Zum Kriterium der »Einbindbarkeit« bezüglich der introvertierten Tendenz

Kognitiv Wichtiges wird bezüglich der introvertierten Tendenz durch das Kriterium der Einbindbarkeit in den Teilprozess der Kognition eingeschlossen. In Phasen der introvertierten Besinnung entstehen charakteristische, sinnliche Vorstellungen zu erinnerten Erlebnissen, die wichtig für die introvertierte Tendenz sind. Zum Beispiel sind in dem Bild der Straße, in der man aufgewachsen ist, ganz bestimmte Details eingebunden. An diesen macht sich das Typische einer Erinnerung fest. Das Wiederfinden ähnlicher Details im derzeitigen Lebenskontext, die ebenfalls wichtig genommen werden, erweitert und stabilisiert diese Eingebundenheit und vergrößert und vertieft auf diese Weise den kognitiven Erfahrungsbereich der introvertierten Tendenz. Die Innenwelt wird dann nicht als eng, leer und beschränkt erlebt, sondern als weit, voll und reichhaltig. Sie bietet viele Ansätze für weitere Einbindungen an, wirkt also auch bereichernd auf das Kriterium der Bekanntheit zurück und schafft somit eine größere Basis für Toleranzfähigkeit gegenüber Unbekanntem.

Das animative Potential von Design kann durch wiederholte, aktualisierte oder modifizierte Präsentation der in der Erinnerung lebendigen sinnlichen Anschauungen dem Kriterium der Einbindbarkeit entsprechen. Dazu muss es so beschaffen sein, dass es überhaupt differenzierte ästhetische Wertungen zulässt. So ist zum Beispiel die Beliebigkeit der Ortes, die Gudrun Scholz anhand des CI-Konzepts der Hilton-Hotels in den 60er Jahren, deren Zimmer auf der ganzen Welt gleich eingerichtet waren, illustriert (vgl. Scholz, 1989), ungeeignet über eine vordergründige Orientierungserleichterung hinausgehend, innerliche Nähe und Wichtigkeit aufkommen zu lassen und dadurch das Kriterium der Einbindbarkeit zu erfüllen.

Menschen, die häufig umziehen, können dadurch den Bedarf der introvertierten Tendenz an einem sicheren Vertrauenssanker schwer an freundschaftlichen, zwischenmenschlichen Bindungen ausleben. Dies gilt ebenso für Menschen, die sich neu kennenlernen und eine enge Beziehung aufbauen, zu der es auch gehört, Vorstellungen der Innenwelt einander zugänglich zu machen und gegenseitig einzubinden. Hier kommt dem animativen Potential verstärkt Bedeutung zu. Mit Hilfe des Kriteriums der Einbindbarkeit entscheidet die introvertierte Tendenz intuitiv darüber, was zu der Innenwelt gehören soll und was ausgeschlossen bleibt. Die innerliche Einbindung von ästhetischen Reizen in den sortierenden Teilprozess der Kognition schließt die Verwendung derselben ästhetischen Elemente in völlig verschiedenen Kontexten aus. Diese mit der Einbindbarkeit einhergehende Festlegung ist hinsichtlich dem animativen Potential von Design zu berücksichtigen.

Beispiel für das animative Potential von Design

Das Kriterium der innerlichen Einbindbarkeit von wichtigen, das persönliche Leben begleitenden ästhetischen Reizen lässt sich mit vernünftigen Argumenten schwer fassen. Als Zeitungsleser beispielsweise zum ersten Mal mit serifenloser Schrift konfrontiert wurden, riefen sie ablehnend, diese Schrift sei »grotesk«. Der Versuch von Adolf Hitler, eine neue Schrift für Zeitungen einzuführen, scheiterte an dem Protest der Leser, die ihre Zeitung unabhängig von jedem Inhalt nicht akzeptierten und die Frakturschrift zurückforderten. Von jüngeren Menschen wird diese Schrift fälschlicherweise hauptsächlich mit der Zeit des Nationalsozialismus verbunden und es würde trotz besserem Wissen größte Ablehnung hervorrufen, sie beispielsweise für Werbung einzusetzen.

Der Erfolg von Ostalgie-Veranstaltungen einige Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung lässt sich weniger politisch, als vielmehr durch die innerliche Einbindbarkeit von bestimmten ästhetischen Gestaltungsmitteln, von Grußformen über die Lokaleinrichtung bis zum Geschmack der gewohnten Getränke begründen.

Firmen und Vereine versuchen davon zu profitieren, dass ihre Produkte, die im nahen Lebenskontext stehen mit der Zeit innerlich eingebunden werden, indem sie diese durch weitere Produkte ausbauen. Eine Adaption von Gummibärchen wird als Leuchte angeboten. Die Milka-Kuh gibt es als Stofftier. Ob es jedoch gelingt, allein durch massive Werbepräsenz ein Produktimage aufzubauen, das dem Kriterium der Einbindbarkeit entspricht, ist zweifelhaft. Am ehesten gelingt diese Beeinflussung noch bei Kindern. Doch auch diese sind nicht beliebig beeinflussbar Wichtig für das Entstehen von Eingebundenheit ist die persönliche Erfahrung mit dem Design eines Gegenstands. So empfinden viele Menschen aufgrund schöner Erinnerungen und der Überzeugung von guter Qualität noch eine innere Eingebundenheit gegenüber dem alten VW-Käfer-Modell, dessen Namensgebung zusätzlich das animative Potential bereichert. Die Neuauflage, der Beetle, kann den alten Erfolg nur auf dem amerikanischen Markt fortsetzen. Dort verbinden die Käufer des Beetle mit dem Design das positive Lebensgefühl der Jugend, während der Käfer für viele deutsche Autofahrer nur ein normales, kostengünstiges Fahrzeug war. Der Verkaufserfolg von Produktserien im Retro-Design wie Hifi-Produkte der Marke Dual oder aus den Anfangszeiten der industriellen Produktion wie Radiogeräte aus Bakelit basiert auf der kognitiven Einbindbarkeit des Designs dieser Produkte, die durch den Kauf eines früher vertraut gewesenen Produkts wieder aufgefrischt wird.