Während die korrigierende Variation organischer Medien unhintergehbar durch die Einhaltung der Lebenserhaltungsbedingungen und die Erneuerung kontextueller Medien durch gemeinsame Nutzung zusätzlich noch stärker von sozialen Konventionen begrenzt ist, ergibt sich hinsichtlich der standardisierten Medien die Möglichkeit des materielle und humane Ressourcen sparenden, umfassenden Simulierens. Jemand, der im Grübeln und Nachdenken versunken ist, simuliert. In diesem Sinne ist das Simulieren ein forschender Denkprozess, der parallel zum Entwerfen und Konzipieren abläuft und immer wieder verschiedene Alternativen durchdenkt und korrigiert, mit einfachen Modellen experimentiert und schließlich mehrere Lösungsstufen fixiert, die aber weiterhin für Korrekturen offen sind. Diesen Aspekt des Teilprozesses der Aktivation soll das Kriterium der Simulierbarkeit erfassen, nicht die Täuschungsabsicht, die dem deshalb abschätzig so genannten Simulanten unterstellt wird.
Der Begriff »Simulation« bezeichnet in der Computertechnologie die modellhafte Visualisierung bestimmter Wirkzusammenhänge mit Hilfe des Computers sowie das Durchspielen ihrer zeitlichen Veränderungen in Abhängigkeit von variablen Einflussgrößen. Simulationen sind dynamische Modelle. Sie sind wie alle Modelle leicht korrigierbar und die verschiedenen Korrekturstufen sind miteinander vergleichbar. Durch ihre Fähigkeit zeitliche Dynamik zu integrieren, können sie lebensnah, komplexere Vorgänge visualisieren, als statische Modelldarstellungen. Einsatzgebiete sind beispielsweise die Veranschaulichung von chemischen Reaktionen, Einwirkung von Hochhäusern auf die Lichtverhältnisse oder die Luftstörung in der Umgebung, simulierte Verkehrsunfälle usw. Auch Designer müssen ihre Ideen kommunizierbar aufbereiten. Für komplexere Konzepte reichen dazu organische Medien wie verbale Sprache oder erklärende Gestik und kontextuelle Medien wie durch Designmodelle nicht mehr aus. Simulationen verdeutlichen Bedienungsabläufe, Alterungsprozesse, definierte Wechselwirkungen usw. besser und sie sind leichter zu korrigieren als materiell realisierte Modelle.
Wenn heute viele Wissenschaftler eingestehen, dass es keine endgültigen, optimalen Forschungsergebnisse oder Problemlösungen geben kann, dann wird es zunehmend relevant, auch den die Disziplin vertiefenden, forschenden Aspekt von Design von der Orientierung an einem Wissenschaftsbild zu lösen, das synonym für Allgemeingültigkeit steht. Mitwirkung an der Gestaltung der Zukunft heißt nicht mehr auf einem vorgezeichneten Weg schneller voranzuschreiten und dadurch eine sowieso ablaufende Entwicklung zu beschleunigen. Es geht vielmehr darum den Ist-Status korrigierende, tragfähige Alternativen aufzuzeigen. Für diesen der Forschung zugehörigen Anteil von Design ist das Experimentieren, das Simulieren und das später zu untersuchende Systematisieren als produktives Tätigsein mithilfe komplexer, standardisierter Medien besser geeignet als die den organischen und den kontextuellen Medien zugeschriebenen Tätigkeitsarten.
Beispiel für das innovative Potential von Design
Rüdiger Lutz entwarf als Forschungsarbeit, deren Ergebnisse in dem Buch »Die sanfte Wende« (Lutz, 1987) nachzulesen sind, aufgrund der Analyse von im sozialen Zusammenleben einflussreichen Entwicklungsströmungen mittels Simulationsmodellen mehrere unterschiedliche Zukunftsszenarien, Hypothesen für das Design der Zukunft. Damit brachte er eine fachliche Diskussion über die Wünschbarkeit, Korrigierbarkeit und Umsetzbarkeit dieser Szenarien in Gang.
Museen präsentieren Design meist in Form von schönen Gegenständen und tragen dadurch dazu bei, dass Laien unter Design häufig nur eine für die visuelle Wahrnehmung geschönte, formalistische Ästhetik verstehen. Der über die Optik hinausgehende, in dem Designprodukt zu berücksichtigende, alle Sinne einbeziehende ästhetische Gebrauchsprozess ist genauso ausgeblendet wie der innovative Ansatz von dem der Designer ausging und der Status von Vorläufigkeit und Eingebundenheit dieser Lösung in einen experimentellen Arbeitsprozess, aus dem weitere Lösungen folgen können. Gegenüber dieser starren Präsentationsform könnten Simulationen einen umfassenderen, lebensnahen Eindruck von Entwurfsprozessen und -konzepten vermitteln, Alternativen zeigen und die Besucher auffordern, mithilfe einfacher Programme selbst korrigierend mitzuwirken. Das Designmuseum in London versucht dies zumindest ansatzweise, indem jeder Besucher Gelegenheit hat, den Design- und Entwicklungsprozess am Beispiel einer Zahnbürste mit einem komplexen, interaktiven Simulationsprogramms selbst zu vollziehen.