Zum Kriterium der »Gefasstheit« bezüglich der introvertierten Tendenz

Grundmotiv oder Aktionsziel der introvertierten Tendenz ist es, innere Gefasstheit zu erreichen. Wichtig hierfür ist, das oben beschriebene Umgehen mit Befindlichkeiten zu üben, die weder unterdrückt noch radikal gegensteuernd ausgeglichen, sondern durch Unterstützung des animativen Potentials von Design ausgelebt werden sollten. Während allen wechselnden Erfahrungen formt sich mit jedem zwischenzeitlichen Zustand von Gefasstheit das Selbstgefühl als eine fließende und doch inneren Halt gebende Identität. Diese Gefasstheit ist zwar als Harmonie oder Ruhe erlebbar, beinhaltet aber bereits die innere Sammlung von Kraft für die Auffrischung der Motivation und für weitere Aktivität, die sich dann auch auf andere psychische Bereiche wie Kognition oder Emotion oder andere Erfahrungsbereiche wie Körperwelt oder Außenwelt richten kann. Damit geht die Gefasstheit in den gesamten Erfahrungshintergrund ein und bleibt nicht nur in der Innenwelt verhaftet. Um diese innere Gefasstheit erreichen zu können, benötigt jeder Mensch Zeit und Rückzugsmöglichkeiten. Das animative Potential von Design sollte dem Kriterium der Gefasstheit entsprechend darauf angelegt sein, solche Orte bereitzustellen.

Beispiel für das animative Potential von Design

Während der private Wohnraum schon in sich ein Rückzugsort darstellt, fehlen diese Orte im öffentlichen Raum oder auch im Arbeitsumfeld. Tests zeigten, dass die Mehrzahl der Menschen es vorzieht, in einem Wartezimmer, einem Café oder einem Restaurant eher am Rand als im Mittelbereich zu sitzen. Vermutlich gilt dies in besonderer Weise für Menschen, die einen zur inneren Sammlung geeigneten Platz suchen. Bänke mit hochgezogenen Rückenlehnen oder umseitig geschlossen wirkende Stühle, Nischen durch Trennwände usw. können Rückzugsorte markieren. Stress im Arbeitsleben entsteht häufig durch das Gefühl ständiger Überwachung. Hier müssten Rückzugszonen für Pausen geschaffen werden. Bei Platzmangel könnten Räume durch mobile Trennwände abgeteilt werden. Eine neue Glastechnik ermöglicht es, eine Glaswand entweder transparent oder opak zu schalten.

Das animative Potential von Design erleichtert die Erlangung von Gefasstheit im Sinne der Entspannung als ein abschließender Subprozess der auf die introvertierte Tendenz bezogenen Motivation. Angestellte werden angeregt, am Arbeitsplatz persönliche Objekte wie Fotos, Blumen, Andenken usw. aufzustellen. Ein flüchtiger Blick auf einen solchen vertrauten Gegenstand hilft dabei, sich innerlich zu sammeln und negative Gefühle zu besänftigen oder kann Anlass für ein kurzes Gespräch mit Kollegen sein. Die Softwarefirma Intershop in Jena ermöglicht es jedem Mitarbeiter, seinen Arbeitsplatz frei zu gestalten, mit brennender Kerze auf dem Besprechungstisch oder einem Windspiel vor der Tür. Im Gegensatz zu dieser Intention einer Stärkung des animativen Potentials von Design, beschneidet das CI-Konzept der Firma Erco in Lüdenscheid dieses völlig. Die Arbeitsplätze der meisten Angestellten sind innenarchitektonisch nicht deutlich von Fluren usw. abgetrennt und daher ständig von Besuchern und Kollegen einsehbar. Ein Gebot des CI-Konzepts verlangt es, keine privaten Dinge auf dem Schreibtisch oder der Werkbank zu platzieren.