Anforderung > Zum Kriterium der »Selbstverantwortlichkeit« bezüglich der polyvalenten Struktur

Die Partizipation bezüglich der polyvalenten Struktur wird nicht durch zu starke Beteiligungsvorgaben erschwert. Das heißt aber nicht, dass beliebige Kommunikationsbeiträge eingebracht werden können. Jeder soziale Akteur muss selbstverantwortlich zu seinen Beiträgen stehen. Der Einfluss auf die Erfahrung bezüglich dem Subprozess der Anforderung kann daher durch das Kriterium der Selbstverantwortlichkeit erfasst werden. Dieses Kriterium schränkt die offenen Perspektiven des polyvalenten Strukturtyps, die durch die bisher vorgestellten Kriterien wie Vielfältigkeit, Flexibilität und Alternativenbildbarkeit gegeben ist, wesentlich ein. Insbesondere solche Beiträge, die ein großes Risiko beinhalten, werden in Anbetracht der Selbstverantwortlichkeit nur nach reiflicher Prüfung eingebracht.

Der partizipierende Akteur erhält bezüglich der polyvalenten Struktur die echte Chance, die zukünftigen Entwicklungsziele der Struktur aktiv mitzugestalten. Im Unterschied zu den beiden anderen Strukturen, die ihre Perspektiven langfristig in eine Hauptrichtung kanalisiert haben, sei diese durch die Orientierung an einer Zielvorgabe mit zugehöriger Niveaudifferenz oder die schicksalsergebene Hoffnung auf harmonische Ganzheitlichkeit gegeben, bevor der individuelle Akteur mitentscheiden kann, ist die polyvalente Struktur offen für alternative Entwicklungsperspektiven. Diese Chance ist mit der Anforderung der Selbstverantwortlichkeit verknüpft.

Das Kriterium der Selbstverantwortlichkeit kann durch das partizipative Potential von Design in Form von zurückhaltendem Vorgehen bei der Einrichtung von Verboten oder Regulierungsmaßnahmen unterstützt werden. So ist es in der Verkehrsplanung oft effektiver, an belebten Kreuzungen mit gleichermaßen stark frequentierten Fahrbahnen einen Kreisverkehr anstelle einer Ampelanlage einzurichten und die Fahrer zum aufmerksamen und selbstverantwortlichen Fahren anzuregen.

Beispiel für das partizipative Potential von Design

Viele Menschen sind von der prinzipiellen Möglichkeit der Partizipation an verschiedensten Ereignissen und dem freien Meinungsaustausch, die das Internet bietet, begeistert. Eine Botschaft im Netz kann neue Kommunikation initiieren. Es liegt in der Verantwortung der Nutzer, welche Themen sie anbieten und wie intensiv sie sich beteiligen. Nach dem Modell einer integrativen Struktur im Netz wäre zu vermuten, dass tabuisierte Themen gar nicht auftauchen oder nur sehr geringes Interesse finden. Mit der Installation einer hierarchischen Struktur würden unpassende Themen sofort durch Verbote ausgegrenzt, bevor sie noch eine gewisse Verbreitung entwickeln könnten. Nach dem Vorbild der polyvalenten Struktur im Netz wird auf selbstregulierende Effekte durch die verantwortliche Nutzung vertraut. Das heißt, nach anfänglich großem, neugierigen Interesse flaut die Nachfrage an anstößigen Themen ab, weil die Nutzer durch eigenständige Überlegungen, ohne Restriktionen, Verantwortungsgefühl entwickeln und das Anwählen solcher Websites meiden. Das in den USA ausgesprochene, kurzzeitige Verbot von pornografischen Mitteilungen im Internet wurde im Juni 1996 wieder zurückgenommen, denn durch dieses Verbot war auch der Austausch von medizinischen Informationen erschwert worden. Bereits entwickelte Programme zur Filterung des Netzes nach anstößigen Inhalten werden inzwischen auch von der chinesischen Regierung eingesetzt, um das Zustandekommen politisch unliebsamer Diskussionsforen auszuschließen.