Unterstützung > Zum Kriterium der »Reserviertheit« bezüglich der hierarchischen Struktur

Hinsichtlich der hierarchischen Organisationsstruktur wird der kooperative Subprozeß der Unterstützung möglichst offiziell geregelt. Verläßlichkeit, die über das rollengemäße Verhalten hinaus geht, ist selten anzutreffen. Man begegnet einander mit Reserviertheit, möchte nicht in die Probleme eines anderen Menschen hineingezogen werden und dadurch möglicherweise die erreichte Position gefährden. In unternehmerischen, wissenschaftlichen oder sportlichen Bereichen, die große Leistungsfähigkeit verlangen, entsteht selten wirkliche Verlässlichkeit als vielmehr Reserviertheit zwischen den Beteiligten. Am Misslingen des Teamspiels einer Fußballmannschaft, deren Spieler jeweils ihre eigene Leistung gut präsentieren und ihren Marktwert steigern wollen, wird die zwischenmenschliche Reserviertheit zueinander offensichtlich. Diese mangelnde Verlässlichkeit in der Kooperation gefährdet wiederum den Bestand eines hierarchischen Systems. Die Beteiligten geraten in ein Dilemma, weil gleichzeitig Leistungswettbewerb gegeneinander und Verlässlichkeit füreinander gefordert wird.

Allerdings ist dieses Verhaltensschema nicht auf außergewöhnliche Situationen übertragbar. Beispielsweise kann sowohl eine gemeinsam erlebte Gefahr als auch ein besonderes öffentliches Ereignis dazu beitragen, für einen Moment lang alle durch die Orientierung an einem Strukturtyp gegebenen zwischenmenschlichen Schranken vergessen zu machen. Dies zeigte beispielsweise die spontane Welle der Hilfsbereitschaft nach dem Zugunglück in Eschede 1998 oder ein Jahr zuvor anlässlich der Überschwemmungskatastrophe an der Oder.

Das dem Kriterium der Reserviertheit entsprechende distinktive Potential von Design sollte die Abgrenzung, das Verbergen oder auch das Understatement in der mitmenschlichen Kooperation erleichtern.

Beispiel für das distinktive Potential von Design

Zu Beginn der neunziger Jahre wurde allgemein ein Trend zur Bescheidenheit deklariert. Diese demonstrative Bescheidenheit eignet sich besonders gut als vorgeschobenes Argument, um von der Reserviertheit der Wohlhabenden gegenüber den in der Leistungsgesellschaft weniger erfolgreichen Menschen abzulenken. Anstelle diesen zu helfen, sie in irgendeiner Form am Wohlstand teilhaben zu lassen wie noch in den achtziger Jahren deren Zeitstimmung durch eine unbedarfte, teils dekadente Lust am Luxus gekennzeichnet war, zeigen Gutsituierte nun Bescheidenheit im öffentlichen Auftreten, damit der Unterschied zwischen ihrer Kaufkraft gegenüber der Mehrheit der Bevölkerung weniger auffällt. Wie an der gehobenen Preisgestaltung solch bescheiden wirkender Produkte abzulesen ist, basiert dieses Verhalten nicht auf dem Versuch, Solidarität zu üben. Er kaschiert lediglich die vorsichtige Reserviertheit gegenüber den Menschen unterhalb dem erreichten Niveau. Durch entsprechend unauffälliges, nur für den Kenner im Preis einzuschätzendes Design, wird dem Kriterium der Reserviertheit entsprochen. Zudem wirkt solch puristisches Design wenig verlockend und ist oft auch nicht sehr funktional oder komfortabel, was unerwünschte Interessenten abschreckt und mit dazu beiträgt, dass zahlungskräftige Kenner unter sich bleiben.