Zum Kriterium der »Zufriedenheit« bezüglich der introvertierten Tendenz

Innere Leichtigkeit als Kriterium für die emotionale Intensität innerhalb der introvertierten Tendenz verflüchtigt sich nach einiger Zeit und geht in die Stimmung von Zufriedenheit über. In dieser Stimmung kommt die introvertierte Tendenz nach einer aktiven Phase zur inneren Sammlung und zur selbstbezüglichen Vertrautheit. Die Emotion der Zufriedenheit schafft innere Harmonie und Sicherheit. Sie erzeugt eine starke mentale Bindung zu den assoziierten ästhetischen Reizen und integriert sie als positive Qualitäten in den Erfahrungshintergrund. Aus dieser ausgeglichenen, gestärkten Basis kann ohne Stress der nächste Aktivitätsschub erwachsen. Die innere Ausbreitung von Zufriedenheit wird durch einen ruhigen oder vorhersehbaren Reizkontext und ausreichend Zeit für lässige Muße begünstigt. Hier wird der Kontrast zu dem Empfinden während einer explorativen Tendenz, aus deren Sicht Zufriedenheit eher negativ als Lethargie, genügsame Bescheidenheit oder Langweile erscheint, besonders deutlich.

Zufriedenheit länger als für die Regeneration zur nächste Aktion notwendig zu genießen, erscheint im heutigen sozialen Leben als altbacken und regressiv. Trotz Überproduktion in den verschiedensten Lebensbereichen bleibt die Fähigkeit zum ruhigen Genießen und dauerhafter Zufriedenheit nach einer intensiven Phase suspekt. Sie verlangsamt als Pause im individuellen Tun bei zunehmender Verbreitung auch politische oder ökonomische Entwicklungsprozesse. Deshalb wehrten und wehren sich an sozialer Gleichberechtigung interessierte Vertreter der gestalterischen Moderne gegen den Gebrauch ästhetischer Elemente, die geeignet sind, das Aufkommen einer die Seele einlullenden, heimeligen, biederen, gemütlichen Zufriedenheit zu begünstigen. Die Konsumgüterindustrie thematisiert zwar ständig die Kundenzufriedenheit, müht sich aber gleichzeitig darum, sie durch immer neue Produktangebote weiter anzustacheln und zur Erreichung eines vermeintlich höheren Zufriedenheitsniveaus zu drängen.

Diese konträren Aspekte sind bei der Konzeption von Design mit Dominanz des animativen Potentials hinsichtlich der Förderung von Zufriedenheit einzubeziehen und abzuwägen. Das Kriterium der Zufriedenheit lässt sich nicht an Einzelobjekten festmachen. Wie Abraham Moles mit seiner Konzeption von Design als Umgebungsdesign (vgl. Beitrag von Moles in: Gsöllpointner Hrsg., 1981) verdeutlicht, benötigt der Mensch zum stress- und angstfreien Leben ein Gefühl der Stabilität seiner Umwelt. Dieses konkretisiert sich innerhalb der introvertierten Tendenz durch Angebote, die dazu animieren, ihnen gegenüber mentale Nähe und innere Eingebundenheit zu entwickeln und Lebensqualität mit Zufriedenheit genießen zu können.

Beispiel für das animative Potential von Design

Zufriedenheit als positiver emotionaler Abschluss einer introvertierten Aktivitätsphase stellt sich nach dem Einrichten einer neuen Wohnung ein, indem zu dieser ein Verhältnis innerer Nähe entsteht, weil erfahrbar wird, dass sie mit liebgewonnenen Gewohnheiten harmoniert und die vertrauten Möbel gut zur Geltung kommen. Parameter des animativen Potentials sind bezüglich der Architektur die Ausrichtung der Fenster, Höhe und Zuschnitt der Räume, das Vorhandensein eines Balkons oder eines Gartens sowie Geschäfte und andere soziale und kulturelle Angebote im nahen Umfeld. Möglichkeiten zum Ausweiten des als vertraut empfundenen Nahfelds wie Rad- oder Wanderwege bieten positive Anregungen zur weiteren qualitativen Bereicherung der introvertierten Tendenz und Erneuerung von Zufriedenheit an.