Belohnung > Zum Kriterium der »Vorhersehbarkeit« bezüglich der hierarchischen Struktur

Der Subprozess der Belohnung im Teilprozess der Partizipation lässt sich bezüglich einem sozialen System mit hierarchischer Struktur, unabhängig von dem erreichbaren Niveau, durch das Kriterium der Vorhersehbarkeit und die damit verknüpfte persönliche Sicherheit für die Zukunft umreißen. Anstelle sich selbst ein Urteil bilden zu müssen, schließt man sich dem durch das System legitimierten Urteil der Fachleute oder einer anderen einmal ausgewählten Instanz an. Beispielsweise einem bestimmten Fernsehsender, dessen Berichte für glaubhafter gehalten werden, als diejenigen anderer Sender oder einer Marke, deren exklusive Club-Artikel nur für Mitglieder erhältlich sind oder einer Versandfirma wie Manufaktum, welche die schönen Dinge, die es noch gibt, laut ihrem Slogan ausfindig gemacht hat und ausgewählten Interessenten anbietet.

Mit der hierarchischen Struktur sind pyramidenförmige, klar geordnete Vorstellungsbilder zu verbinden. Hierzu passt auch die Zentralperspektive, die dem Betrachter einen Punkt zuweist, von dem aus alle Bildelemente oder auch Gebäude, wie in der Stadtplanung, in der richtigen Anordnung zu sehen sind. Unter anderem brach der Kubismus diese zwingende Sehweise und die mit ihr verbundene Denkweise auf und zeigte Objekte gleichzeitig von mehreren Seiten. Diese Vielseitigkeit kann sowohl die visuelle ästhetische Empfindung, als auch das geordnete Denken verwirren, da die gewohnheitsmäßig erwarteten und vorhersehbaren Fixpunkte nicht aufzufinden sind.

Das distinktive Potential von Design bietet demjenigen, der sich an der hierarchischen Struktur orientiert, Fixpunkte an, entspricht damit dem Kriterium der Vorhersehbarkeit und löst die mit der Orientierung an der hierarchischen Struktur verbundene Belohnungserwartung somit ein. Störende, den vorhersehbaren Gang der Dinge womöglich durchkreuzende Ereignisse werden ausgesondert.

Beispiel für das distinktive Potential von Design

Ästhetische Kriterien des Bildungsbürgertums leiten sich nicht von gewachsenen Gewohnheiten, individuellen Vorlieben oder der spezifischen Wahrnehmungsfähigkeit wie synästhetischen Erfahrungen ab. Sie sind vielmehr erlernt und folgen der legitimierenden Kritik von Fachleuten, nicht dem persönlichen Urteil. Ästhetisches, exklusiv verstanden als das Schöne, erscheint deshalb objektiv ohne persönliches Zutun zu bestehen.

Abweichende, nicht dem Kriterium der Vorhersehbarkeit entsprechende oder dem einmal gewählten und legitimierten Kanon folgende Meinungen oder ästhetische Ausdrucksformen werden aussortiert, beziehungsweise als »visuelle Umweltverschmutzung« diskriminiert. So wird kollektives, aus dem sozialen Zusammenhang gewachsenes Design wie Weihnachtschmuck oder Ohrensessel dem Kitsch zugeordnet; Design mit dominantem partizipativen Potential wie ein umgebautes Auto oder selbst gestaltete Kleidung wird als kurzlebige, modische Selbstdarstellung abgelehnt.

Ohne inhaltliche Wertungen, die über visuelle Ordnungskriterien hinausgehen, kommt diese Aufräumaktion nicht aus. Deshalb wird aussortiert, was der jeweiligen Zielvorgabe des Systems nicht entspricht und verstärkt, was durch diese legitimiert ist. Reliefmuster auf Kunststoffgehäusen gelten dann beispielsweise als modischer Zierrat, an der restaurierten Stuckdecke sind sie jedoch ästhetisch reizvoll. Kunst am Bau ist als ästhetisch wertvoll anerkannt. Dagegen erfüllen Graffitiungeachtet ihrer Ausführung nicht das Kriterium der Vorhersehbarkeit und werden als Schmutz eingestuft. Eine solcherart verkürzt verstandene Reinigung der Umwelt von visueller Verschmutzung soll nicht nur unerwünschte ästhetische Ausdruckselemente, welche nicht zu der Zielvorgabe eines hierarchisch strukturierten Systems passen, beseitigen, sondern gleichzeitig die dahinterstehenden Absichten und alternativen ästhetischen Erfahrungen zum Verstummen bringen.