Zum Kriterium der »Befindlichkeit« bezüglich der introvertierten Tendenz

Hinsichtlich der introvertierten Tendenz stellt die Befindlichkeit oder die Stimmung den Selektionsfilter für die Kanalisierung dar. In einer fröhlichen Stimmung werden negative Reize ausgeblendet und umgekehrt. Der Filter der jeweiligen Befindlichkeit färbt die gesamte Wirklichkeitserfahrung ein. Da Befindlichkeiten schwanken und instabil sind, erhält die nach Integrität und Gefasstheit strebende introvertierte Tendenz ständig verändernde Impulse, die intern austariert werden müssen.

Vielen Menschen fällt es schwer, negative Befindlichkeiten zuzulassen oder positive Stimmungen auch im Wissen um ihre Kurzfristigkeit zu genießen, weil sie im Sozialisationsprozess dazu angehalten wurden, ihre wechselnde Befindlichkeit zugunsten der Präsentation eines stabilen Charakters zurückzustellen. Gerade in der inneren Hingabe an vorübergehenden Befindlichkeiten entwickelt sich aber eine basale Empfindungsfähigkeit, die eine Voraussetzung für die Entfaltung von Selbstgefühl und Empathie ist (vgl. Kapitel 3.2). Subjektive, sich von innen aufdrängende Befindlichkeiten, ob leidvoller oder freudvoller Art sollten seltener als Störungen der bewussten Selbstdarstellung oder der reibungslosen Kommunikation interpretiert und unterdrückt, sondern als seelische Signale angenommen werden. Ein auf die spezifische Befindlichkeit abgestimmtes, animatives Potential von Design trägt dazu bei, diese Signale der introvertierten Tendenz besser zu deuten und auszuleben.

Beispiel für das animative Potential von Design

Im Streit zwischen der sogenannten Schulmedizin und der alternativen Medizin, geht es um die Definition von Gesundheit. Während die Schulmedizin durch Messverfahren das Befinden des Patienten ermittelt, fragt der alternative Arzt explizit nach dessen Befindlichkeit. Alternative Heilmethoden bleiben nicht am Körper fixiert. Sie regen auch eine Regeneration der Seele an. Vielfach werden heute beide medizinischen Richtungen angewendet, denn nicht der medizinische Richtungsstreit, sondern das Wohlbefinden des Patienten soll im Vordergrund stehen.

Ebenso müsste innerhalb der Designdisziplin umgedacht werden. Das Design technischer Produkte braucht nicht unbedingt mit einer kühlen, distanzierten Anmutung verknüpft zu sein. Diese häufig angestrebte Verbindung ist weder generell besser als andere Designansätze, noch muss sie zwangsläufig im Konflikt mit diesen stehen. Dies demonstrieren italienische Leuchtenhersteller mit ihren technisch ausgefeilten Konzepten für stimmungsvolle, der jeweiligen Befindlichkeit entsprechend variierbare Wohnraumbeleuchtung. Auch Wettbewerbsentwürfe für zukünftiges Wohnen integrieren Technik und animative Anmutung, indem sie große digitale Bildwände, deren Motive oder Farbmuster je nach Befindlichkeit programmierbar sind, vorschlagen.

Zum Kriterium der »Achtsamkeit« bezüglich der introvertierten Tendenz

Mit einer achtsamen Grundhaltung werden ständig Reizangebote registriert und auf die innere Wirklichkeit bezogen. Jede geringfügige Veränderung veranlasst zum Nachsinnen. Das Kriterium der Achtsamkeit als Bereitschaftshaltung der introvertierten Tendenz regelt noch vor dem Bewusstwerden den Zugang zum Innersten. Das gilt gegenüber Reizen die von außen kommen wie das freundliche Lächeln oder die Körpersprache eines Gesprächspartners, die Farbigkeit eines Plakats, die Düsterheit einer Bahnstation ebenso wie bezüglich der Reize, die von innen kommen wie Tagträume oder assoziative Phantasievorstellungen. Im Zustand der introvertierten Achtsamkeit geht das Gefühl für Zeit leicht verloren. Während die Zeit im inneren Empfinden verfliegt und übervoll scheint, kommt einem Beobachter das Verhalten eines achtsamen, introvertierten Menschen sehr langsam vor.

Ob ein Mensch in einem Moment achtsam oder unachtsam ist, hängt zum größten Teil von seiner inneren Verfassung ab. Jemanden aus einer unachtsamen, oberflächlichen Haltung herauszureißen, ist relativ schwer. Ein geeignetes gestalterisches Mittel hierfür sind auffällige Kontraste. Ästhetische Elemente erzeugen durch starke, mit dem Kontext kontrastierende Reize ein Wirkungspotential, das sich deutlich vom übrigen Reizangebot unterscheidet und dadurch wenigstens leichter Beachtung findet und die Chance erhöht, in die innere Wirklichkeit aufgenommen zu werden.

Beispiel für das animative Potential von Design

Balladen von Hard Rock Gruppen wirken deshalb besonders eindringlich, weil sie in deutlichem Kontrast zu dem Outfit und der üblichen Musik dieser Bands stehen. Eine ganzseitige Bildanzeige in der typografisch sehr zurückhaltend gestalteten FAZ scheint eher beachtenswert, als wenn sie auf einer Plakatwand positioniert wäre. Schwarzweiß gedrehte Werbefilme wecken die Achtsamkeit, weil sie irgendwie tiefsinniger zu wirken scheinen als das bunte Drumherum.

Gestalterisches Ziel sollte es nicht sein, Menschen kurzfristig aus ihrer Unachtsamkeit für die Qualität der inneren Wirklichkeit, sei es der eigenen oder der von anderen Menschen, durch schockierende Ästhetik aufzurütteln, sondern vielmehr mittels differenzierter ästhetischer Elemente dazu beizutragen, Achtsamkeit zu wecken, die langfristig bestehen bleibt und zur Stärkung des Selbst beiträgt. Die Werbekampagne der Firma Benetton (vgl. Toscani, 1996) fällt auf, weil sie mit den Gesetzen des Werbegenres kontrastiert und Anstöße für Diskussionen zu aktuellen Problemen gibt. Sie ist, in Ausklammerung der Diskussion um ihre Eignung zur Verkaufsförderung, ein Beispiel für die gelungene Verbindung von kurzfristigem Aufrütteln aus der Unachtsamkeit und langfristigem Aufrechterhalten der Achtsamkeit für die thematisierten Probleme durch gestalterische Mittel.

Designer sollten zudem ihre eigene Bereitschaft hinsichtlich der introvertierten Tendenz kritisch hinterfragen, um einerseits zu verhindern, dass sie sich unachtsam und oberflächlich gegenüber einer Thematik, die sie gestalterisch umsetzen wollen, verhalten oder sich andererseits zu achtsam für Unterschiede selbstverliebt in Details verlieren.

Zum Kriterium der »Einbindbarkeit« bezüglich der introvertierten Tendenz

Kognitiv Wichtiges wird bezüglich der introvertierten Tendenz durch das Kriterium der Einbindbarkeit in den Teilprozess der Kognition eingeschlossen. In Phasen der introvertierten Besinnung entstehen charakteristische, sinnliche Vorstellungen zu erinnerten Erlebnissen, die wichtig für die introvertierte Tendenz sind. Zum Beispiel sind in dem Bild der Straße, in der man aufgewachsen ist, ganz bestimmte Details eingebunden. An diesen macht sich das Typische einer Erinnerung fest. Das Wiederfinden ähnlicher Details im derzeitigen Lebenskontext, die ebenfalls wichtig genommen werden, erweitert und stabilisiert diese Eingebundenheit und vergrößert und vertieft auf diese Weise den kognitiven Erfahrungsbereich der introvertierten Tendenz. Die Innenwelt wird dann nicht als eng, leer und beschränkt erlebt, sondern als weit, voll und reichhaltig. Sie bietet viele Ansätze für weitere Einbindungen an, wirkt also auch bereichernd auf das Kriterium der Bekanntheit zurück und schafft somit eine größere Basis für Toleranzfähigkeit gegenüber Unbekanntem.

Das animative Potential von Design kann durch wiederholte, aktualisierte oder modifizierte Präsentation der in der Erinnerung lebendigen sinnlichen Anschauungen dem Kriterium der Einbindbarkeit entsprechen. Dazu muss es so beschaffen sein, dass es überhaupt differenzierte ästhetische Wertungen zulässt. So ist zum Beispiel die Beliebigkeit der Ortes, die Gudrun Scholz anhand des CI-Konzepts der Hilton-Hotels in den 60er Jahren, deren Zimmer auf der ganzen Welt gleich eingerichtet waren, illustriert (vgl. Scholz, 1989), ungeeignet über eine vordergründige Orientierungserleichterung hinausgehend, innerliche Nähe und Wichtigkeit aufkommen zu lassen und dadurch das Kriterium der Einbindbarkeit zu erfüllen.

Menschen, die häufig umziehen, können dadurch den Bedarf der introvertierten Tendenz an einem sicheren Vertrauenssanker schwer an freundschaftlichen, zwischenmenschlichen Bindungen ausleben. Dies gilt ebenso für Menschen, die sich neu kennenlernen und eine enge Beziehung aufbauen, zu der es auch gehört, Vorstellungen der Innenwelt einander zugänglich zu machen und gegenseitig einzubinden. Hier kommt dem animativen Potential verstärkt Bedeutung zu. Mit Hilfe des Kriteriums der Einbindbarkeit entscheidet die introvertierte Tendenz intuitiv darüber, was zu der Innenwelt gehören soll und was ausgeschlossen bleibt. Die innerliche Einbindung von ästhetischen Reizen in den sortierenden Teilprozess der Kognition schließt die Verwendung derselben ästhetischen Elemente in völlig verschiedenen Kontexten aus. Diese mit der Einbindbarkeit einhergehende Festlegung ist hinsichtlich dem animativen Potential von Design zu berücksichtigen.

Beispiel für das animative Potential von Design

Das Kriterium der innerlichen Einbindbarkeit von wichtigen, das persönliche Leben begleitenden ästhetischen Reizen lässt sich mit vernünftigen Argumenten schwer fassen. Als Zeitungsleser beispielsweise zum ersten Mal mit serifenloser Schrift konfrontiert wurden, riefen sie ablehnend, diese Schrift sei »grotesk«. Der Versuch von Adolf Hitler, eine neue Schrift für Zeitungen einzuführen, scheiterte an dem Protest der Leser, die ihre Zeitung unabhängig von jedem Inhalt nicht akzeptierten und die Frakturschrift zurückforderten. Von jüngeren Menschen wird diese Schrift fälschlicherweise hauptsächlich mit der Zeit des Nationalsozialismus verbunden und es würde trotz besserem Wissen größte Ablehnung hervorrufen, sie beispielsweise für Werbung einzusetzen.

Der Erfolg von Ostalgie-Veranstaltungen einige Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung lässt sich weniger politisch, als vielmehr durch die innerliche Einbindbarkeit von bestimmten ästhetischen Gestaltungsmitteln, von Grußformen über die Lokaleinrichtung bis zum Geschmack der gewohnten Getränke begründen.

Firmen und Vereine versuchen davon zu profitieren, dass ihre Produkte, die im nahen Lebenskontext stehen mit der Zeit innerlich eingebunden werden, indem sie diese durch weitere Produkte ausbauen. Eine Adaption von Gummibärchen wird als Leuchte angeboten. Die Milka-Kuh gibt es als Stofftier. Ob es jedoch gelingt, allein durch massive Werbepräsenz ein Produktimage aufzubauen, das dem Kriterium der Einbindbarkeit entspricht, ist zweifelhaft. Am ehesten gelingt diese Beeinflussung noch bei Kindern. Doch auch diese sind nicht beliebig beeinflussbar Wichtig für das Entstehen von Eingebundenheit ist die persönliche Erfahrung mit dem Design eines Gegenstands. So empfinden viele Menschen aufgrund schöner Erinnerungen und der Überzeugung von guter Qualität noch eine innere Eingebundenheit gegenüber dem alten VW-Käfer-Modell, dessen Namensgebung zusätzlich das animative Potential bereichert. Die Neuauflage, der Beetle, kann den alten Erfolg nur auf dem amerikanischen Markt fortsetzen. Dort verbinden die Käufer des Beetle mit dem Design das positive Lebensgefühl der Jugend, während der Käfer für viele deutsche Autofahrer nur ein normales, kostengünstiges Fahrzeug war. Der Verkaufserfolg von Produktserien im Retro-Design wie Hifi-Produkte der Marke Dual oder aus den Anfangszeiten der industriellen Produktion wie Radiogeräte aus Bakelit basiert auf der kognitiven Einbindbarkeit des Designs dieser Produkte, die durch den Kauf eines früher vertraut gewesenen Produkts wieder aufgefrischt wird.

Zum Kriterium der »Assoziierbarkeit« bezüglich der introvertierten Tendenz

Freies Assoziieren ist eine Methode, um die Ideenfindung nicht durch bewusste Reflexion vorzeitig abzublocken. Spontan werden Gedanken geäußert, die bezüglich einem gegebenen Begriff oder einer Problemstellung in den Sinn geraten. Diese Assoziationen können sich verselbständigen und sozusagen vom Hundertsten ins Tausendste gehen. Es entsteht ein assoziatives Sinngewebe, welches in seinen fortgeschrittenen Verästelungen und Verbindungen mit dem anstoßgebenden Anlass oft gar nichts mehr zu tun hat. Trotzdem kann der Anlass später stellvertretend für den Assoziationsprozess stehen. Dann wird ein Bild, ein Plakat, ein Film, eine Hausfassade oder ein Möbelstück, ein Werkzeug usw. in der ästhetischen Erfahrung zum Knotenpunkt, der ein viel größeres Sinngewebe zusammenhält. Solche Assoziationen sind durch den Erfahrungshintergrund geprägt und gestaltet. Sie nehmen im Erleben großen Raum ein, beispielsweise auch als Tagträume. Dadurch bewegt sich jeder Mensch, dem eine selbständige Entwicklung möglich ist, in seiner speziellen Wirklichkeit. Wissenschaftliche, philosophische, religiöse oder künstlerische Beschreibungen dieser Wirklichkeiten, sind je auf ihre Art bestrebt, deren gemeinsames Fundament zu erfassen und setzen dieses oft mit der einen zeitlosen oder sich linear entwickelnden Realität gleich, innerhalb derer die verschiedenen Erlebniswirklichkeiten der einzelnen Menschen nur vergängliche Nischen bilden. Gerade in der dynamischen Entfaltung von Nischenwirklichkeiten und der Generierung von unterschiedlichen Sinnzusammenhängen kann aber der eigentliche Wert des individuellen Lebens liegen.

Bezüglich der Position von Design und den zugehörigen ästhetischen Präferenzen, ist zu fragen, ob Design als zeitlose Deutung der einen objektiven Realität, bzw. als deren linear fortschreitende Modellierung oder im Unterschied zu diesem vereinheitlichenden Ansatz als Ausdruck und immer neue Interpretation der in verschiedenen Lebensprozessen generierten Vielfalt von Wirklichkeiten verstanden werden soll. Im ersten Fall bezeichnet Design abgekapselte Einheiten, Black-Boxes, die den Nutzern ohne Rücksicht auf spezielle Sinnzusammenhänge vorgesetzt werden. Im zweiten Fall, der die Aufgabe des animativen Potentials von Design bezogen auf die Assoziierbarkeit innerhalb der introvertierten Tendenz bezeichnet, sollte sich Design aus der Wirklichkeit der Nutzer entwickeln und potentiell zu einem sinnhaften Knotenpunkt werden können.

Beispiel für das animative Potential von Design

Ein gutes Erscheinungsbild eines Unternehmens vom Briefkopf über Architektur, Produktgestaltung und innerbetriebliche Organisation vemittelt nach innen und nach außen die Assoziation eines stimmigen, sinnvollen Zusammenhangs. Corporate Identity und Corporate Image müssen in Kooperation mit den Mitarbeitern und den Kunden gestaltet werden, um durch den Einsatz von Gestaltung in allen Bereichen intuitiv funktionierende Sinnanschlüsse anbieten zu können. Insbesondere die Mitarbeiter von Dienstleistungsunternehmen sollten selbst positive Assoziationen mit der Unternehmensidentität verbinden, damit sie diese im Kundenkontakt weitergeben können.

Entgegen strikten CI-Konzepten, in die sich die Mitarbeiter einfügen müssen, bietet das animative Potential die Möglichkeit der Assoziierbarkeit zu verschiedenen subjektiven Wirklichkeiten an. Das animative Potential von Design sollte daher nicht unbedingt nur eine perfektionierte Lösung fixieren, sondern müsste im ästhetischen Ausdruck variabel sein und durch technisch leicht zu realisierende Änderungen Assoziierbarkeit und sinnvolle Entfaltung innerhalb verschiedener Erlebniswirklichkeiten anbieten. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Swatch-Prinzip.

Ein Werbespot von Microsoft zeigt mittels einem filmischen Streifzug über die Welt die Begegnung mit verschiedensten Menschen, die in ihrem Bereich das beworbene Produkt einsetzen. Hier wird auf subtile Weise die Assoziation vermittelt, dass das Produkt sinnvoll in verschiedenste subjektive Lebenswirklichkeiten integriert werden kann und diese qualitativ bereichert.

Zum Kriterium der »Bekanntheit« bezüglich der introvertierten Tendenz

Die Anknüpfung an ein Reizangebot wird bezüglich der introvertierten Tendenz durch Intuition auf der Basis von Bekannthheit entschieden. Bei intuitiven Entscheidungen, die schnell Weichen für anschließendes Handeln stellen, ist es notwendig, sich auf sich selbst verlassen zu können. Bereits Bekanntes dient als Entscheidungsgrundlage. Für die introvertierte Tendenz, deren Aktivitätsziel innere Gefasstheit ist, stellt Bekanntheit einen positiven Aspekt dar, weil sie stabilisierend auf die kognitive Einordnung von Reizen wirkt. Das animative Potential von Design, das intuitive Anschließbarkeit als ersten Schritt zur Entfaltung von sinnvollen Assoziationen hinsichtlich der introvertierten Tendenz begünstigen will, muss deshalb bekannte Reize integrieren. Bekanntheit als positives Kriterium für die Erfahrung unter dem Einfluss des kognitiven Subprozesses der Anknüpfung wird auch zur Markenbindung eingesetzt. Daher ist der ästhetische Charakter des Erscheinungsbilds bewährter Marken nur im Rahmen der Einhaltung des Kriteriums der Bekanntheit veränderbar und aktualisierbar.

Zu fragen ist, ob die Fähigkeit zur Konzeption von Design mit dominierendem animativen Potential, das subjektiv oder zielgruppenspezifisch bekannte ästhetische Elemente einsetzen muss, um einzelne Personen oder Gruppen von Gleichgesinnten zu erreichen, überhaupt durch distanziertes Beobachten und bewusstes Analysieren erlernt werden kann. Manche Designer verneinen dies und verlassen sich völlig auf ihr eigenes Gespür. Viele Firmen setzen dagegen zunehmend Trendforscher ein, die aufgrund der Analyse jetzt vertrauter ästhetischer Elemente Vorhersagen zur Konzeption neuer Produkte machen. Das animative Potential, dem es gelingt, durch Einsatz des ästhetischen Kriteriums der Bekanntheit eine unmittelbar scheinende Anknüpfung zu erleichtern und eine intuitive Nähe herzustellen spielt im Konsumgüterbereich eine große Rolle. Dabei ist darauf zu achten, dass das verwendete Bekanntheit ausdrückende Reizmaterial nicht negativ besetzt oder bereits veraltet sind.

Beispiel für das animative Potential von Design

Ökologische Produkte, deren Ästhetik durch braune Farbtöne, einfachste Verarbeitung und naturbelassenen Materialeinsatz geprägt ist, begünstigen zwar intuitive kognitive Anknüpfungen, diese sind jedoch oft negativ besetzt. Das heißt aber nicht, dass ökologische Produkte keine Akzeptanz finden. Mit einem Gespür für das veränderte Lebensgefühl von Menschen, die im Grunde für den Problembereich der Ökologie aufgeschlossen sind, lässt sich durch den Einsatz bekannter und entsprechend aktualisierter ästhetischer Mittel wie Farbigkeit, perfekter, hochwertiger Verarbeitung oder mittels Veredelungsverfahren aufgewerteter Materialien, eine positive empfundene Anknüpfung erreichen.

Um sicherzustellen, dass ein Entwurf ein positives Gefühl von Bekanntheit herstellt, werden neben Designern auch Insider für die Designkonzeption herangezogen. Viele Firmen, die Produkte für Kinder herstellen, beziehen Entwürfe von Kindern zunehmend in die Produktentwicklung ein, um herauszufinden, zu welchen Farben, Mustern, Formen usw. Kinder eine intuitive Nähe im kognitiven Subprozess der Anknüpfung herstellen. Das Kriterium der Bekanntheit ist ebenso in technisch orientierten Produktbereichen wichtig. Die nur für Ausstellungen entwickelten Konzeptautos der Automobilindustrie dienen dazu, die Resonanz der Kunden zu prüfen und eine erste Bekanntheit mit Gestaltungselementen, die in abgeschwächter Form beim nächsten Modell zum Einsatz kommen sollen, aufzubauen.

Zum Kriterium der »Gefasstheit« bezüglich der introvertierten Tendenz

Grundmotiv oder Aktionsziel der introvertierten Tendenz ist es, innere Gefasstheit zu erreichen. Wichtig hierfür ist, das oben beschriebene Umgehen mit Befindlichkeiten zu üben, die weder unterdrückt noch radikal gegensteuernd ausgeglichen, sondern durch Unterstützung des animativen Potentials von Design ausgelebt werden sollten. Während allen wechselnden Erfahrungen formt sich mit jedem zwischenzeitlichen Zustand von Gefasstheit das Selbstgefühl als eine fließende und doch inneren Halt gebende Identität. Diese Gefasstheit ist zwar als Harmonie oder Ruhe erlebbar, beinhaltet aber bereits die innere Sammlung von Kraft für die Auffrischung der Motivation und für weitere Aktivität, die sich dann auch auf andere psychische Bereiche wie Kognition oder Emotion oder andere Erfahrungsbereiche wie Körperwelt oder Außenwelt richten kann. Damit geht die Gefasstheit in den gesamten Erfahrungshintergrund ein und bleibt nicht nur in der Innenwelt verhaftet. Um diese innere Gefasstheit erreichen zu können, benötigt jeder Mensch Zeit und Rückzugsmöglichkeiten. Das animative Potential von Design sollte dem Kriterium der Gefasstheit entsprechend darauf angelegt sein, solche Orte bereitzustellen.

Beispiel für das animative Potential von Design

Während der private Wohnraum schon in sich ein Rückzugsort darstellt, fehlen diese Orte im öffentlichen Raum oder auch im Arbeitsumfeld. Tests zeigten, dass die Mehrzahl der Menschen es vorzieht, in einem Wartezimmer, einem Café oder einem Restaurant eher am Rand als im Mittelbereich zu sitzen. Vermutlich gilt dies in besonderer Weise für Menschen, die einen zur inneren Sammlung geeigneten Platz suchen. Bänke mit hochgezogenen Rückenlehnen oder umseitig geschlossen wirkende Stühle, Nischen durch Trennwände usw. können Rückzugsorte markieren. Stress im Arbeitsleben entsteht häufig durch das Gefühl ständiger Überwachung. Hier müssten Rückzugszonen für Pausen geschaffen werden. Bei Platzmangel könnten Räume durch mobile Trennwände abgeteilt werden. Eine neue Glastechnik ermöglicht es, eine Glaswand entweder transparent oder opak zu schalten.

Das animative Potential von Design erleichtert die Erlangung von Gefasstheit im Sinne der Entspannung als ein abschließender Subprozess der auf die introvertierte Tendenz bezogenen Motivation. Angestellte werden angeregt, am Arbeitsplatz persönliche Objekte wie Fotos, Blumen, Andenken usw. aufzustellen. Ein flüchtiger Blick auf einen solchen vertrauten Gegenstand hilft dabei, sich innerlich zu sammeln und negative Gefühle zu besänftigen oder kann Anlass für ein kurzes Gespräch mit Kollegen sein. Die Softwarefirma Intershop in Jena ermöglicht es jedem Mitarbeiter, seinen Arbeitsplatz frei zu gestalten, mit brennender Kerze auf dem Besprechungstisch oder einem Windspiel vor der Tür. Im Gegensatz zu dieser Intention einer Stärkung des animativen Potentials von Design, beschneidet das CI-Konzept der Firma Erco in Lüdenscheid dieses völlig. Die Arbeitsplätze der meisten Angestellten sind innenarchitektonisch nicht deutlich von Fluren usw. abgetrennt und daher ständig von Besuchern und Kollegen einsehbar. Ein Gebot des CI-Konzepts verlangt es, keine privaten Dinge auf dem Schreibtisch oder der Werkbank zu platzieren.

Zum Kriterium der »Hingezogenheit« bezüglich der introvertierten Tendenz

Das Kriterium der Hingezogenheit bezeichnet eine erste emotionale Bewertung von Ästhetischem bezüglich der introvertierten Tendenz. Als Auslöser für die intuitive Zuneigung zu einem Reizangebot soll hier weniger die von Eibl-Eibelsfeld diagnostizierte emotionale Empfänglichkeit, welche beispielsweise eine Gestaltfiguration im Kindchen-Schema anspricht, untersucht werden, als vielmehr das subtile Empfinden einer inneren Nähe, welches durch das unbestimmte Gefühl, etwas von der internen Wirklichkeit in einem externen Objekt wiederzufinden, entsteht.

Er reicht aus, wenn kleine ästhetische Hinweise wie bestimmte Farben, Materialien, Formen, Düfte usw. zu einem positiven Wiedererkennen oder einer schönen Erinnerung veranlassen und ein Gefühl von Sympathie wecken. Auf diese Weise werden Gegenstände zusammengetragen, welche durch das Kriterium einer persönlichen Hingezogenheit aufeinander bezogen sind und unabhängig vom gebrauchsbedingtem Verschleiß und Ersatz die ästhetische Historie des ganz persönlichen Lebenskontexts schreiben. Umgekehrt werden zu negativen Erinnerungen gehörende ästhetische Reize abgelehnt. Hierin liegt eine wichtige Ursache für die emotionale Bewertungsvielfalt gegenüber Ästhetischem, die sich trotz aller Gleichschaltungsversuche durch Modediktate behauptet und sich auch der bewussten Reflexion widersetzt. Designkonzepte, welche auf diese bestehenden emotionalen Bindungen nicht eingehen, werden bereits auf subliminaler Ebene mit negativen Emotionen belegt und die zugehörigen Produkte werden nicht pfleglich, sondern gleichgültig bis aggressiv behandelt.

Beispiel für das animative Potential von Design

Gert Selle schildert sein ambivalentes Verhältnis zwischen distanzierter Selbstreflexion und emotionaler Hingezogenheit anhand einer Erinnerung an die Sitzecke seines Vaters (vgl. Selle, in: Ruppert, 1993). Das Wissen um die miefige Kleinbürgerlichkeit des Wohnmobiliars wechselt mit der innerlichen Zuneigung zur väterlichen Wohnsphäre ab. Wie viele Menschen sich in diesem Konflikt für die Fortschreibung ihrer ästhetischen Prägung und zum Eintreten für ihre emotionale Hingezogenheit gegenüber zeitweise diskriminierten ästhetischen Elementen entscheiden, zeigt zum Beispiel die stabile Präsenz der Möbelkette Domizil im Hintegrund des aktuellen Möbelangebots oder auch der Kult um den deutschen Schlager, Sissi-Filme, Blumenmotive usw.

Schülerstatements zu neuen Schulbauten mit sehr unterschiedlichen architektonischen Konzepten in Wien belegen, dass viele Schüler eine innerliche Hingezogenheit zu Gebäuden entwickeln, die aus dem Alltagsleben bereits bekannte und positiv besetzte ästhetische Elemente wie kleinteilig gegliederte Raumsituationen, verschiedene Farben und Materialien usw. einbringen, während ausschließlich helle, offen und weiträumig angelegte Stahl-Glaskonstruktionen eher abgelehnt werden.

Zum Kriterium der »Zufriedenheit« bezüglich der introvertierten Tendenz

Innere Leichtigkeit als Kriterium für die emotionale Intensität innerhalb der introvertierten Tendenz verflüchtigt sich nach einiger Zeit und geht in die Stimmung von Zufriedenheit über. In dieser Stimmung kommt die introvertierte Tendenz nach einer aktiven Phase zur inneren Sammlung und zur selbstbezüglichen Vertrautheit. Die Emotion der Zufriedenheit schafft innere Harmonie und Sicherheit. Sie erzeugt eine starke mentale Bindung zu den assoziierten ästhetischen Reizen und integriert sie als positive Qualitäten in den Erfahrungshintergrund. Aus dieser ausgeglichenen, gestärkten Basis kann ohne Stress der nächste Aktivitätsschub erwachsen. Die innere Ausbreitung von Zufriedenheit wird durch einen ruhigen oder vorhersehbaren Reizkontext und ausreichend Zeit für lässige Muße begünstigt. Hier wird der Kontrast zu dem Empfinden während einer explorativen Tendenz, aus deren Sicht Zufriedenheit eher negativ als Lethargie, genügsame Bescheidenheit oder Langweile erscheint, besonders deutlich.

Zufriedenheit länger als für die Regeneration zur nächste Aktion notwendig zu genießen, erscheint im heutigen sozialen Leben als altbacken und regressiv. Trotz Überproduktion in den verschiedensten Lebensbereichen bleibt die Fähigkeit zum ruhigen Genießen und dauerhafter Zufriedenheit nach einer intensiven Phase suspekt. Sie verlangsamt als Pause im individuellen Tun bei zunehmender Verbreitung auch politische oder ökonomische Entwicklungsprozesse. Deshalb wehrten und wehren sich an sozialer Gleichberechtigung interessierte Vertreter der gestalterischen Moderne gegen den Gebrauch ästhetischer Elemente, die geeignet sind, das Aufkommen einer die Seele einlullenden, heimeligen, biederen, gemütlichen Zufriedenheit zu begünstigen. Die Konsumgüterindustrie thematisiert zwar ständig die Kundenzufriedenheit, müht sich aber gleichzeitig darum, sie durch immer neue Produktangebote weiter anzustacheln und zur Erreichung eines vermeintlich höheren Zufriedenheitsniveaus zu drängen.

Diese konträren Aspekte sind bei der Konzeption von Design mit Dominanz des animativen Potentials hinsichtlich der Förderung von Zufriedenheit einzubeziehen und abzuwägen. Das Kriterium der Zufriedenheit lässt sich nicht an Einzelobjekten festmachen. Wie Abraham Moles mit seiner Konzeption von Design als Umgebungsdesign (vgl. Beitrag von Moles in: Gsöllpointner Hrsg., 1981) verdeutlicht, benötigt der Mensch zum stress- und angstfreien Leben ein Gefühl der Stabilität seiner Umwelt. Dieses konkretisiert sich innerhalb der introvertierten Tendenz durch Angebote, die dazu animieren, ihnen gegenüber mentale Nähe und innere Eingebundenheit zu entwickeln und Lebensqualität mit Zufriedenheit genießen zu können.

Beispiel für das animative Potential von Design

Zufriedenheit als positiver emotionaler Abschluss einer introvertierten Aktivitätsphase stellt sich nach dem Einrichten einer neuen Wohnung ein, indem zu dieser ein Verhältnis innerer Nähe entsteht, weil erfahrbar wird, dass sie mit liebgewonnenen Gewohnheiten harmoniert und die vertrauten Möbel gut zur Geltung kommen. Parameter des animativen Potentials sind bezüglich der Architektur die Ausrichtung der Fenster, Höhe und Zuschnitt der Räume, das Vorhandensein eines Balkons oder eines Gartens sowie Geschäfte und andere soziale und kulturelle Angebote im nahen Umfeld. Möglichkeiten zum Ausweiten des als vertraut empfundenen Nahfelds wie Rad- oder Wanderwege bieten positive Anregungen zur weiteren qualitativen Bereicherung der introvertierten Tendenz und Erneuerung von Zufriedenheit an.

Zum Kriterium der »Leichtigkeit« bezüglich der introvertierten Tendenz

Bezogen auf die introvertierte Tendenz qualifiziert das Kriterium der Leichtigkeit den emotionalen Subprozess innerer Erfüllung. Die Dimensionen der inneren Welt sind in Phasen, in denen der Subprozess der Erfüllung dominiert, mit Gedanken und Anschauungen gefüllt zu sein, die sich wie von selbst zu einer ungezwungenen Ganzheit von tiefen und oberflächlichen, vergangenen und künftigen Erfahrungen verbinden. Erfahrungen von Leichtigkeit begünstigen das Entstehen eines positiven, das eigene Ich bejahenden Selbstgefühls. Sie sind eine wichtige Voraussetzung zur bewussten Genussfähigkeit von Lebensqualität. Zudem fördert innere Leichtigkeit zwangloses, ehrliches zwischenmenschliches Aufeinanderzugehen. Das animative Potential von Design sollte die Erfahrung von Leichtigkeit durch die Verwendung von bekannten, angenehm empfundenen, der mentalen Einstellung entsprechenden ästhetischen Mitteln anregen und sparsam mit irritierenden oder beängstigend wirkenden Reizen umgehen.

Beispiel für das animative Potential von Design

Wenn Menschen sogar ihren kleinen privaten Lebenskontext nicht mehr als ihrer inneren Wirklichkeit zugehörig verstehen und selber beherrschen können, fehlt dem Gefühl von Leichtigkeit die Basis. Es stellt sich selten ein. Was als gemütlich oder heimelig empfunden wird, kann im Detail sehr unterschiedlich aussehen und von sozialen Konventionen beeinflusst sein (vgl. Becker, 1988). Ob das Sofa im geblümten Stoff mit passenden Kissen oder ein Ledersofa mit verchromtem Gestell, eine rustikale Eckbank oder ein Glastisch mit Freischwingern, die Ecke mit Familienfotos oder die Vitrine mit exklusiven Sammlerstücken, jeder sollte sich ungeachtet aller Repräsentationsabsichten in seiner Wohnung intuitiv wohl und innerlich frei fühlen können. Das Angebot an Einrichtungsgegenständen muss daher neben den Objekten, die zur repräsentativen Ausstattung gehören immer auch alltägliche oder einem speziellen Geschmack entsprechende, Erinnerungen tradierende oder eine aktuelle persönliche Veränderung ausdrückende Objekte umfassen. Gerade hinsichtlich der Gestaltung und Einschätzung solch alltäglicher Designaufgaben beweist sich das Selbstverständnis von Design als Dienstleistung durch entsprechend vorsichtigen Einsatz von gestalterischen Ideen und rücksichtsvollem Einbezug der ästhetischen Erwartungen von Nutzern.

Auch die Einrichtung eines Cafés oder eines Pausenraums kann das Aufkommen von Leichtigkeit begünstigen, wenn der Besucher in dem Ambiente zu Ruhe und Gefasstheit kommen und innerlich unbeschwert den Abstand zur Arbeit genießen kann. Allzu modisches Design von Cafés wirkt auf Menschen, die nicht jeden neuen Trend verinnerlichen, bezüglich der introvertierten Tendenz nach kurzfristigem Rückzug, regenerativem Genuss und innerlich aufatmender Leichtigkeit abschreckend und irritierend. So fühlen sich oft die Stammkunden von Lokalen und Cafés nach deren uneinfühlsamer Renovierung dort nicht mehr wohl und heimisch. Firmeninterne Pausenräume sollten eine deutlich zu unterscheidende Ästhetik zur restlichen Firmeneinrichtung aufweisen, um ihre Funktion als regenerative Oasen für Körper und Seele zu erfüllen.