Begegnung > Zum Kriterium der »Konkurrenz« bezüglich der hierarchischen Struktur

Bezüglich der hierarchischen Struktur sind die Wertprinzipien durch die Zielvorgabe und die zugehörige Niveaudifferenz bestimmt. Jeder an dieser Struktur orientierte möchte eine Position innerhalb der Hierarchie ergattern, halten oder verbessern und ist ständig mit den anderen Beteiligten im Wettbewerb. Andere Menschen werden danach eingeteilt, ob sie dieses konkurrierende Streben unterstützen oder behindern. Deshalb leitet nicht die fast naive, aufgeschlossene Vorbehaltlosigkeit wie bezüglich der integrativen Struktur, noch die achtungsvolle Toleranz oder das neugierige Interesse am Fremdartigen des anderen, wie hinsichtlich der polyvalenten Struktur, das zwischenmenschliche Verhalten. Vielmehr ist die soziale Grundeinstellung durch andauernde Konkurrenz geprägt.

Auch die Designdisziplinen sind oft noch hierarchisch strukturiert. Deshalb nutzen Designer das distinktive Potential von Design ebenfalls, bezüglich der disziplinären Diskussion und ihrer öffentlichen Selbstdarstellung. Sie begünstigen dadurch das Entstehen einer mitmenschlichen Konkurrenz die über den direkten beruflichen Wettbewerb hinausgeht. Das Konkurrieren um bessere Leistungen kann dazu beitragen, die Qualität einer Disziplin zu stärken. Gerade im Designbereich ist jedoch auf Dauer keine einheitliche Messlatte für Qualität festsetzbar, ohne dogmatisch auf deren Richtigkeit zu beharren und alle Vertreter alternativer Ansätze als Konkurrenten zu besiegen. Mit dem beruflichen Selbstverständnis der Designer, die im Interesse von anderen Menschen Konzepte entwickeln sollten, ist dieses Konkurrenzverhalten im Grunde nicht zu vereinbaren. Trotzdem orientieren sich auch viele Designer bevorzugt an der hierarchischen Struktur, die für sie nur zwei Möglichkeiten offen zu lassen scheint. Entweder gelingt es, eine Spitzenposition zu erlangen oder der Versuch scheitert und es bleibt nur der Platz im unteren Teil der Pyramide übrig. Erfolgreichere Kollegen stempeln den Betroffenen rasch als bloßen Erfüllungsgehilfen seiner wenig renommierten Auftraggeber ab. Diese konstruierte Polarität degradiert die Mehrzahl der Designer, die ihren Beruf als alltagsbezogene Dienstleistung verstehen und überhöht die Genialität und den tatsächlichen Leistungsvorsprung der wirtschaftlich Erfolgreichen.

Das Kriterium der Konkurrenz kann auch positiv zur Steigerung der Leistungsbereitschaft gewertet werden und es kann Spaß machen, sich im fachlichen Wettbewerb zu messen. Je nach Zielvorgabe belebt die Konkurrenz dann die mitmenschliche Kooperation. Gewinner und Verlierer sollten in diesem Fall nicht gegeneinander ausgespielt werden und der Wettbewerb sollte vielfältige Anlässe für Konkurrenz zulassen sowie unterschiedliche Leistungen belohnen, damit nicht immer die gleichen profitieren. Die Unterstützung der Konkurrenz im kooperativen Zusammenleben durch distinktives Design bleibt jedoch fragwürdig, da sie zur Fundamentierung von Machtverhältnissen missbraucht werden kann.

Beispiel für das distinktive Potential von Design

Konkurrenzverhalten kann bereits bei Kindern gefördert oder abgemildert werden. Beispielsweise schätzen Kinder einander an der Kleidung ein. Schnell erkennen sie, wessen Eltern es sich nicht leisten können, ihr Kind mit den richtigen Labeln auszustatten. Manche Eltern unterstützen zusätzlich durch markenbewussten Konsum dieses konkurrierende Verhalten, das dem Aufbau echter Freundschaften und dem gemeinsamen Lernen im Wege steht. Deshalb gibt es Überlegungen, das distinktive Potential der Kleidung in der Schule zu minimieren und eine einheitliche Schulkleidung einzuführen.

Dem Verlangen mancher Menschen, über den Tod hinaus mit den anderen zu konkurrieren, gibt das distinktive Potential vieler Grabstätten Ausdruck. Hier wird edler Marmor überdimensional verbaut. Auch die Familienmitglieder hochrangiger Persönlichkeiten geben ihre Trauer, die in ihrer Tiefe sicher vergleichbar mit derjenigen von Normalbürgern ist, gerne durch die Größe und Vielzahl der Todesanzeigen sowie der Schaltung in wichtigen Zeitungen kund.

Unterstützung > Zum Kriterium der »Reserviertheit« bezüglich der hierarchischen Struktur

Hinsichtlich der hierarchischen Organisationsstruktur wird der kooperative Subprozeß der Unterstützung möglichst offiziell geregelt. Verläßlichkeit, die über das rollengemäße Verhalten hinaus geht, ist selten anzutreffen. Man begegnet einander mit Reserviertheit, möchte nicht in die Probleme eines anderen Menschen hineingezogen werden und dadurch möglicherweise die erreichte Position gefährden. In unternehmerischen, wissenschaftlichen oder sportlichen Bereichen, die große Leistungsfähigkeit verlangen, entsteht selten wirkliche Verlässlichkeit als vielmehr Reserviertheit zwischen den Beteiligten. Am Misslingen des Teamspiels einer Fußballmannschaft, deren Spieler jeweils ihre eigene Leistung gut präsentieren und ihren Marktwert steigern wollen, wird die zwischenmenschliche Reserviertheit zueinander offensichtlich. Diese mangelnde Verlässlichkeit in der Kooperation gefährdet wiederum den Bestand eines hierarchischen Systems. Die Beteiligten geraten in ein Dilemma, weil gleichzeitig Leistungswettbewerb gegeneinander und Verlässlichkeit füreinander gefordert wird.

Allerdings ist dieses Verhaltensschema nicht auf außergewöhnliche Situationen übertragbar. Beispielsweise kann sowohl eine gemeinsam erlebte Gefahr als auch ein besonderes öffentliches Ereignis dazu beitragen, für einen Moment lang alle durch die Orientierung an einem Strukturtyp gegebenen zwischenmenschlichen Schranken vergessen zu machen. Dies zeigte beispielsweise die spontane Welle der Hilfsbereitschaft nach dem Zugunglück in Eschede 1998 oder ein Jahr zuvor anlässlich der Überschwemmungskatastrophe an der Oder.

Das dem Kriterium der Reserviertheit entsprechende distinktive Potential von Design sollte die Abgrenzung, das Verbergen oder auch das Understatement in der mitmenschlichen Kooperation erleichtern.

Beispiel für das distinktive Potential von Design

Zu Beginn der neunziger Jahre wurde allgemein ein Trend zur Bescheidenheit deklariert. Diese demonstrative Bescheidenheit eignet sich besonders gut als vorgeschobenes Argument, um von der Reserviertheit der Wohlhabenden gegenüber den in der Leistungsgesellschaft weniger erfolgreichen Menschen abzulenken. Anstelle diesen zu helfen, sie in irgendeiner Form am Wohlstand teilhaben zu lassen wie noch in den achtziger Jahren deren Zeitstimmung durch eine unbedarfte, teils dekadente Lust am Luxus gekennzeichnet war, zeigen Gutsituierte nun Bescheidenheit im öffentlichen Auftreten, damit der Unterschied zwischen ihrer Kaufkraft gegenüber der Mehrheit der Bevölkerung weniger auffällt. Wie an der gehobenen Preisgestaltung solch bescheiden wirkender Produkte abzulesen ist, basiert dieses Verhalten nicht auf dem Versuch, Solidarität zu üben. Er kaschiert lediglich die vorsichtige Reserviertheit gegenüber den Menschen unterhalb dem erreichten Niveau. Durch entsprechend unauffälliges, nur für den Kenner im Preis einzuschätzendes Design, wird dem Kriterium der Reserviertheit entsprochen. Zudem wirkt solch puristisches Design wenig verlockend und ist oft auch nicht sehr funktional oder komfortabel, was unerwünschte Interessenten abschreckt und mit dazu beiträgt, dass zahlungskräftige Kenner unter sich bleiben.

Verbindung > Zum Kriterium der »Distanziertheit« bezüglich der hierarchischen Struktur

An Systemen mit hierarchischer Struktur kann nur derjenige partizipieren, der sich in seine Rolle fügt und ständig Leistungsfähigkeit demonstriert. Die Vorhersehbarkeit seines Aufstiegs und die Entlastung von Eigenverantwortung durch die Vorgaben des Systems belohnt in gewisser Weise diese Anstrengungen. Die Orientierung an der hierarchischen Struktur aufzugeben, bedeutet, diese Vorteile der Sicherheit für die Zukunft und der Abgabe von Verantwortung zu verlieren. An der hierarchischen Struktur Orientierte, beziehen auch ihre persönliche Stärke aus der Beteiligung an dem sozialen System. Sie wissen, dass sie ab einem bestimmten Punkt ihre durch das System gegebenen Privilegien teilen müssten, falls die Zahl der Beteiligten zu groß würde. Deshalb ist ihre kooperative Verbundenheit durch eine vorsichtige Distanziertheit geprägt. Jeder möchte seine erreichte Position sowohl gegenüber anderen Beteiligten, als auch gegenüber eventuell neu Hinzukommenden halten und verbessern.

Durch diese Distanziertheit, die beispielsweise im Zurückhalten wichtiger Informationen und mangelnder Kooperation im Arbeitsprozess offensichtlich werden kann, leisten die Beteiligten indirekt einer zunehmenden Erstarrung des Systems Vorschub. Im Interesse des Erhalts eines hierarchischen Systems muss solch eigennützigen Bestrebungen mancher Beteiligter wiederum von anderen entgegengewirkt werden.

Von dem distinktiven Potential von Design wird bezüglich dem Kriterium der Distanziertheit erwartet, dass es Angebote bereit hält, welche geeignet sind, dem Distanzgefühl gegenüber anderen, nicht dem eigenen Niveau entsprechenden oder als Konkurrenten empfundenen Mitbeteiligten Ausdruck zu geben.

Beispiel für das distinktive Potential von Design

Kulturelle Eliten schotten sich gegen zu großes Interesse, zu viel Verständnis oder Zustimmung ab. Sie begegnen einem Künstler, der schnell ein breites Publikum gewinnt mit Vorsicht und gestehen seinen Werken, die ja den vermeintlich niedrigen Massengeschmack treffen, keine hohe Qualität zu. Kennerschaft bezüglich elitärer Kunstformen wie Theater oder Oper wird generell höher eingestuft als hinsichtlich Film oder Musical. Designobjekte mit vormals distinktivem Potential, die sich zu sehr im Alltag verbreiten und der Masse zugänglich sind, gelten beinahe als entweiht. So zeigen sich wichtige Geschäftsleute nicht mehr mit ihren Handys, seitdem diese eine weite Verbreitung gefunden haben.

Eliten steigern ihren Status und den behaupteten Wissensvorsprung durch Distanzierung im Vergleich zu den Außen- oder Untenstehenden oder pauschal gegenüber der sogenannten Masse. Mit Bezug auf John Carey wäre die provokante These aufzustellen, dass viele Vertreter der modernen Literatur die Kultur nur deswegen zum höchsten Gut erhoben haben, um den Geistesadel durch das Kriterium der Distanziertheit und das entsprechende distinktive Potential von Design vom Normalsterblichen abzuheben (vgl. Carey, 1996). Kultur verdient dann nur dasjenige genannt zu werden, was einer hohen Stufe des distinktiven Potentials von Design entspricht.

Auch bezogen auf Design als soziales System mit hierarchischer Struktur ist ein ähnlicher Hang zur Distanzierung und zur Ausbildung eines ästhetischen »Insidertums« festzustellen. Etablierte Designer tragen entgegen besserem Wissen dazu bei, den Mythos ihrer Genialität und besonderen Stellung innerhalb der disziplinären Hierarchie gegenseitig aufzuschaukeln und bedienen sich gleichzeitig im Ideenpool des Nachwuchses. Indem diese aufgebauschte Hierarchie Akzeptanz findet weil es genügend Designinteressierte gibt, die auch gerne zu den »erfolgreichen Kreativen« gehören würden, wird sie weiter gestärkt und erzeugt innerhalb dem gesättigten Markt bereits eine spezielle Zielgruppe, die sich von Design für Designer angesprochen fühlt.

Belohnung > Zum Kriterium der »Vorhersehbarkeit« bezüglich der hierarchischen Struktur

Der Subprozess der Belohnung im Teilprozess der Partizipation lässt sich bezüglich einem sozialen System mit hierarchischer Struktur, unabhängig von dem erreichbaren Niveau, durch das Kriterium der Vorhersehbarkeit und die damit verknüpfte persönliche Sicherheit für die Zukunft umreißen. Anstelle sich selbst ein Urteil bilden zu müssen, schließt man sich dem durch das System legitimierten Urteil der Fachleute oder einer anderen einmal ausgewählten Instanz an. Beispielsweise einem bestimmten Fernsehsender, dessen Berichte für glaubhafter gehalten werden, als diejenigen anderer Sender oder einer Marke, deren exklusive Club-Artikel nur für Mitglieder erhältlich sind oder einer Versandfirma wie Manufaktum, welche die schönen Dinge, die es noch gibt, laut ihrem Slogan ausfindig gemacht hat und ausgewählten Interessenten anbietet.

Mit der hierarchischen Struktur sind pyramidenförmige, klar geordnete Vorstellungsbilder zu verbinden. Hierzu passt auch die Zentralperspektive, die dem Betrachter einen Punkt zuweist, von dem aus alle Bildelemente oder auch Gebäude, wie in der Stadtplanung, in der richtigen Anordnung zu sehen sind. Unter anderem brach der Kubismus diese zwingende Sehweise und die mit ihr verbundene Denkweise auf und zeigte Objekte gleichzeitig von mehreren Seiten. Diese Vielseitigkeit kann sowohl die visuelle ästhetische Empfindung, als auch das geordnete Denken verwirren, da die gewohnheitsmäßig erwarteten und vorhersehbaren Fixpunkte nicht aufzufinden sind.

Das distinktive Potential von Design bietet demjenigen, der sich an der hierarchischen Struktur orientiert, Fixpunkte an, entspricht damit dem Kriterium der Vorhersehbarkeit und löst die mit der Orientierung an der hierarchischen Struktur verbundene Belohnungserwartung somit ein. Störende, den vorhersehbaren Gang der Dinge womöglich durchkreuzende Ereignisse werden ausgesondert.

Beispiel für das distinktive Potential von Design

Ästhetische Kriterien des Bildungsbürgertums leiten sich nicht von gewachsenen Gewohnheiten, individuellen Vorlieben oder der spezifischen Wahrnehmungsfähigkeit wie synästhetischen Erfahrungen ab. Sie sind vielmehr erlernt und folgen der legitimierenden Kritik von Fachleuten, nicht dem persönlichen Urteil. Ästhetisches, exklusiv verstanden als das Schöne, erscheint deshalb objektiv ohne persönliches Zutun zu bestehen.

Abweichende, nicht dem Kriterium der Vorhersehbarkeit entsprechende oder dem einmal gewählten und legitimierten Kanon folgende Meinungen oder ästhetische Ausdrucksformen werden aussortiert, beziehungsweise als »visuelle Umweltverschmutzung« diskriminiert. So wird kollektives, aus dem sozialen Zusammenhang gewachsenes Design wie Weihnachtschmuck oder Ohrensessel dem Kitsch zugeordnet; Design mit dominantem partizipativen Potential wie ein umgebautes Auto oder selbst gestaltete Kleidung wird als kurzlebige, modische Selbstdarstellung abgelehnt.

Ohne inhaltliche Wertungen, die über visuelle Ordnungskriterien hinausgehen, kommt diese Aufräumaktion nicht aus. Deshalb wird aussortiert, was der jeweiligen Zielvorgabe des Systems nicht entspricht und verstärkt, was durch diese legitimiert ist. Reliefmuster auf Kunststoffgehäusen gelten dann beispielsweise als modischer Zierrat, an der restaurierten Stuckdecke sind sie jedoch ästhetisch reizvoll. Kunst am Bau ist als ästhetisch wertvoll anerkannt. Dagegen erfüllen Graffitiungeachtet ihrer Ausführung nicht das Kriterium der Vorhersehbarkeit und werden als Schmutz eingestuft. Eine solcherart verkürzt verstandene Reinigung der Umwelt von visueller Verschmutzung soll nicht nur unerwünschte ästhetische Ausdruckselemente, welche nicht zu der Zielvorgabe eines hierarchisch strukturierten Systems passen, beseitigen, sondern gleichzeitig die dahinterstehenden Absichten und alternativen ästhetischen Erfahrungen zum Verstummen bringen.

Anforderung > Zum Kriterium der »Leistungsfähigkeit« bezüglich der hierarchischen Struktur

Für einen an der hierarchischen Struktur orientierten sozialen Akteur hat der Teilprozess der Konvention die höchste Bedeutung. Der Prozess der Partizipation wie auch dessen zugehörige Subprozesse und Kriterien dient der Pflege und Optimierung der Konvention. Gefordert wird deshalb eine disziplinierte Leistungsbereitschaft und deren konkrete Umsetzung in eine leistungsfähige Erfüllung der anstehenden Aufgaben. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Beteiligung auf unteren Niveaustufen wie auch in Spitzenpositionen. Die Beteiligten müssen daher im Subprozess der Anforderung ständig ihre Leistungsfähigkeit aufrechterhalten, sie ausbauen und unter Beweis stellen.

Vom distinktiven Potential von Design wird zur Unterstützung des Kriteriums der Leistungsfähigkeit erwartet, dass es einerseits entsprechende, abgestufte Hilfestellungen bereit hält. Andererseits sollte das distinktive Potential von Design Gelegenheiten zur Demonstration der Leistungsfähigkeit und somit eine positive Erfahrung während dem Subprozess der Anforderung für diejenigen anbieten, die die geforderte Leistung erbringen können.

Beispiel für das distinktive Potential von Design

Das distinktive Potential von Design kann durch Rangabzeichen oder einen Titel, der die Leistungsfähigkeit seines Trägers repräsentiert, konkretisiert sein. Bereits Niccolò Machiavelli (1469­1527) empfahl einem politischen Führer seine Berater durch die Verteilung von Titeln zu belohnen und dadurch an sich zu binden. Doch hinsichtlich der Mitwirkung an einer hierarchischen Struktur geht es nicht nur um Repräsentation, sondern auch um die tatkräftige Einlösung der Leistungsfähigkeit. Diese wird durch Prüfungen oder in Firmen durch Erhöhung der Zielvorgaben wie Umsatzsteigerung oder Verkürzung der Entwicklungszeiten usw., immer aus Neue eingefordert. In hierarchisch strukturierten Organisationen ist die Verteilung von Belobigungen, sei es in Form einer Urkunde, einer Erwähnung in der Hauszeitung oder durch die Übertragung von Vorrechten wie einem besonderen Parkplatz ein wichtiges internes Führungsmittel, das dem distinktiven Potential von Design zugehört.

Allerdings enthält die Gestaltung des distinktiven Potentials von Design hinsichtlich dem Kriterium der Leistungsfähigkeit einigen Spielraum, denn die Anforderungen können durchschaubar oder undurchsichtig, schwer oder einfach erfüllbar sein. Oft ist es weniger wichtig innerhalb des hierarchisch strukturierten Systems die Leistungsfähigkeit eines Beteiligten zu überprüfen, als vielmehr nach außen hin zu demonstrieren, welch schwere Anforderungen für die Mitwirkung an dem System zu erfüllen sind, um dessen besondere Stellung sowie die der Beteiligten in Relation zu anderen sozialen Systemen zu sichern. So dient die Verwendung von Latein im Medizinsektor teilweise dazu, gegenüber den meist dieser Sprache unkundigen Patienten, die tatsächlichen Wissensanforderungen der Ärzte zu verschleiern und zu überhöhen. Ebenso verwenden Betriebswirtschaftler, Marketing- und Unternehmensberater zunehmend Anglizismen, um Kunden zu beeindrucken. Hier wird Sprachdesign betrieben um ein distinktives Potential auszudrücken.

Zielsetzung > Zum Kriterium der »Optimierbarkeit« bezüglich der hierarchischen Struktur

Der Subprozess der Zielsetzung ist bezüglich der gesamten Selbstdefinition eines sozialen Systems mit hierarchischer Struktur entscheidend. Anders als hinsichtlich der integrativen Struktur, wo alle an ihr Orientierten zwanglos und selbstverständlich der gegebenen Zielrichtung zuarbeiten, muss die Zielvorgabe bezüglich der hierarchischen Struktur immer wieder gegen Anfechtungen verteidigt und abgesichert werden. Langfristig geschieht dies, indem die Organisation des sozialen Systems und die Ergebnisse der produktiven Tätigkeit zunehmend optimiert werden. Ist Ökonomie ein Ideal, dann steht auch bezüglich Ergonomie oder Technologie usw. nur die Gewinnmaximierung im Vordergrund. Ist Produktivität ein Ideal wird diese optimiert. Analoges gilt für Ergonomie oder Technologie usw.

Dem Kriterium der Optimierbarkeit entspricht das distinktive Potential von Design durch ästhetische Mittel, die zunehmend explizit benennbar, nach perfektionierten Regeln geordnet und nach präziseren Vorgaben ausgeführt werden. Der Einzelfall, die Gestaltungsidee oder ein Nutzerbedürfnis bleiben dem optimierten, das Ideal der hierarchischen Struktur essentiell repräsentierenden Gestaltungskanon untergeordnet.

Beispiel für das distinktive Potential von Design

Die Deutsche Industrienorm, kurz DIN, legt detailliert fest, welchen Kriterien, inklusive ästhetischer Vorgaben, ein Produkt entsprechen muss Solange diese Normierung im Sinne einer Garantie für die Einhaltung eines minimalen Standards bei der Produktion verstanden wird, setzt sie nur weiterentwickelbare Rahmenbedingungen fest (vgl. Kapitel 5.3.3). Wenn die Normierung aber als ein qualitatives Gütesiegel fungieren soll, dann wird sie zunehmend zum optimal zu erfüllenden Ideal. In einigen Bereichen ist die Optimierung der Normen schon so weit fortgeschritten, dass diese sich verselbständigt haben und nur noch dem Profit und der Monopolstellung derjenigen Firmen dienen, die sie perfekt einhalten können. So ist es nicht sinnvoll, Arbeitsplätze für behinderte Menschen streng nach DIN Vorschriften zu gestalten, denn die Behinderungen sind zu individuell, um über den Minimalstandard hinausgehend vorab komplett erfasst und genormt zu werden. Die Optimierung der Normen sollte für alle Nutzungsbereiche vorsichtig gehandhabt werden. Wie die europäische Normendiskussion zeigt, bestehen regional sehr verschiedene Gewohnheiten und Ansichten zu den Sollmaßen von Betten und passendem Zubehör.

Dem Kriterium der Optimierbarkeit entspricht auch das Bestreben der Autoindustrie, zunehmend Telekommunikations- und Computertechnik in die Fahrzeuge einzubauen. Ohne den Sinn von Fernsehgeräten oder Internetanschlüssen usw. zur Bedienung durch den Fahrer zu hinterfragen, werden einfach alle Möglichkeiten ausgereizt. Ziel ist es, den hohen technischen Level einer Firma zu demonstrieren und den Kunden davon zu überzeugen, dass der Erwerb eines solchen Wagens auch der Entwicklung und Optimierung seines Lebens Ausdruck gibt und den bereits erreichten Status steigert.

Wandlung > Zum Kriterium der »Steuerbarkeit« bezüglich der hierarchischen Struktur

Anders als in der integrativen Struktur folgt die Verhaltensorientierung bezogen auf die hierarchische Struktur expliziten Vorgaben und Regeln. Diese dienen in erster Linie der sicheren Erhaltung der Zielvorgabe und dem Kriterium der Niveaudifferenzierbarkeit. Veränderungsversuche oder Experimente werden als Störfaktoren ausgeschaltet. Die an der hierarchischen Struktur orientierte kommunikative Dimension der ästhetischen Erfahrung ist von dem Bemühen um die Stabilität der Struktur geprägt. Weil die Kommunikationsbeiträge in ständiger Dynamik prozessieren, muss einem zu raschen Wandel, der in eine nicht gewünschte Richtung laufen könnte, durch andauernde Regulierung gegengesteuert werden. Während das kollektive Design die fatalistische Verhaltensorientierung mithilfe unreflektierter Gewohnheit unterstützt, lenkt das distinktive Design die regulative, bewahrende und sichernde Verhaltensorientierung durch bewusst vollzogene Wiederholungen und Bestätigungen. Es erzeugt durch klare Vorgaben an jeder Stelle der Hierarchie ein rational begründbares Überzeugungsgefühl von Richtigkeit und Sicherheit hinsichtlich Handlungsentscheidungen.

Das Kriterium der Steuerbarkeit, ist auf die Bewahrung und Sicherung des erreichten Ist-Zustands angelegt. Das distinktive Potential von Design kann diesem Kriterium durch die strikte Anwendung von immer gleichen ästhetischen Mittel hinsichtlich einer Niveaustufe und durch Wiederholungen und Bestätigungen entsprechen.

Beispiel für das distinktive Potential von Design

Beispielsweise wiederholen altägyptische Inschriften endlos die Lobpreisungen der Herrscher. An der Zahl der mühsam eingemeißelten Inschriften lässt sich der Status des Herrschers ablesen. Durch den aufwendigen altägyptischen Totenkult wird der natürlichen Wandlung der hierarchischen sozialen Organisationsstruktur regulativ entgegengesteuert.

Vom distinktiven Potential dominiertes Design muss sich streng nach den maßgebenden Vorgaben richten. Deshalb gibt es keine echten Alternativen quer zu den Niveaus, sondern nur Variationen auf dem gleichen Niveau. Die Dinge ähneln, zitieren, wiederholen, bestärken sich gegenseitig und manifestieren die Beziehung zu einem bestimmten Niveau.

Die Regulierung hinsichtlich der Beständigkeit und Stimmigkeit des adäquaten Designs für ein bestimmtes Niveau erfolgt durch die Erfüllung von Erwartungen an die demonstrative Kraft des distinktiven Potentials. So gehört das ausladende Ledersofa in einen großzügig gebauten Wohnraum, der mit üppig fallenden Stoffen und bauchigen Keramikgefäßen punktuell dekoriert ist. Eine private, aus zusammengewürfelten Erinnerungsstücken gewachsene Bilderwand wirkt in diesem Ambiente kleinkariert und deplatziert Durch die festgefahrenen Erwartungen und Wahrnehmungen der Ausdrucksformen sozialer Niveaus, kann ein unpassender oder sogar lächerlicher Eindruck entstehen, wenn Produkte, die verschiedenen Niveaus zugehören, kombiniert werden. Zur Orientierungserleichterung der Kunden werden deshalb zunehmend Produktkombinationen, eine Automarke plus Parfum, Lederjacke oder Sofa, Fitnessgerät oder Kamera, Biermarke oder Kaffee usw. in der Werbung gezeigt. In dieser Sparte trägt das distinktive Design eindeutig auch zur weiteren Verfestigung sozialer Ungleichheit bei. Ähnlich wie im Mittelalter, als das kostbare Rot den Adeligen vorbehalten war, wogegen ein nicht zu intensives Blau von jedermann getragen werden durfte und daher kaum ein Adeliger sich in blauer sowie kein Arbeiter oder Bauer in roter Kleidung zeigen durfte, erscheint es heute vielen Menschen unpassend, wenn ein Arbeiter mit einem silbernen Auto der gehobenen Klasse vorfährt und der Chef mit einem unscheinbaren Kleinwagen. Allein durch die Weigerung, an dieser Art des distinktiven Potentials von Design mitzuwirken, ist nicht zu verhindern, dass sich weiterhin viele Menschen daran sowie an der zugehörigen hierarchischen Struktur mit der Zielvorgabe der Kaufkraft orientieren. Diese Regulierung zieht die prinzipiell stattfindende Wandlung wieder in die tradierten Bahnen zurück.

Einen anderen Akzent bezüglich dem Kriterium der Steuerbarkeit setzt das distinktive Potential von Design auch in eigener Sache durch die Bewahrung von einmal erreichten Standards. Anstelle weiter mit Design zu experimentieren gehen oftmals gerade die Innovatoren in einer zweiten Phase wieder auf die kanonischen Traditionen zurück und halten an der als Quereinsteiger erreichten Position innerhalb der hierarchischen Struktur fest. Eine Besinnung dieser Art mit teils regressiven Zügen ist beispielsweise in den Arbeiten von Neville Brody, Philippe Starck oder Vivienne Westwood zu beobachten, die alle nach einer Experimentierphase zu beruflichem Erfolg kamen und anschließend wieder die Wichtigkeit von stabileren Gestaltungskriterien betonten.

Wertbestimmung > Zum Kriterium der »Niveaudifferenzierbarkeit« bezüglich der hierarchischen Struktur

Während bezüglich der integrativen Struktur die Ganzheitlichkeit als Wertungsprinzip implizit die kommunikative Dimension der ästhetischen Erfahrung beeinflusst, basiert die hierarchische Struktur und die daran orientierte Kommunikation auf einem explizit definierten Wertungsprinzip, das durch unterschiedlichste Zielvorgaben konkretisiert sein kann. Einige Individuen schaffen es der expliziten Zielvorgabe näher kommen und andere entfernen sich von ihr. Die Zielvorgabe ist nicht für alle sozialen Akteure gleichermaßen erreichbar. Zudem erfordert eine der Zielvorgabe entsprechende Beteiligung spezielles Vorwissen, das nicht jeder erwerben kann. Deshalb führt diese Wertbestimmung zu einer Ungleichheit in der Kooperation der Individuen. Zum wesentlichsten Inhalt der Erfahrung wird es, die eigene Position im Vergleich zu den anderen zu bestimmen. Deshalb ist das Kriterium der Niveaudifferenzierbarkeit für Menschen, die sich primär an einer hierarchischen Struktur orientieren, so wichtig.

Im Unterschied zum Kriterium der Ganzheitlichkeit, das im Sinne der erkenntnistheoretischen Richtung des naiven Realismus ohne weitere Reflexion mit dem Glauben an ein unmittelbares Grundverständnis zwischen den Menschen und auch zwischen Mensch und Umwelt verbunden wird, erreicht das Kriterium der Niveaudifferenzierbarkeit bezüglich der hierarchischen Struktur ein höheres Abstraktionsniveau. Konkretisierungen in Form eines entsprechenden Potentials von Design sind nicht bereits im alltäglichen sozialen Miteinander wie durch das kollektive Potential von Design gegeben, sondern müssen grundsätzlich erst entwickelt werden.

Logisches Denken, präzises Befolgen von einmal formuliertem Wissen, exakter Umgang mit Handwerkszeug und ranggemäße Zuordnung des individuellen Vermögens innerhalb der Niveaudifferenz, gehören zu diesem ästhetischen Kriterium. Für jemanden, der sich auf ein bestimmtes Wertungsprinzip eingeschworen hat und seine ästhetische Erfahrung an der diesbezüglichen Perfektion aller Komponenten ausrichtet, ist es oft nicht mehr möglich auf kritische Distanz zu gehen und erstens zu bemerken, dass neben dem gewählten Wertungsprinzip noch alternative Prinzipien stehen sowie zweitens deren mögliche Gleichwertigkeit anzuerkennen. Dies gilt nicht nur hinsichtlich Werten wie dem Einkommen oder dem Bildungsstatus, sondern kann auch die nach spezifischen Zielvorgaben entstanden Niveaudifferenzierung innerhalb wissenschaftlichen Systemen beeinflussen. Die Konzentration auf eine dominante Wertbestimmung erschwert einen Paradigmenwechsel (vgl. Kuhn, 1976).

Eine an der hierarchischen Struktur orientierte ästhetische Erfahrung sucht nach Designangeboten, die dem jeweils erreichten Niveau Ausdruck geben. Das distinktive Potential von Design muss daher, um dem Kriterium der Nieveaudifferenzierbarkeit zu entsprechen, Abstufungen hinsichtlich dem repräsentativen Status wie Funktionsqualität oder handwerklicher Präzision ausdrücken.

Beispiel für das distinktive Potential von Design

Ein Merkmal des distinktiven Potentials von Design ist die niveaugerechte, spezialisierte, ohne Vorwissen nicht erschließbare Verkoppelungen von Form und Inhalt. Deshalb sind Materialien, Konstruktion und Fertigungstechniken nach expliziten Regeln anzuwenden. Kein Detail ist zufällig, jedes Gestaltungselement repräsentiert eine Bedeutung. Bezüglich dem distinktiven Potential von Design entspricht jedem ästhetischen Ausdruckselement ein bestimmter Wert auf einer gedachten Skala zur Niveaudifferenz. Insbesondere im Automobilbereich gibt es fein abgestufte Unterschiede in der Ausstattung der Typenklassen. Wie wichtig dieses distinktive Potential von Design für die Kunden ist, zeigt der Markterfolg von Accessoires, die mit dem Produkt Auto wenig zu tun haben, aber sich dessen jeweiligem Niveau und Sozialprestige zuordnen lassen. Diese Produkte geben auch einem Kunden, der sich das zugehörige Auto nicht leisten kann das Gefühl, wenigstens mit der richtigen Sonnenbrille und der aus seiner Sicht standesgemäßen Lederjacke ausgestattet zu sein.

Durch solche Zuordnungen entsteht ein Stil, der die niveaugerechte kommunikative Dimension der ästhetischen Erfahrung prägt. Solange der Zusammenhang der Ausdruckselemente mit einem Niveau durch entsprechende Kennerschaft der sozialen Akteure lebendig gehalten wird, gilt dieser Stil zwar als ästhetischer Kanon, der als Idealzustand anzustreben ist, jedoch ständig kleine Veränderungen erfährt und in der gewünschten Perfektion oft unerreichbar bleibt. Kommt es aber zu einer Absolutsetzung der Zielvorgabe, dann erstarren die kleinen Veränderungsprozesse und das Erkennen der zugehörigen Niveaudifferenz erfordert immer weniger spezifische Kennerschaft, bis schließlich ein Bruch der spezifischen Einheit von Form und Inhalt und die Mutation des lebendigen Stils zu einem inhaltsleeren Formalismus eintritt.

So wählen viele Menschen, die schnell zu Wohlstand gekommen sind, sich an der hierarchischen Struktur orientieren und ihren neuen Status durch den Erwerb teurer Produkte präsentieren wollen, nicht die wirklich wertvollen Stücke aus, sondern diejenigen, die von jedermann für solche gehalten werden. Beispielsweise ist dies am Konsumverhalten wohlhabender Bürger ehemaliger Ostblockländer zu beobachten, welche sich mit überdimensionierten Möbeln, die teils aus Spanplatten gefertigt sind, ausstatten. Ihnen fehlt zwar die erforderliche ästhetische Kennerschaft, die sie bräuchten, um von den Insidern dieses Niveaus anerkannt zu werden, dies schadet aber nicht, wenn die Deutlichkeit und leichte Erkennbarkeit des nun erreichten Niveaus für gesellschaftlich weiter unten stehende Menschen ihres Landes Priorität hat.