Begegnung > Zum Kriterium der »Toleranzfähigkeit« bezüglich der polyvalenten Struktur

Dem Individuum als Partizipant einer polyvalenten Struktur ist bewusst, dass verschiedene Wege richtig sein können, dass der in irgendeiner Weise andersartige Mensch als solcher akzeptiert und weder in einem nivellierenden Konsens verschwinden noch durch ablehnende Vorurteile ausgeschlossen oder im Wettbewerb übervorteilt werden sollte. Nicht gleichgültige, das Anderssein ignorierende oder hochmütige, die eigene Position nicht gefährdende, sondern eine achtungsvolle Toleranz ist die zur polyvalenten Struktur passende soziale Grundeinstellung. Im Subprozess der kooperativen, mitmenschlichen Begegnung ist die bedingende Wirkung auf die Erfahrung daher mit dem Kriterium der Toleranzfähigkeit zu beschreiben.

Zu dieser Toleranzfähigkeit gehört das Einüben von Argumentationsfähigkeit oder anderer nicht auf die verbale Sprache reduzierter ästhetischer Ausdrucksformen. Des weiteren ist die Fähigkeit wichtig, kontroverse und relativierende Diskussionen zu führen, die sich aus der gegenseitigen Anerkennung und differenzierten Darlegung der jeweiligen Meinungen ergeben und nicht darauf zielen, einen harmonischen Konsens zu finden, sondern die Anschlussfähigkeit im respektierenden Dissens zu erhalten.

Das partizipative Potential von Design kann dem ästhetischen Kriterium der Toleranzfähigkeit durch die Schaffung differenziert gestalteter, echte Alternativen darstellender Angebote entsprechen. Diese können die Einübung von mitmenschlicher Toleranz mittels der Anregung zur Diskussion von unterschiedlichen ästhetischen Überzeugungen fördern.

Beispiel für das partizipative Potential von Design

Ausstellungen von Designobjekten sollten keine museale Stimmung wecken, sondern die Besucher zur Auseinandersetzung über die vorgestellten Konzepte zu möglichen Wirklichkeiten anregen. Die Pflege einer differenzierten Streitkultur bezüglich Gegenständen, welche die aktuelle Gegenwart und die nahe Zukunft betreffen, sollte die abgeklärte Ergriffenheit vor etablierten Kunstwerken oder sie skeptische Bewunderung vor allzu enthusiastischen Zukunftsvisionen ablösen. Im Unterschied zum Ansatz der Moderne, der die Designer auf die Jagd nach innovativen, immer besseren Ideen trieb, folgt Design mit ausgeprägtem partizipativem Potential, welches das ästhetische Kriterium der Toleranz vermitteln will, ein Bemühen um die Diskussion von vielfältigen Interpretationen zum Leben durch ästhetische Mittel. Die aktuelle Gegenwart und die nahe Zukunft betreffen, sollte die abgeklärte Ergriffenheit vor etablierten Kunstwerken oder die skeptische Bewunderung vor allzu enthusiastischen Zukunftsvisionen ablösen. Im Unterschied zum Ansatz der Moderne, der die Designer auf die Jagd nach innovativen, immer besseren Ideen trieb, folgt für Design mit ausgeprägtem partizipativen Potential, welches das ästhetische Kriterium der Toleranz vermitteln will, ein Bemühen um die Diskussion von vielfältigen Interpretationen zum Leben durch ästhetische Mittel.

Begegnung > Zum Kriterium der »Konkurrenz« bezüglich der hierarchischen Struktur

Bezüglich der hierarchischen Struktur sind die Wertprinzipien durch die Zielvorgabe und die zugehörige Niveaudifferenz bestimmt. Jeder an dieser Struktur orientierte möchte eine Position innerhalb der Hierarchie ergattern, halten oder verbessern und ist ständig mit den anderen Beteiligten im Wettbewerb. Andere Menschen werden danach eingeteilt, ob sie dieses konkurrierende Streben unterstützen oder behindern. Deshalb leitet nicht die fast naive, aufgeschlossene Vorbehaltlosigkeit wie bezüglich der integrativen Struktur, noch die achtungsvolle Toleranz oder das neugierige Interesse am Fremdartigen des anderen, wie hinsichtlich der polyvalenten Struktur, das zwischenmenschliche Verhalten. Vielmehr ist die soziale Grundeinstellung durch andauernde Konkurrenz geprägt.

Auch die Designdisziplinen sind oft noch hierarchisch strukturiert. Deshalb nutzen Designer das distinktive Potential von Design ebenfalls, bezüglich der disziplinären Diskussion und ihrer öffentlichen Selbstdarstellung. Sie begünstigen dadurch das Entstehen einer mitmenschlichen Konkurrenz die über den direkten beruflichen Wettbewerb hinausgeht. Das Konkurrieren um bessere Leistungen kann dazu beitragen, die Qualität einer Disziplin zu stärken. Gerade im Designbereich ist jedoch auf Dauer keine einheitliche Messlatte für Qualität festsetzbar, ohne dogmatisch auf deren Richtigkeit zu beharren und alle Vertreter alternativer Ansätze als Konkurrenten zu besiegen. Mit dem beruflichen Selbstverständnis der Designer, die im Interesse von anderen Menschen Konzepte entwickeln sollten, ist dieses Konkurrenzverhalten im Grunde nicht zu vereinbaren. Trotzdem orientieren sich auch viele Designer bevorzugt an der hierarchischen Struktur, die für sie nur zwei Möglichkeiten offen zu lassen scheint. Entweder gelingt es, eine Spitzenposition zu erlangen oder der Versuch scheitert und es bleibt nur der Platz im unteren Teil der Pyramide übrig. Erfolgreichere Kollegen stempeln den Betroffenen rasch als bloßen Erfüllungsgehilfen seiner wenig renommierten Auftraggeber ab. Diese konstruierte Polarität degradiert die Mehrzahl der Designer, die ihren Beruf als alltagsbezogene Dienstleistung verstehen und überhöht die Genialität und den tatsächlichen Leistungsvorsprung der wirtschaftlich Erfolgreichen.

Das Kriterium der Konkurrenz kann auch positiv zur Steigerung der Leistungsbereitschaft gewertet werden und es kann Spaß machen, sich im fachlichen Wettbewerb zu messen. Je nach Zielvorgabe belebt die Konkurrenz dann die mitmenschliche Kooperation. Gewinner und Verlierer sollten in diesem Fall nicht gegeneinander ausgespielt werden und der Wettbewerb sollte vielfältige Anlässe für Konkurrenz zulassen sowie unterschiedliche Leistungen belohnen, damit nicht immer die gleichen profitieren. Die Unterstützung der Konkurrenz im kooperativen Zusammenleben durch distinktives Design bleibt jedoch fragwürdig, da sie zur Fundamentierung von Machtverhältnissen missbraucht werden kann.

Beispiel für das distinktive Potential von Design

Konkurrenzverhalten kann bereits bei Kindern gefördert oder abgemildert werden. Beispielsweise schätzen Kinder einander an der Kleidung ein. Schnell erkennen sie, wessen Eltern es sich nicht leisten können, ihr Kind mit den richtigen Labeln auszustatten. Manche Eltern unterstützen zusätzlich durch markenbewussten Konsum dieses konkurrierende Verhalten, das dem Aufbau echter Freundschaften und dem gemeinsamen Lernen im Wege steht. Deshalb gibt es Überlegungen, das distinktive Potential der Kleidung in der Schule zu minimieren und eine einheitliche Schulkleidung einzuführen.

Dem Verlangen mancher Menschen, über den Tod hinaus mit den anderen zu konkurrieren, gibt das distinktive Potential vieler Grabstätten Ausdruck. Hier wird edler Marmor überdimensional verbaut. Auch die Familienmitglieder hochrangiger Persönlichkeiten geben ihre Trauer, die in ihrer Tiefe sicher vergleichbar mit derjenigen von Normalbürgern ist, gerne durch die Größe und Vielzahl der Todesanzeigen sowie der Schaltung in wichtigen Zeitungen kund.

Begegnung > Zum Kriterium der »Vorbehaltlosigkeit« bezüglich der integrativen Struktur

Konflikte zwischen den Wünschen des Individuums und den Anforderungen des sozialen Systems entstehen mit Orientierung an der integrativen Struktur kaum. Außer sehr elementaren Tabus gibt es für die kommunikative Dimension der Erfahrung auch im Subprozess der mitmenschlichen Begegnung wenig Vorbehalte oder Grenzen. Diese unreflektierte Vorbehaltlosigkeit ist völlig anders zu verstehen als eine bewusste Offenheit. Wenn alle Menschen den Kriterien der integrativen Struktur folgend harmonisch zusammenleben oder sich solange aus dem Weg gehen, bis das Gefühl von Zusammengehörigkeit wieder hergestellt ist, tauchen gar keine ernsteren Konflikte auf. Fesseln werden erst bei dem Wunsch wegzugehen spürbar und bezogen auf die integrative Struktur scheint es, als wolle selten jemand ausscheren.

Bezüglich der integrativen Struktur sind alle Beteiligten gleichwertig. Diese Egalität wird nicht weiter reflektiert, sondern recht naiv als selbstverständlich vorausgesetzt. Deshalb erfasst das Kriterium der freundlichen Vorbehaltlosigkeit die Erfahrung der kooperativen, mitmenschlichen Begegnung am besten. Weder zu viel Zuwendung noch zu starke Ablehnung, weder enthusiastische Gefühle noch scharfe Kritik haben hier Platz. Wahrscheinlich ist dies der Grund dafür, dass sich ein soziales System mit integrativer Struktur schwerlich über den durchschnittlichen Konsens des kleinsten gemeinsamen Nenners hinausentwickeln wird. Insbesondere deshalb, weil der Konsens so umfassend werden kann, dass auch abweichende Ansätze großzügig und verständnisvoll aufgenommen werden und damit fruchtbaren, weiterführenden Auseinandersetzung jede Wirkung entzogen bleibt.

Das kollektive Potential von Design kann dem Kriterium der Vorbehaltlosigkeit beispielsweise durch die Vermeidung abgrenzender Zeichen Rechnung tragen. Dies ist besonders im Servicebereich zu beachten.

Beispiel für das kollektive Potential von Design

Im öffentlichen Lebensalltag erwarten auch Menschen, die sich ansonsten an einer anderen sozialen Organisationsstruktur orientieren, Vorbehaltlosigkeit in der zwischenmenschlichen Begegnung. Wenn Menschen, die in Dienstleistungsberufen arbeiten und dadurch
soziale Schlüsselpositionen innehaben wie Schaffner, Verkäufer, Briefträger, Vertreter, Lehrer den Kunden mit Vorbehaltlosigkeit begegnen und sich so verhalten, als ob abgrenzende Zeichen gar nicht vorhanden wären, verbreiten sie das Gefühl, dass die integrative Organisationsstruktur weiterhin als eine Basis menschlichen Zusammenlebens fungieren kann.

Verkäuferinnen in Parfümerien oder Boutiquen sollten nicht zu hübsch und gepflegt aussehen, um weniger perfekt gestylte Kundinnen nicht abzuschrecken und den Kundenkontakt nach dem Kriterium der Vorbehaltlosigkeit gestalten zu können. Die Gestaltung der Polizeiuniformen sollte je nach Einsatzbereich variabel gestaltet sein. Das positive Image des bürgernahen, hilfsbereiten Polizisten, dem mit Vorbehaltlosigkeit zu begegnen ist und der ebenso auf die Bürger zugehen soll, wird durch dunkle, militärisch wirkende Uniformen nicht unterstützt.

Unterstützung > Zum Kriterium der »Partnerschaftlichkeit« bezüglich der polyvalenten Struktur

Der Subprozess der kooperativen Unterstützung bezüglich der polyvalenten Struktur ist als aktive Hilfe zur Selbsthilfe beschreibbar. Beispielsweise werden die Bewohner einer Wohngemeinschaft einander zwar helfen, aber nicht dem Idealbild einer harmonischen Familie entsprechend grenzenlose Hilfsbereitschaft zeigen, sondern mit den Unterstützungsmaßnahmen die Erwartung an entsprechende Eigenaktivitäten verbinden. Die aus dem Subprozess der Unterstützung hervorgehenden Bedingungen für die Erfahrung sind durch das Kriterium der Partnerschaftlichkeit zu umreißen und zu gewichten.

Das partizipative Potential von Design entspricht dem Kriterium der Partnerschaftlichkeit durch ein dem Problem angemessenes, dieses weder völlig aufhebendes noch ihm ausweichendes Lösungsangebot. Dies ist insbesondere in solchen sozialen Bereichen wichtig, in denen Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten aufeinandertreffen wie in der Entwicklungshilfe, der Schule und Ausbildung oder der Behindertenbetreuung.

Beispiel für das partizipative Potential von Design

Beispielweise geht Entwicklungshilfe mit Orientierung an der hierarchischen Struktur, wie sie noch in den sechziger Jahren typisch war, nicht spezifisch auf die Probleme der Menschen in den sogenannten unterentwickelten Ländern ein. Sie zwingt diesen Menschen den westlichen Lebensstil auf. Die bereitgestellten Hilfsangebote wie Kühlschränke oder Traktoren verbessern zwar vordergründig die Situation, lösen aber nicht die landestypischen Probleme. Auch die grenzenlose Hilfsbereitschaft, die von karitativen Organisationen mit Orientierung auf eine integrative soziale Struktur aller Menschen angeboten wird, ist langfristig negativ einzuschätzen, weil sie die Problemlösung vollständig übernimmt und somit die Menschen von fortdauernder Hilfe abhängig macht. Dagegen regt das partizipative Potential von Design durch seine Art der partnerschaftlichen Unterstützung zur Selbsthilfe an und führt so auf einen dauerhaften Lösungsweg hin, der aus eigener Kraft fortgesetzt werden kann. So fördert und unterstützt die Firma Hess Natur den Anbau naturbelassener Baumwolle in Erzeugerländern durch umfassende technische, agrarwissenschaftliche und wirtschaftliche Betreuung und befähigt die Beteiligten zur Erzeugung vermarktbarer Produkte.

Die Unterstützung durch das partizipative Potential von Design vermittelt den von Schwierigkeiten Betroffenen wieder neues Selbstvertrauen und erleichtert die Wiederherstellung einer partnerschaftlichen sozialen Kooperation. Beispielsweise geht es bei der Gestaltung von Einrichtungen oder Gegenständen für behinderte Menschen nicht darum, alle Probleme von ihnen fern halten, sondern die eigenständige Mitwirkung an der Lösung ihrer Probleme zu erleichtern.

Sinnvoll wäre es auch, das Lernumfeld und Lernmaterialien nach dem Kriterium der Unterstützung zu gestalten. Der Lernende lernt nichts, wenn ihm sein Problem von einem hilfsbereiten Kommilitonen völlig abgenommen wird. Er macht aber auch keine Lernfortschritte, wenn ihm eine Lehrperson scheinbar entgegenkommend aber mit reservierter Haltung die richtige Lösung vorlegt, wohl wissend, dass mit deren Kenntnis noch kein Verständnis einhergeht. Demgegenüber stellt das partizipative Potential von Design anleitende Unterstützungen bereit, die dem Lernenden Schritt für Schritt ermöglichen, den weiteren Lösungsweg selbständig zu entwickeln.

Unterstützung > Zum Kriterium der »Reserviertheit« bezüglich der hierarchischen Struktur

Hinsichtlich der hierarchischen Organisationsstruktur wird der kooperative Subprozeß der Unterstützung möglichst offiziell geregelt. Verläßlichkeit, die über das rollengemäße Verhalten hinaus geht, ist selten anzutreffen. Man begegnet einander mit Reserviertheit, möchte nicht in die Probleme eines anderen Menschen hineingezogen werden und dadurch möglicherweise die erreichte Position gefährden. In unternehmerischen, wissenschaftlichen oder sportlichen Bereichen, die große Leistungsfähigkeit verlangen, entsteht selten wirkliche Verlässlichkeit als vielmehr Reserviertheit zwischen den Beteiligten. Am Misslingen des Teamspiels einer Fußballmannschaft, deren Spieler jeweils ihre eigene Leistung gut präsentieren und ihren Marktwert steigern wollen, wird die zwischenmenschliche Reserviertheit zueinander offensichtlich. Diese mangelnde Verlässlichkeit in der Kooperation gefährdet wiederum den Bestand eines hierarchischen Systems. Die Beteiligten geraten in ein Dilemma, weil gleichzeitig Leistungswettbewerb gegeneinander und Verlässlichkeit füreinander gefordert wird.

Allerdings ist dieses Verhaltensschema nicht auf außergewöhnliche Situationen übertragbar. Beispielsweise kann sowohl eine gemeinsam erlebte Gefahr als auch ein besonderes öffentliches Ereignis dazu beitragen, für einen Moment lang alle durch die Orientierung an einem Strukturtyp gegebenen zwischenmenschlichen Schranken vergessen zu machen. Dies zeigte beispielsweise die spontane Welle der Hilfsbereitschaft nach dem Zugunglück in Eschede 1998 oder ein Jahr zuvor anlässlich der Überschwemmungskatastrophe an der Oder.

Das dem Kriterium der Reserviertheit entsprechende distinktive Potential von Design sollte die Abgrenzung, das Verbergen oder auch das Understatement in der mitmenschlichen Kooperation erleichtern.

Beispiel für das distinktive Potential von Design

Zu Beginn der neunziger Jahre wurde allgemein ein Trend zur Bescheidenheit deklariert. Diese demonstrative Bescheidenheit eignet sich besonders gut als vorgeschobenes Argument, um von der Reserviertheit der Wohlhabenden gegenüber den in der Leistungsgesellschaft weniger erfolgreichen Menschen abzulenken. Anstelle diesen zu helfen, sie in irgendeiner Form am Wohlstand teilhaben zu lassen wie noch in den achtziger Jahren deren Zeitstimmung durch eine unbedarfte, teils dekadente Lust am Luxus gekennzeichnet war, zeigen Gutsituierte nun Bescheidenheit im öffentlichen Auftreten, damit der Unterschied zwischen ihrer Kaufkraft gegenüber der Mehrheit der Bevölkerung weniger auffällt. Wie an der gehobenen Preisgestaltung solch bescheiden wirkender Produkte abzulesen ist, basiert dieses Verhalten nicht auf dem Versuch, Solidarität zu üben. Er kaschiert lediglich die vorsichtige Reserviertheit gegenüber den Menschen unterhalb dem erreichten Niveau. Durch entsprechend unauffälliges, nur für den Kenner im Preis einzuschätzendes Design, wird dem Kriterium der Reserviertheit entsprochen. Zudem wirkt solch puristisches Design wenig verlockend und ist oft auch nicht sehr funktional oder komfortabel, was unerwünschte Interessenten abschreckt und mit dazu beiträgt, dass zahlungskräftige Kenner unter sich bleiben.

Unterstützung > Zum Kriterium der »Hilfsbereitschaft« bezüglich der integrativen Struktur

Kooperation innerhalb dieser Organisationsstruktur erfolgt großteils mit dem Bewusstsein, sich auf die gegenseitige Hilfsbereitschaft verlassen zu können. Die Lösung eines Problems wird mit den besten verfügbaren Kräften in Angriff genommen, ohne lange zu planen oder zu zögern. Beispielsweise zeigt jemand in einer alltäglichen Situation spontan Zivilcourage und hilft, obwohl er noch nicht weiß, wie das Problem zu bewältigen ist. In intakten Familien stehen die Familienmitglieder einander bei und wissen, dass sie sich gegenseitig auf die Hilfe der anderen verlassen können ohne ihre Notlage erst rechtfertigen zu müssen.

Das kollektive Potential von Design kann dem Kriterium der Hilfsbereitschaft durch die Signalisierung von Offenheit und Unvoreingenommenheit entsprechen.

Beispiel für das kollektive Potential von Design

Ein Angebot im Sinne des Kriteriums der Hilfsbereitschaft das an keine Vorbedingungen geknüpft ist, stellt die Telefonseelsorge bereit. Zu den 1973 vom internationalen Verband für Telefonseelsorge in Genf verabschiedeten Richtlinien gehört neben der Wahrung von Anonymität und Diskretion insbesondere die Ideologiefreiheit und die Unabhängigkeit der Hilfeleistung von jeglichem politischen oder religiösem Druck auf den Anrufer. Dieser soll sich überdies darauf verlassen können, dass das Hilfsangebot der Telefonseelsorge permanent für ihn erreichbar ist.

Verbindung > Zum Kriterium der »Anschlussfähigkeit« bezüglich der polyvalenten Struktur

Weder das Kriterium der Grenzenlosigkeit wie bezüglich der integrativen Struktur noch das der Geschlossenheit wie hinsichtlich der hierarchischen Struktur eignen sich für die Kennzeichnung des kooperativen Subprozesses der Verbindung in Relation zur polyvalenten Struktur. Deren gesamte Zielrichtung ist Alternativenbildung, das Nebeneinander von verschiedenen sozialen Systemen. Dies ist nicht durch grenzenlose Angleichungen noch durch gegenseitige Abschottungen zu erreichen. Vielmehr sollte jedes System für sich geschlossen sein können und gleichzeitig potentielle Anschlussfähigkeit für die Kooperation mit anderen Systemen bereit halten.

Abgesehen von den subliminal erwachsenen Unterschieden zwischen Menschen, erfordern verschiedene Tätigkeiten ob im Lebensrhythmus eines Individuums oder innerhalb sozialer Systeme verschiedene ästhetische Stimmungen wie Konzentration, Ruhe, Aufmerksamkeit, Anregung, Vielfalt usw. Eine distinktive, kanonische Ästhetik würde alle Erlebensbereiche gleichermaßen durchziehen. Demgegenüber schafft das partizipative Potential von Design unterschiedliche Zonen für verschiedene Erfahrungen im privaten sowie im öffentlichen Raum. Gerade weil die Eigenständigkeit alternativer, nebeneinander bestehender Systeme akzeptiert wird, lässt sich der Einfluss des Subprozesses der Verbindung auf die Erfahrungskreation der Beteiligten untereinander und zu den jeweils Außenstehenden durch das Kriterium der Anschlussfähigkeit kennzeichnen und werten.

Das partizipative Potential von Design sollte dementsprechend weder die Unterschiede nivellieren, noch künstlich verstärken, sondern diese respektieren und die Herstellung von kooperativen Verbindungen zueinander gemäß dem Kriterium der Anschlussfähigkeit erleichtern.

Beispiel für das partizipative Potential von Design

In öffentlichen Bereichen treffen häufig mehrere soziale Systeme aufeinander. Hier sollten Orte angeboten werden, die jeweils nur die an einem bestimmten System Beteiligten ansprechen und andere Orte, die sich für mitmenschliche Begegnungen über die durch die Systemzugehörigkeit definierten Grenzen hinweg eignen. Beispielsweise wird in der Stadtplanung auf eine grobe Durchmischung der verschiedenen Bevölkerungsgruppen geachtet, um die Entstehung von ausgegrenzten Gettos zu vermeiden.

Die Gestaltung von Krankenhäusern muss abgesehen von weiteren Subsystemen auf drei funktional verschiedene soziale Systeme, die sich jeweils aus Kranken, Besuchern und Personal untereinander bilden, eingehen und kann nicht nur für eines dieser Systeme optimiert werden. Häufig bleibt das Kriterium der Anschlussfähigkeit unbeachtet. Schulen, Universitäten oder Ämter sind meist nur auf ihre Funktion hinsichtlich einem sozialen System hin optimiert. Sie installieren dadurch willkürliche Trennungen von Tätigkeitsabläufen und erschweren das Entstehen von funktionsungebundenen, intersystemischen Verbindungen zwischen den Menschen.

Verbindung > Zum Kriterium der »Distanziertheit« bezüglich der hierarchischen Struktur

An Systemen mit hierarchischer Struktur kann nur derjenige partizipieren, der sich in seine Rolle fügt und ständig Leistungsfähigkeit demonstriert. Die Vorhersehbarkeit seines Aufstiegs und die Entlastung von Eigenverantwortung durch die Vorgaben des Systems belohnt in gewisser Weise diese Anstrengungen. Die Orientierung an der hierarchischen Struktur aufzugeben, bedeutet, diese Vorteile der Sicherheit für die Zukunft und der Abgabe von Verantwortung zu verlieren. An der hierarchischen Struktur Orientierte, beziehen auch ihre persönliche Stärke aus der Beteiligung an dem sozialen System. Sie wissen, dass sie ab einem bestimmten Punkt ihre durch das System gegebenen Privilegien teilen müssten, falls die Zahl der Beteiligten zu groß würde. Deshalb ist ihre kooperative Verbundenheit durch eine vorsichtige Distanziertheit geprägt. Jeder möchte seine erreichte Position sowohl gegenüber anderen Beteiligten, als auch gegenüber eventuell neu Hinzukommenden halten und verbessern.

Durch diese Distanziertheit, die beispielsweise im Zurückhalten wichtiger Informationen und mangelnder Kooperation im Arbeitsprozess offensichtlich werden kann, leisten die Beteiligten indirekt einer zunehmenden Erstarrung des Systems Vorschub. Im Interesse des Erhalts eines hierarchischen Systems muss solch eigennützigen Bestrebungen mancher Beteiligter wiederum von anderen entgegengewirkt werden.

Von dem distinktiven Potential von Design wird bezüglich dem Kriterium der Distanziertheit erwartet, dass es Angebote bereit hält, welche geeignet sind, dem Distanzgefühl gegenüber anderen, nicht dem eigenen Niveau entsprechenden oder als Konkurrenten empfundenen Mitbeteiligten Ausdruck zu geben.

Beispiel für das distinktive Potential von Design

Kulturelle Eliten schotten sich gegen zu großes Interesse, zu viel Verständnis oder Zustimmung ab. Sie begegnen einem Künstler, der schnell ein breites Publikum gewinnt mit Vorsicht und gestehen seinen Werken, die ja den vermeintlich niedrigen Massengeschmack treffen, keine hohe Qualität zu. Kennerschaft bezüglich elitärer Kunstformen wie Theater oder Oper wird generell höher eingestuft als hinsichtlich Film oder Musical. Designobjekte mit vormals distinktivem Potential, die sich zu sehr im Alltag verbreiten und der Masse zugänglich sind, gelten beinahe als entweiht. So zeigen sich wichtige Geschäftsleute nicht mehr mit ihren Handys, seitdem diese eine weite Verbreitung gefunden haben.

Eliten steigern ihren Status und den behaupteten Wissensvorsprung durch Distanzierung im Vergleich zu den Außen- oder Untenstehenden oder pauschal gegenüber der sogenannten Masse. Mit Bezug auf John Carey wäre die provokante These aufzustellen, dass viele Vertreter der modernen Literatur die Kultur nur deswegen zum höchsten Gut erhoben haben, um den Geistesadel durch das Kriterium der Distanziertheit und das entsprechende distinktive Potential von Design vom Normalsterblichen abzuheben (vgl. Carey, 1996). Kultur verdient dann nur dasjenige genannt zu werden, was einer hohen Stufe des distinktiven Potentials von Design entspricht.

Auch bezogen auf Design als soziales System mit hierarchischer Struktur ist ein ähnlicher Hang zur Distanzierung und zur Ausbildung eines ästhetischen »Insidertums« festzustellen. Etablierte Designer tragen entgegen besserem Wissen dazu bei, den Mythos ihrer Genialität und besonderen Stellung innerhalb der disziplinären Hierarchie gegenseitig aufzuschaukeln und bedienen sich gleichzeitig im Ideenpool des Nachwuchses. Indem diese aufgebauschte Hierarchie Akzeptanz findet weil es genügend Designinteressierte gibt, die auch gerne zu den »erfolgreichen Kreativen« gehören würden, wird sie weiter gestärkt und erzeugt innerhalb dem gesättigten Markt bereits eine spezielle Zielgruppe, die sich von Design für Designer angesprochen fühlt.

Verbindung > Zum Kriterium der »Gemeinschaftlichkeit« bezüglich der integrativen Struktur

Bezogen auf die integrative Struktur besitzen Abgrenzungen nur dann eine Bedeutung, wenn ein Beteiligter nicht bereit ist, seine Erfahrungskreation entsprechend den Kriterien zum Teilprozess der Konvention ­ Ganzheitlichkeit, Durchmischbarkeit und Zweckmäßigkeit ­ auszurichten. Beteiligungswillige oder bereits Beteiligte, die diesbezüglich nicht allzu stark vom angepassten Verhalten abweichen, werden als gleichberechtigt und gleichwertig behandelt. Im Prinzip ist Kooperation immer möglich. Die Beteiligten fühlen sich nach dem Kriterium der Gemeinschaftlichkeit verbunden oder entwickeln dieses Kriterium im Subprozess der Verbindung. Dies zeigt sich in der raschen Ausdehnung und Übertragung von Beziehungen der Beteiligten, welche über die zuallererst verbindende Thematik hinausgeht. Es entstehen schnell freundschaftliche Beziehungen, in denen unabhängig von Kompetenzen verschiedenste Themen in die Kommunikation eingebracht werden. Zum Beispiel führt dies dazu, bei kleinen gesundheitlichen Problemen dem Rat eines Freundes, mit dem man das Gefühl einer gemeinschaftlichen Verbundenheit teilt, mehr Vertrauen zu schenken als dem Facharzt.

Hinsichtlich dem kollektiven Potential von Design wird erwartet, dass es dem Kriterium der Gemeinschaftlichkeit Ausdruck gibt und sein Zustandekommen in der Erfahrung bestärkt.

Beispiel für das kollektive Potential von Design

Die Beliebtheit von Cluburlauben mit Betreuung durch Animateure, die dabei helfen, Kontakte zueinander herzustellen, zeigt, dass viele Menschen unter einem Defizit von Gemeinschaftlichkeit leiden und dieses Erlebnis wenigstens im Urlaub suchen. Im öffentlichen Bereich sollten Gelegenheiten für Begegnungen geschaffen werden, die das Entstehen des Gefühls von Gemeinschaftlichkeit fördern, um zumindest zeitweise überwinden. Aus diesem Grunde ist es weiterhin wichtig, traditionelle Volksfeste zu attraktiven Begegnungsstätten für alle Menschen auszugestalten. Event-Design im Auftrag von sozialen Trägern wie den Kommunen müsste zur Verbesserung der Qualität solcher kollektiver Ereignisse stärker einbezogen werden.

Die Präsentation von internationalen Sportereignissen wie der Fußball-Weltmeisterschaft in den Medien ist darauf angelegt, wenigstens phasenweise das Gefühl von Gemeinschaftlichkeit quer durch die Bevölkerung eines Landes aufkeimen zu lassen. Wie wichtig dies in politischer Hinsicht ist, zeigte der angekündigte Verzicht auf Steuereinnahmen, falls Deutschland zum nächsten Austragungsort gewählt würde.

Beispielhaft für alltägliche Bereiche, in denen das Zustandekommen von Gemeinschaftlichkeit durch das kollektive Potential von Design, also die Einfachheit, das Absehen von Statuszeichen usw. unterstützt wird, sind manche Waschsalons, die sich allein aufgrund der Kooperation der Benutzer zu lockeren Treffpunkten entwickelt haben.

Belohnung > Zum Kriterium der »Interessenvertretbarkeit« bezüglich der polyvalenten Struktur

Die drei Strukturen sind nicht als einander ausschließende gegensätzliche Konzepte gedacht. Vielmehr gelten einige Einflussgrößen in allen Strukturen. So ist auch das Individuum in der polyvalenten Struktur fremdbestimmt. Das Ausmaß dieser Fremdbestimmung ist jedoch vergleichsweise klein. Zwar ist keine ausschließliche Selbstbestimmung möglich, aber die individuelle Orientierung zur Verantwortung führt zu selbständiger Urteilsfähigkeit und nicht zum Abwälzen der Verantwortung durch Akzeptanz der meist bereits fixierten und eher fremdbestimmten Werte eines sozialen Systems. Bezüglich der drei behandelten Strukturen hat das Individuum hier die stärkste Position und den größten Freiraum für die Individuation. Doch es ist auch gefordert, Urteilsfähigkeit zu entwickeln und erhält schließlich in einem dritten Subprozess im Teilprozess der Partizipation, der Belohnung, die Chance, seine eigenen Interessen zu vertreten und aktiv seine Erfahrungen mitzugestalten. Das Kriterium der Interessenvertretbarkeit wertet, inwieweit die Vertretung spezieller Interessen in Hinsicht auf ein soziales System zugelassen und gefördert wird.

In der Möglichkeit der individuellen Interessenvertretung liegt die spezifische Attraktivität der Orientierung und Partizipation an der polyvalenten Struktur insbesondere für kreative, aktive Menschen. Das partizipative Potential von Design erleichtert das Kriterium der Interessenvertretbarkeit der an einem sozialen System kommunikativ Beteiligten durch die Offenheit für alternative Zielsetzungen und Entwicklungen.

Beispiel für das partizipative Potential von Design

Sogar der Bereich der Verkehrszeichen lässt sich ein stückweit dem partizipativen Potential von Design öffnen. So erlaubte die Stadt Erfurt leider nur solange, bis der übergeordnete Gesetzgeber tätig wurde, die Anbringung witziger Varianten von Männchen auf Ampelblenden. Diese entstanden im Rahmen einer Initiative zur Rettung des ostdeutschen Ampelmännchens, nachdem dessen Verlust als kollektives Potential im Alltag durch die Übernahme der westdeutschen Variante im Zuge der Wiedervereinigung einigen Menschen bewusst wurde.

Das partizipative Potential von Design lässt Ansatzpunkte für die Interessenvertretung von Einzelpersonen oder Gruppen zu. Beispielsweise entwarf ein Berufsschullehrer mit seinen Schülern einen sehr einfachen, kostengünstigen Solarkocher für Entwicklungsländer und gründete eine Firma, um diesen Kocher herstellen und vertreiben zu können. Diese Entwicklung und aktive Vertretung von Interesse für diese Thematik war nur wegen der offenen Organisation der Schule und Lerninhalte möglich. Das Produkt selbst ist stärker nach den Kriterien des kollektiven Potentials von Design gestaltet.

Auch die Beteiligung an der Disziplin Design als einem sozialen System kann durch das partizipative Potential und die Orientierung an der polyvalenten Struktur gekennzeichnet sein. Das heißt, Designer sind nicht verpflichtet, einen Formenkanon zu befolgen, sondern können ihre Ansichten verwirklichen, ihre Interessen vertreten. Mut zur Selbständigkeit hinsichtlich der Formulierung von Aufgaben und deren eigenverantwortliche Lösung ist eine wichtige Charaktereigenschaft von kreativ und engagiert tätigen Menschen in allen Bereichen, so eben auch im Design. Die ästhetisch innovativen Entwürfe von David Carson oder Philippe Starck, die zunächst aus deren jeweils subjektiven Interessen entstanden, zeigen vielen jungen Designer, dass es noch immer möglich ist, unter Absehung von drückenden, innerdisziplinären Verpflichtungen wie der Orientierung an einem minimalistischen ästhetischen Formenkanon, selbstgesetzte Interessen und gestalterische Ansprüche zu verfolgen.