Entwicklung > Zum Kriterium der »Trainierbarkeit« bezüglich der organischen Logik

Spielerisch werden die Grenzen der organischen Logik erforscht und mittels Variieren deren Möglichkeiten entfaltet. Diese Vielfalt bündelt sich durch die Auswahl eines angestrebten Ziels und entwickelt sich durch Trainieren weiter auf ein spezifisches Konzentrat der organischen Medien hin. Jedes Individuum stellt eine solch einzigartige Ausformung der organischen Medien dar.

Dieses Kriterium ist mit dem Begriff »Trainieren« bezeichnet, weil dieser deutlicher als der in diesem Zusammenhang ebenfalls mögliche Begriff »Lernen« mit der Bedeutung von körperlichem Einsatz verbunden wird. Auch geistige Fähigkeiten sind ohne körperlichen Einsatz nicht entwickelbar. Durch Training werden die körperlichen Potentiale zu gezielt einsetzbaren Medien ausgeformt, egal ob sie zur Erzeugung sportlicher oder künstlerischer Bewegungsmuster, zur Generierung wissenschaftlicher Theorien oder phantasievoller Gehirnmuster dienen. Die Bedeutung von Training schließt hier ein Lernen ein, das durch intuitiv entwickeltes Verstehen generiert wird. Es geht nicht darum, scheinbar feststehendes Wissen nach dem Lehrmodell des Nürnberger Trichters zu übernehmen. Das Kriterium der Trainierbarkeit kennzeichnet die Erfahrung des Lernens als aktives Tätigsein, das im Unterschied zum Spielen oder Variieren, jedoch auf diese Erfahrungen aufbauend, einen bestimmten Weg weiterentwickelt.

Im Zuge dieses lernenden Trainierens formt sich die individuelle Persönlichkeit mit den Kompetenzen oder Inkompetenzen ihrer spezifisch ausgeprägten organischen Medien. Dieses Trainieren erfolgt nicht isoliert. Es ist eingebunden in soziale und kontextuelle Interaktion und Kommunikation. Aber die Arbeit des Trainierens als Weiterentwickeln der organischen Medien muss jede Person selbst vollbringen. Hier zeigt sich der Unterschied zwischen produktivem und rezeptivem Tätigsein. Es lässt sich leichter und schneller lernen einen Gewichtheber zu beobachten, als ein Gewicht selbst zu heben. Ebenso ist es einfacher, von anderen produzierte Theorien zu kritisieren, als selber welche zu entwickeln.

Lernen als Trainieren benötigt gegenüber dem Lernen als Übernehmen von Bewährtem viel Zeit. Ab dem Übergang vom Jugendlichen zum Erwachsenen steht die erforderliche Zeit meistens nicht mehr zur Verfügung. Dies mag die Hauptursache dafür sein, dass heute lieber Bewährtes thematisiert wird, entweder durch unkritische Übernahme oder durch zermürbende Kritik aus der sicheren Distanz des unbeteiligten Beobachters. Solange ein Vergleich möglich ist, zeigt er, dass mit dem Verzicht auf die persönliche Entfaltung der organischen Medien zur kreativen Produktion ein Großteil der möglichen Lebensqualität und -intensität verloren geht. Daher suchen viele Menschen innerhalb ihrer sozialen Rahmenbedingungen nach Möglichkeiten sich selbst mit der Entfaltung ihrer organischen Medien weiterzuentwickeln und wählen oft nicht den einfachsten Weg.

Das adaptive Potential von Design kann das Kriterium der Trainierbarkeit bezüglich Medien mit organischer Logik unterstützen, indem die Aktivität von Menschen stärker gefördert wird, als ihre bloße Präsenz oder eine passive Konsumhaltung.

Beispiel für das adaptive Potential von Design

Dem einzelnen Menschen ist es unmöglich, seine organischen Medien hinsichtlich allen offenen Perspektiven zu trainieren und weiterzuentwickeln; er muss sich entscheiden. Daher wächst mit zunehmender Komplexität der Orientierungsmöglichkeiten für die Kreation von Lebensperspektiven der Bedarf an komprimierten Angeboten für zunächst das alltägliche Leben vereinfachende und schließlich Expertenwissen ersetzende Problemlösungen. Vom Instantkaffee zur Robotersteuerung für Gehirnoperationen, von den Straßenverkehrsregeln zum Grundgesetz, von Höflichkeitsformen zu Lebensführungshilfen reichen weite Entwicklungsspannen. Aber ohne persönliche produktive Mitwirkung an diesen Prozessen oder ohne Erfahrung des Trainierens in wenigstens einem Bereich, die zum Verständnis anderer Bereiche beitragen kann, nimmt ein Nutzer schließlich generell eine passive Konsumentenhaltung ein und glaubt unterschiedslos hinsichtlich jedem Produktangebot er brauche nur einen einfachen Input zu geben, um als Output das gewünschte Resultat zu bekommen. Je umfangreicher dieses Prinzip zum Tragen kommt, desto unproduktiver, unkreativer, verdummender und ästhetisch ärmer wird das Leben der Menschen, denn ihre aktive und damit Veränderungen einbringende Beteiligung ist nicht gefragt und wird nicht gefördert. Dieser Tendenz können Designer entgegenwirken, indem sie nicht versuchen, jeglichen Aufwand für den Nutzer, sei es bezüglich der Handhabung oder dem kognitiven Umgang mit Produkten durch reibungslose, funktionale Gestaltung auszuschalten.

Da es inzwischen relativ leicht ist, ohne fundiertes Vorwissen mit dem Computer perfekte Resultate zu erzeugen, steigt der Wert von Produkten, die primär mittels organischer Medien entstehen wie Zeichnungen, Live-Musik, Sportlichkeit, Artistik aber auch Reiseberichte, Biografien, usw. Im Ausgleich zu der Vielzahl von scheinbar zusammenhanglosen, austauschbaren Produktangeboten, erfährt das authentisch Gewachsene mehr Beachtung. Dadurch erhält das Kriterium der Trainierbarkeit einen wichtigeren Stellenwert für die ästhetische Erfahrung des Akteurs.