprozess. Nach der Entwicklung eines Objekts, beispielsweise eines stabilen Holzstuhls, kann der Stuhl zunächst als Anschauungsobjekt zur Anfertigung einer Kopie dienen. Im folgenden Schritt einer zunehmenden Codierung des Wissens, das zur Fertigung des Stuhls notwendig ist, könnten Schablonen zugeschnitten werden, mit deren Hilfe der Stuhltyp immer wieder auch ohne reales Vorbild nachzubauen wäre. In einem weiteren Schritt könnte ein vervielfältigbarer Plan gezeichnet werden, nach dem im Bedarfsfall die Schablonen erneuert und weitere Stühle herstellen werden könnten. Die Speicherung des Wissens durch Manifestation ist zunächst direkt aktivierbar und nachvollziebar indem ein Stuhl zum Sitzen, Testen und Nachbauen bereitsteht. Schritt für Schritt wird sie komplexer codiert und die Form der Wissensspeicherung wird immer abstrakter. Mit zunehmender Abstraktion der Speicherform wird das nötige Vorwissen zur Decodierung des aus der praktischen Erfahrung gewonnenen Wissens umfangreicher. Es reicht nicht mehr aus, Material und Werkzeug handhaben zu können, sondern abstrakte technische Zeichnungen oder Angaben zu Statik und Konstruktion müssen decodiert werden können.
Das innovative Potential von Design sollte dazu beitragen, die Decodierbarkeit durch Anknüpfung an bekannte Erfahrungsbereiche zu erleichtern. Hierzu bietet es sich als eine Möglichkeit an, Zwischenschritte der Abstraktion und Codierung zu dokumentieren und zugänglich zu halten. Dadurch wird zudem deutlich, dass von jedem Zwischenschritt aus innovative Weiterentwicklungen in verschiedene Richtungen erfolgen könnten, die gegebenenfalls nachträglich wieder aufzunehmen wären.
Beispiel für das innovative Potential von Design
Ein solches Hilfsmittel zur Decodierbarkeit im Bereich der Programmiertechnik stellt die Programmierung mittels Struktogrammen dar. Sie ist nicht an eine spezielle Programmiersprache gebunden, sondern fungiert als grafisch symbolisierte Metasprache. Die Darstellungsweisen der von I. Nassi und B. Shneiderman entwickelten und 1973 erstmals publizierten Struktogramme sind inzwischen international normiert. Durch die Verwendung dieser Struktogramme und sprechender, das heißt den Sinnzusammenhang verdeutlichender Variablen, wird es für Programmierer leichter, sich in die Struktur eines unbekannten Programms einzudenken und daran weiterzuarbeiten, auch wenn er die letztendlich verwendete Programmiersprache nicht beherrscht.
Alle Computerprogramme bieten durch Standards wie der Menüleiste und allgemeinen Funktionen zur Dateiverwaltung, der Hilfefunktion und den bei Bedarf zu öffnenden Funktionsfenstern eine Basisebene. Diese ist nicht nur für professionelle Anwender leicht decodierbar. Komplexere Programme bieten die Möglichkeit, bestimmte Basisfunktionen durch zusätzliche Programmmodule im Sinne eines innovativen Potentials von Design zu erweitern und auf diese Weise das Programm den speziellen Nutzungserfordernissen stufenweise anzupassen. Auch ohne Kenntnisse eines solchen Spezialprogramms wären die Standardanwendungen aufgrund der leichten Decodierbarkeit der Basisfunktionen jederzeit nutzbar.
Bezüglich der Nutzung und Reaktivation von Medien mit kontextueller Logik lässt sich als wesentlicher Einfluss auf die Erfahrung im Subprozess der Verfügung das zum Erreichen des Mediums notwendige Bemühen hervorheben. So ist ein Theaterbesuch für Stadtbewohner relativ leicht ohne weite Anfahrten zu realisieren. Findet allerdings nur eine Vorstellung statt, ist langes Anstehen für die Karten oder den Einlass nötig. Als Bedingungen für die Erfahrung im Subprozess der Verfügung werden daher besonders räumliche und zeitliche Distanzen empfunden. Die Qualität dieser Empfindung wird durch das Kriterium der Erreichbarkeit erfasst.
Hierbei sind zwei Akzente hervorzuheben. Erstens wirkt es positiv auf die Erfahrung, wenn möglichst viele kontextuelle Medien im Nahfeld zur Verfügung bereitgehalten werden und im Prinzip jederzeit erreichbar sind. Dieses Gefühl der Erreichbarkeit für eine größere Zahl von Menschen in ihrem Lebenskontext zu realisieren, ist eine wesentliche Aufgabe für das situative Potential von Design. Zweitens kann komplementär zu der Erfahrung der Erreichbarkeit bezüglich den kontextuellen Medien die Erreichbarkeit der eigenen Person seitens des Lebensumfelds miterfasst werden. Diese doppelte Problematik des Kriteriums der Erreichbarkeit und des darauf abgestimmten situativen Potentials von Design behandeln die unten angeführten Beispiele.
Ein weiterer Akzent zu diesem Kriterium, der kurz angeführt werden soll, betrifft das Erleben von alltäglichem als dem jederzeit Erreichbaren und dem Besonderen als demjenigen, dessen Erreichbarkeit Mühe erfordert. Beispielsweise gehört es zum Marketingkonzept von Ikea, auf der grünen Wiese zu bauen, weil die Kunden nach der langen Anfahrt und den überwundenen Mühen eher bereit sind, einen Kauf zu tätigen und nicht erfolglos zurückfahren wollen. Unter diesem Akzent kann das situative Potential von Design dem Kriterium der Erreichbarkeit dadurch entsprechen, dass das endlich erreichte und zur Verfügung stehende kontextuelle Medium dem Aufwand gerecht wird. Wie schwer es ist, solche Erwartungen einzulösen, zeigt der Einbruch des Musical-Unternehmens Stella. Einige aufwendige Produktionen konnten nicht genügend Besucher anlocken, um ihren Betrieb effizient fortsetzen zu können. Das Konzept, allein schon durch die Anreise per Bus oder Bahn mit Familie, Freunden oder Vereinen mit beizutragen, den Musicalbesuch zu einem besonderen Ereignis werden zu lassen, ging nicht in allen Fällen auf.
Beispiel für das situative Potential von Design
Auch im Bereich der visuellen Kommunikation ist das Kriterium der Erreichbarkeit durch das situative Potential von Design zu beachten. So sollten Hinweisschilder innerhalb Ausstellungen schon aus einer größeren Entfernung lesbar sein, damit ein Besucher je nach Wunsch die Durchgangsrichtung verändern kann. Sind die Schilder erst zu lesen, wenn der Besucher direkt vor ihnen steht, ist er gezwungen, sehr nahe auf sie zuzugehen. Dadurch verliert er leicht die bereits selbst gewonnene Orientierung im Raum und folgt womöglich etwas irritiert den Angaben des Schildes. In dieser Hinsicht fällt das von Neville Brody entworfene Leitsystem der Kunsthalle der BRD in Bonn negativ auf.
Das Kriterium der Erreichbarkeit nimmt in Konzepten zum Wohnen in der Zukunft einen hohen Stellenwert ein. Riesige, hoch gebaute Wohnkomplexe könnten dazu beitragen, die unerwünschte Zersiedlung der Landschaft zu stoppen und Menschen die Vorteile eines Lebenskontextes zu bieten, der alle wichtigen Medien zur Nutzung und Reaktivation bei Bedarf zur Verfügung hält. Wohnen und Arbeiten, Freizeitgestaltung, medizinische Versorgung, das Einkaufen und die Ausbildung, alle diese menschlichen Lebensbereiche sollen nach den Plänen japanischer Architekten in einem nach heutigen Maßstäben überdimensionalem Hochhaus integriert werden. Binnen etwa fünf Minuten wäre jeder Ort in dem Haus mittels Fahrstühlen, Rolltreppen oder Laufbändern zu erreichen. Die Bewohner müssten im Grunde diesen Lebenskontext nicht mehr verlassen.
Das Pendant zu diesem Gedanken, der dem derzeit favorisierten westlichen Lebensgefühl, zu dem untrennbar das Reisen gehört, nicht entspricht, ist die Vorstellung von einer freien, ortsungebundenen Beweglichkeit, einem modernen Nomadentum. Aufgrund der Telekommunikationstechnologie ist es im Prinzip möglich, jeden Ort auf der Welt zu jeder Zeit zu erreichen, ohne selbst ortsgebunden zu sein. Denn durch die mobile Telekommunikation schrumpfen die Bedingungen von Raum und Zeit hinsichtlich der Reaktivation kontextueller Medien ebenso, wie umgekehrt auch bezüglich der Erreichbarkeit einer Person. Inzwischen kann die permanente Erreichbarkeit bereits durch die Vergabe von personenbezogenen Nummern auf Lebenszeit garantiert werden. Dies hat auch für das Service-Design Konsequenzen. Zur Zeit ist es noch üblich, eine Hausbank, ein Ärztezentrum und wenigstens Geschäfte zur Nahrungsmittelversorgung am Wohnort zu haben, die Geschäftspost am Schalter abzuliefern, den Handwerkbetrieb aus der Nachbarschaft mit Reparaturen zu beauftragen, täglich zur Arbeit zu fahren oder in die Schule zu gehen usw. All dieses könnte in Zukunft völlig anders gestaltet werden, weil die mobile Internetechnologie neue Serviceleistungen ermöglicht und alte ersetzt oder verdrängt.
Hinsichtlich der Interaktion mit Medien, die der organischen Logik folgen, ist zu beachten, dass die Fähigkeit hierzu besonders stark von der Vorgeschichte einer Person und dem durch Verkörperung manifestierten Erfahrungswissen abhängt. So steht vielen Menschen das Fahrradfahren im Prinzip zur Verfügung, da sie jederzeit ein Rad besteigen und losfahren könnten, allerdings wäre es sicher für einen Großteil problematisch, eine vorgegebene Wegeführung mit einigen Schwierigkeitsgraden abzufahren. Auch das Aufsagen einer kurzen Grußformel wäre für die meisten Menschen eine einfache Aufgabe, wogegen es ihnen schwer fiele, eine kleine, freie Begrüßungsrede zu halten. Die Reaktivation von geistigen oder körperlichen Erfahrungen im Umgang mit vorrangig durch die organische Logik geprägten Medien, basiert auf der Vergegenwärtigbarkeit des einmal gelernten.
Allein diese im Subprozess der Verfügung vergegenwärtigbaren Erfahrungen stehen zur Reaktivation bereit. Die bedingende Wirkung auf die Erfahrung während dem Subprozess der Verfügung ist daher durch das Kriterium der Vergegenwärtigbarkeit zu kennzeichnen. Zum einen gerät dasjenige, was nur oberflächlich gelernt wurde rasch in Vergessenheit. Zum anderen trägt mangelnde Reaktivierung des Gelernten zum Vergessen bei. So können viele Erwachsene ihre Fremdsprachenkenntnisse nicht reaktivieren, weil sie diese Sprache in der Schulzeit nur in wenigen Unterrichtsstunden lernten und selten in der Lebenspraxis zur Anwendung bringen konnten. Auch das Wissen aus anderen Wissensgebieten, deren Kennenlernen sich allein auf die Schulstunden beschränkte, ist nach der Schulzeit nur noch von wenigen Menschen zu vergegenwärtigen.
Der Übergang von der Industrie- zur Wissensgesellschaft ist nur von Menschen zu vollziehen, die bereit sind, lebenslang zu lernen, denn Wissen wird nicht mehr als ein für allemal feststehend modelliert. Hierbei kann das adaptive Potential von Design verstärkt zum Einsatz kommen. Dem Kriterium der Vergegenwärtigbarkeit ist beispielsweise zu entsprechen, indem die didaktische und dramaturgische Aufbereitung von Lernstoffen in nach Schwierigkeitsgraden gestaffelter Form erfolgt. Auf diese Weise ist zunächst ein oberflächlicher Überblick zu vermitteln und anschließend das gezielte, tiefergehende Lernen auf die individuellen Erfordernisse des Lernenden abzustimmen.
Beispiel für das adaptive Potential von Design
Einfache und somit leichter vergegenwärtigbare Erfahrungsanteile zu einem Wissensgebiet können als Einstiegshilfen angeboten werden, um sich an das bereits Gelernte besser zu erinnern sowie darauf aufbauen oder anknüpfen zu können. Einige Lern- und Hilfsprogramme für Computersoftware begleiten den Nutzer bereits in diesem Sinne. Das Aufgabenfeld der didaktischen Aufbereitung von Wissensstoffen unter Anwendung der Multimedia-Technologie, erfordert die stärkere Beteiligung von Designern und wird bezüglich dem Computer-Based-Training für die Aus- und Weiterbildung weiter wachsen.
Die Zertifizierung im Bereich der Weiterbildung stellt nicht mehr das durch eine Prüfung in Form eines »Verhörs« abrufbare Wissen als vorbildlich hervor, sondern zeichnet solche Kenntnisse aus, die im Zusammenhang mit einem praktischen Szenario vergegenwärtigt werden können. Auch die Erwartungen von Arbeitgebern gehen in diese Richtung. Diese legen weniger Wert auf traditionelle Prüfzeugnisse, als vielmehr auf den Nachweis von verfügbarem, vergegenwärtigbarem Wissen bezüglich der Praxis. Somit ist auch die Form der Prüfung entsprechend umzugestalten.
Im Subprozess der Einprägung werden die im Umgang mit einem Medientyp gewonnen Erfahrungen an dem gleichen oder einem anderen Medientyp erprobt. Hierbei sind die jeweils bereits vorhandenen Routinen der medienbezogenen Interaktion zu berücksichtigen. Bezüglich den organischen Medien ist daher das Kriterium der Gleichartigkeit wichtig und hinsichtlich der kontextuellen Medien das Kriterium der Umweltverträglichkeit. Dementsprechend wird der Subrozess der Einprägung von Erfahrungen im Umgang mit standardisierten Medien durch das Kriterium der Kompatibilität zwischen den bereits vorhandenen und den neu einzubringenden Standards erleichtert. Auf die Wichtigkeit der technischen Kompatibilität für eine kreative Interaktion mit digitalen Geräten weist auch Donald A. Norman hin:
» Diese frühen Informationsgeräte spielen eine Vorreiterrolle. Sie könnten umfassend erweitert werden, wenn sie alle ein gemeinsames Kommunikationsprotokoll besäßen, so dass sie miteinander kompatibel wären und der kreative Benutzer neue, imaginative Geräte- und Funktionskombinationen entdecken könnte.
Über kurz oder lang werden die Nutzer eigene Vorstellungen über mögliche Geräte in Verbindung mit ihren Tätigkeitsbereichen entwickeln: Musik, Fotografie, Adressen, Einkaufslisten, persönliche Finanzen, Gesundheit.« (Norman, 1999, S. 28)
Das Zustandekommen von Kompatibilität als Erfahrungskriterium wird durch das innovative Potential mittels der Einfügung neuer Verbindungselemente oder der Umgestaltung von bekannten Bestandteilen unterstützt. Gleichermaßen wichtig sind hierbei der technische wie der erfahrungsbezogene Aspekt von Kompatibilität. Die rein technisch realisierte Kompatibilität bleibt wirkungs- und damit bedeutungslos, wenn sie nicht auch in die Erfahrung einzuprägen ist.
Beispiel für das innovative Potential von Design
Die Einprägung neuer, durch die Computertechnologie entstandener Standards in die Normen des technischen Zeichnens anfangs problematisch, weil die Plotter viele Schraffuren, Strichlierungen usw. nicht darstellen konnten. Erst im Zuge der Praxis entwickelte sich die Fähigkeit, beim Lesen oder Zeichnen, Kompatibilität zwischen den unterschiedlichen Standards der gezeichneten und geplotteten Pläne herzustellen und durch deren Kombination neue Anwendungsmöglichkeiten oder Darstellungsverfahren zu entwickeln.
Die technische Kompatibilität verschiedener Geräte ist eine Voraussetzung zur Etablierung neuer Standards in der elektronischen Datenverarbeitung und darauf aufbauender, innovativer Spezialentwicklungen. Sinnvoll sind diese technisch möglichen Verbindungen jedoch nur, wenn sie auch dem ästhetischen Kriterium der Kompatibilität genügen und in die medienbezogene Interaktionserfahrung integriert werden können. Der Personal-Computer wird deshalb erst dann im privaten Bereich stärkere Verbreitung finden, wenn er über die technische Kompatibilität mit Kamera, Stereoanlage usw. hinausgehend auch eine auf die jeweilige Erfahrung bezogene Kompatibilität zulässt. Das innovative Potential von Design trägt hierzu durch neuartige, Hardware, Software sowie die Erfahrungswelt der Nutzer verbindende Konzepte zum Thema Computer bei. Beispiele hierfür sind der iMac oder Kameras in Kombination mit globalen Positionierungssystemen, die den Standort jeder Aufnahme festhalten und für Freizeitsportler und Urlauber vorteilhaft sind.