Begegnung > Zum Kriterium der »Toleranzfähigkeit« bezüglich der polyvalenten Struktur

Dem Individuum als Partizipant einer polyvalenten Struktur ist bewusst, dass verschiedene Wege richtig sein können, dass der in irgendeiner Weise andersartige Mensch als solcher akzeptiert und weder in einem nivellierenden Konsens verschwinden noch durch ablehnende Vorurteile ausgeschlossen oder im Wettbewerb übervorteilt werden sollte. Nicht gleichgültige, das Anderssein ignorierende oder hochmütige, die eigene Position nicht gefährdende, sondern eine achtungsvolle Toleranz ist die zur polyvalenten Struktur passende soziale Grundeinstellung. Im Subprozess der kooperativen, mitmenschlichen Begegnung ist die bedingende Wirkung auf die Erfahrung daher mit dem Kriterium der Toleranzfähigkeit zu beschreiben.

Zu dieser Toleranzfähigkeit gehört das Einüben von Argumentationsfähigkeit oder anderer nicht auf die verbale Sprache reduzierter ästhetischer Ausdrucksformen. Des weiteren ist die Fähigkeit wichtig, kontroverse und relativierende Diskussionen zu führen, die sich aus der gegenseitigen Anerkennung und differenzierten Darlegung der jeweiligen Meinungen ergeben und nicht darauf zielen, einen harmonischen Konsens zu finden, sondern die Anschlussfähigkeit im respektierenden Dissens zu erhalten.

Das partizipative Potential von Design kann dem ästhetischen Kriterium der Toleranzfähigkeit durch die Schaffung differenziert gestalteter, echte Alternativen darstellender Angebote entsprechen. Diese können die Einübung von mitmenschlicher Toleranz mittels der Anregung zur Diskussion von unterschiedlichen ästhetischen Überzeugungen fördern.

Beispiel für das partizipative Potential von Design

Ausstellungen von Designobjekten sollten keine museale Stimmung wecken, sondern die Besucher zur Auseinandersetzung über die vorgestellten Konzepte zu möglichen Wirklichkeiten anregen. Die Pflege einer differenzierten Streitkultur bezüglich Gegenständen, welche die aktuelle Gegenwart und die nahe Zukunft betreffen, sollte die abgeklärte Ergriffenheit vor etablierten Kunstwerken oder sie skeptische Bewunderung vor allzu enthusiastischen Zukunftsvisionen ablösen. Im Unterschied zum Ansatz der Moderne, der die Designer auf die Jagd nach innovativen, immer besseren Ideen trieb, folgt Design mit ausgeprägtem partizipativem Potential, welches das ästhetische Kriterium der Toleranz vermitteln will, ein Bemühen um die Diskussion von vielfältigen Interpretationen zum Leben durch ästhetische Mittel. Die aktuelle Gegenwart und die nahe Zukunft betreffen, sollte die abgeklärte Ergriffenheit vor etablierten Kunstwerken oder die skeptische Bewunderung vor allzu enthusiastischen Zukunftsvisionen ablösen. Im Unterschied zum Ansatz der Moderne, der die Designer auf die Jagd nach innovativen, immer besseren Ideen trieb, folgt für Design mit ausgeprägtem partizipativen Potential, welches das ästhetische Kriterium der Toleranz vermitteln will, ein Bemühen um die Diskussion von vielfältigen Interpretationen zum Leben durch ästhetische Mittel.

Unterstützung > Zum Kriterium der »Partnerschaftlichkeit« bezüglich der polyvalenten Struktur

Der Subprozess der kooperativen Unterstützung bezüglich der polyvalenten Struktur ist als aktive Hilfe zur Selbsthilfe beschreibbar. Beispielsweise werden die Bewohner einer Wohngemeinschaft einander zwar helfen, aber nicht dem Idealbild einer harmonischen Familie entsprechend grenzenlose Hilfsbereitschaft zeigen, sondern mit den Unterstützungsmaßnahmen die Erwartung an entsprechende Eigenaktivitäten verbinden. Die aus dem Subprozess der Unterstützung hervorgehenden Bedingungen für die Erfahrung sind durch das Kriterium der Partnerschaftlichkeit zu umreißen und zu gewichten.

Das partizipative Potential von Design entspricht dem Kriterium der Partnerschaftlichkeit durch ein dem Problem angemessenes, dieses weder völlig aufhebendes noch ihm ausweichendes Lösungsangebot. Dies ist insbesondere in solchen sozialen Bereichen wichtig, in denen Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten aufeinandertreffen wie in der Entwicklungshilfe, der Schule und Ausbildung oder der Behindertenbetreuung.

Beispiel für das partizipative Potential von Design

Beispielweise geht Entwicklungshilfe mit Orientierung an der hierarchischen Struktur, wie sie noch in den sechziger Jahren typisch war, nicht spezifisch auf die Probleme der Menschen in den sogenannten unterentwickelten Ländern ein. Sie zwingt diesen Menschen den westlichen Lebensstil auf. Die bereitgestellten Hilfsangebote wie Kühlschränke oder Traktoren verbessern zwar vordergründig die Situation, lösen aber nicht die landestypischen Probleme. Auch die grenzenlose Hilfsbereitschaft, die von karitativen Organisationen mit Orientierung auf eine integrative soziale Struktur aller Menschen angeboten wird, ist langfristig negativ einzuschätzen, weil sie die Problemlösung vollständig übernimmt und somit die Menschen von fortdauernder Hilfe abhängig macht. Dagegen regt das partizipative Potential von Design durch seine Art der partnerschaftlichen Unterstützung zur Selbsthilfe an und führt so auf einen dauerhaften Lösungsweg hin, der aus eigener Kraft fortgesetzt werden kann. So fördert und unterstützt die Firma Hess Natur den Anbau naturbelassener Baumwolle in Erzeugerländern durch umfassende technische, agrarwissenschaftliche und wirtschaftliche Betreuung und befähigt die Beteiligten zur Erzeugung vermarktbarer Produkte.

Die Unterstützung durch das partizipative Potential von Design vermittelt den von Schwierigkeiten Betroffenen wieder neues Selbstvertrauen und erleichtert die Wiederherstellung einer partnerschaftlichen sozialen Kooperation. Beispielsweise geht es bei der Gestaltung von Einrichtungen oder Gegenständen für behinderte Menschen nicht darum, alle Probleme von ihnen fern halten, sondern die eigenständige Mitwirkung an der Lösung ihrer Probleme zu erleichtern.

Sinnvoll wäre es auch, das Lernumfeld und Lernmaterialien nach dem Kriterium der Unterstützung zu gestalten. Der Lernende lernt nichts, wenn ihm sein Problem von einem hilfsbereiten Kommilitonen völlig abgenommen wird. Er macht aber auch keine Lernfortschritte, wenn ihm eine Lehrperson scheinbar entgegenkommend aber mit reservierter Haltung die richtige Lösung vorlegt, wohl wissend, dass mit deren Kenntnis noch kein Verständnis einhergeht. Demgegenüber stellt das partizipative Potential von Design anleitende Unterstützungen bereit, die dem Lernenden Schritt für Schritt ermöglichen, den weiteren Lösungsweg selbständig zu entwickeln.

Verbindung > Zum Kriterium der »Anschlussfähigkeit« bezüglich der polyvalenten Struktur

Weder das Kriterium der Grenzenlosigkeit wie bezüglich der integrativen Struktur noch das der Geschlossenheit wie hinsichtlich der hierarchischen Struktur eignen sich für die Kennzeichnung des kooperativen Subprozesses der Verbindung in Relation zur polyvalenten Struktur. Deren gesamte Zielrichtung ist Alternativenbildung, das Nebeneinander von verschiedenen sozialen Systemen. Dies ist nicht durch grenzenlose Angleichungen noch durch gegenseitige Abschottungen zu erreichen. Vielmehr sollte jedes System für sich geschlossen sein können und gleichzeitig potentielle Anschlussfähigkeit für die Kooperation mit anderen Systemen bereit halten.

Abgesehen von den subliminal erwachsenen Unterschieden zwischen Menschen, erfordern verschiedene Tätigkeiten ob im Lebensrhythmus eines Individuums oder innerhalb sozialer Systeme verschiedene ästhetische Stimmungen wie Konzentration, Ruhe, Aufmerksamkeit, Anregung, Vielfalt usw. Eine distinktive, kanonische Ästhetik würde alle Erlebensbereiche gleichermaßen durchziehen. Demgegenüber schafft das partizipative Potential von Design unterschiedliche Zonen für verschiedene Erfahrungen im privaten sowie im öffentlichen Raum. Gerade weil die Eigenständigkeit alternativer, nebeneinander bestehender Systeme akzeptiert wird, lässt sich der Einfluss des Subprozesses der Verbindung auf die Erfahrungskreation der Beteiligten untereinander und zu den jeweils Außenstehenden durch das Kriterium der Anschlussfähigkeit kennzeichnen und werten.

Das partizipative Potential von Design sollte dementsprechend weder die Unterschiede nivellieren, noch künstlich verstärken, sondern diese respektieren und die Herstellung von kooperativen Verbindungen zueinander gemäß dem Kriterium der Anschlussfähigkeit erleichtern.

Beispiel für das partizipative Potential von Design

In öffentlichen Bereichen treffen häufig mehrere soziale Systeme aufeinander. Hier sollten Orte angeboten werden, die jeweils nur die an einem bestimmten System Beteiligten ansprechen und andere Orte, die sich für mitmenschliche Begegnungen über die durch die Systemzugehörigkeit definierten Grenzen hinweg eignen. Beispielsweise wird in der Stadtplanung auf eine grobe Durchmischung der verschiedenen Bevölkerungsgruppen geachtet, um die Entstehung von ausgegrenzten Gettos zu vermeiden.

Die Gestaltung von Krankenhäusern muss abgesehen von weiteren Subsystemen auf drei funktional verschiedene soziale Systeme, die sich jeweils aus Kranken, Besuchern und Personal untereinander bilden, eingehen und kann nicht nur für eines dieser Systeme optimiert werden. Häufig bleibt das Kriterium der Anschlussfähigkeit unbeachtet. Schulen, Universitäten oder Ämter sind meist nur auf ihre Funktion hinsichtlich einem sozialen System hin optimiert. Sie installieren dadurch willkürliche Trennungen von Tätigkeitsabläufen und erschweren das Entstehen von funktionsungebundenen, intersystemischen Verbindungen zwischen den Menschen.

Belohnung > Zum Kriterium der »Interessenvertretbarkeit« bezüglich der polyvalenten Struktur

Die drei Strukturen sind nicht als einander ausschließende gegensätzliche Konzepte gedacht. Vielmehr gelten einige Einflussgrößen in allen Strukturen. So ist auch das Individuum in der polyvalenten Struktur fremdbestimmt. Das Ausmaß dieser Fremdbestimmung ist jedoch vergleichsweise klein. Zwar ist keine ausschließliche Selbstbestimmung möglich, aber die individuelle Orientierung zur Verantwortung führt zu selbständiger Urteilsfähigkeit und nicht zum Abwälzen der Verantwortung durch Akzeptanz der meist bereits fixierten und eher fremdbestimmten Werte eines sozialen Systems. Bezüglich der drei behandelten Strukturen hat das Individuum hier die stärkste Position und den größten Freiraum für die Individuation. Doch es ist auch gefordert, Urteilsfähigkeit zu entwickeln und erhält schließlich in einem dritten Subprozess im Teilprozess der Partizipation, der Belohnung, die Chance, seine eigenen Interessen zu vertreten und aktiv seine Erfahrungen mitzugestalten. Das Kriterium der Interessenvertretbarkeit wertet, inwieweit die Vertretung spezieller Interessen in Hinsicht auf ein soziales System zugelassen und gefördert wird.

In der Möglichkeit der individuellen Interessenvertretung liegt die spezifische Attraktivität der Orientierung und Partizipation an der polyvalenten Struktur insbesondere für kreative, aktive Menschen. Das partizipative Potential von Design erleichtert das Kriterium der Interessenvertretbarkeit der an einem sozialen System kommunikativ Beteiligten durch die Offenheit für alternative Zielsetzungen und Entwicklungen.

Beispiel für das partizipative Potential von Design

Sogar der Bereich der Verkehrszeichen lässt sich ein stückweit dem partizipativen Potential von Design öffnen. So erlaubte die Stadt Erfurt leider nur solange, bis der übergeordnete Gesetzgeber tätig wurde, die Anbringung witziger Varianten von Männchen auf Ampelblenden. Diese entstanden im Rahmen einer Initiative zur Rettung des ostdeutschen Ampelmännchens, nachdem dessen Verlust als kollektives Potential im Alltag durch die Übernahme der westdeutschen Variante im Zuge der Wiedervereinigung einigen Menschen bewusst wurde.

Das partizipative Potential von Design lässt Ansatzpunkte für die Interessenvertretung von Einzelpersonen oder Gruppen zu. Beispielsweise entwarf ein Berufsschullehrer mit seinen Schülern einen sehr einfachen, kostengünstigen Solarkocher für Entwicklungsländer und gründete eine Firma, um diesen Kocher herstellen und vertreiben zu können. Diese Entwicklung und aktive Vertretung von Interesse für diese Thematik war nur wegen der offenen Organisation der Schule und Lerninhalte möglich. Das Produkt selbst ist stärker nach den Kriterien des kollektiven Potentials von Design gestaltet.

Auch die Beteiligung an der Disziplin Design als einem sozialen System kann durch das partizipative Potential und die Orientierung an der polyvalenten Struktur gekennzeichnet sein. Das heißt, Designer sind nicht verpflichtet, einen Formenkanon zu befolgen, sondern können ihre Ansichten verwirklichen, ihre Interessen vertreten. Mut zur Selbständigkeit hinsichtlich der Formulierung von Aufgaben und deren eigenverantwortliche Lösung ist eine wichtige Charaktereigenschaft von kreativ und engagiert tätigen Menschen in allen Bereichen, so eben auch im Design. Die ästhetisch innovativen Entwürfe von David Carson oder Philippe Starck, die zunächst aus deren jeweils subjektiven Interessen entstanden, zeigen vielen jungen Designer, dass es noch immer möglich ist, unter Absehung von drückenden, innerdisziplinären Verpflichtungen wie der Orientierung an einem minimalistischen ästhetischen Formenkanon, selbstgesetzte Interessen und gestalterische Ansprüche zu verfolgen.

Anforderung > Zum Kriterium der »Selbstverantwortlichkeit« bezüglich der polyvalenten Struktur

Die Partizipation bezüglich der polyvalenten Struktur wird nicht durch zu starke Beteiligungsvorgaben erschwert. Das heißt aber nicht, dass beliebige Kommunikationsbeiträge eingebracht werden können. Jeder soziale Akteur muss selbstverantwortlich zu seinen Beiträgen stehen. Der Einfluss auf die Erfahrung bezüglich dem Subprozess der Anforderung kann daher durch das Kriterium der Selbstverantwortlichkeit erfasst werden. Dieses Kriterium schränkt die offenen Perspektiven des polyvalenten Strukturtyps, die durch die bisher vorgestellten Kriterien wie Vielfältigkeit, Flexibilität und Alternativenbildbarkeit gegeben ist, wesentlich ein. Insbesondere solche Beiträge, die ein großes Risiko beinhalten, werden in Anbetracht der Selbstverantwortlichkeit nur nach reiflicher Prüfung eingebracht.

Der partizipierende Akteur erhält bezüglich der polyvalenten Struktur die echte Chance, die zukünftigen Entwicklungsziele der Struktur aktiv mitzugestalten. Im Unterschied zu den beiden anderen Strukturen, die ihre Perspektiven langfristig in eine Hauptrichtung kanalisiert haben, sei diese durch die Orientierung an einer Zielvorgabe mit zugehöriger Niveaudifferenz oder die schicksalsergebene Hoffnung auf harmonische Ganzheitlichkeit gegeben, bevor der individuelle Akteur mitentscheiden kann, ist die polyvalente Struktur offen für alternative Entwicklungsperspektiven. Diese Chance ist mit der Anforderung der Selbstverantwortlichkeit verknüpft.

Das Kriterium der Selbstverantwortlichkeit kann durch das partizipative Potential von Design in Form von zurückhaltendem Vorgehen bei der Einrichtung von Verboten oder Regulierungsmaßnahmen unterstützt werden. So ist es in der Verkehrsplanung oft effektiver, an belebten Kreuzungen mit gleichermaßen stark frequentierten Fahrbahnen einen Kreisverkehr anstelle einer Ampelanlage einzurichten und die Fahrer zum aufmerksamen und selbstverantwortlichen Fahren anzuregen.

Beispiel für das partizipative Potential von Design

Viele Menschen sind von der prinzipiellen Möglichkeit der Partizipation an verschiedensten Ereignissen und dem freien Meinungsaustausch, die das Internet bietet, begeistert. Eine Botschaft im Netz kann neue Kommunikation initiieren. Es liegt in der Verantwortung der Nutzer, welche Themen sie anbieten und wie intensiv sie sich beteiligen. Nach dem Modell einer integrativen Struktur im Netz wäre zu vermuten, dass tabuisierte Themen gar nicht auftauchen oder nur sehr geringes Interesse finden. Mit der Installation einer hierarchischen Struktur würden unpassende Themen sofort durch Verbote ausgegrenzt, bevor sie noch eine gewisse Verbreitung entwickeln könnten. Nach dem Vorbild der polyvalenten Struktur im Netz wird auf selbstregulierende Effekte durch die verantwortliche Nutzung vertraut. Das heißt, nach anfänglich großem, neugierigen Interesse flaut die Nachfrage an anstößigen Themen ab, weil die Nutzer durch eigenständige Überlegungen, ohne Restriktionen, Verantwortungsgefühl entwickeln und das Anwählen solcher Websites meiden. Das in den USA ausgesprochene, kurzzeitige Verbot von pornografischen Mitteilungen im Internet wurde im Juni 1996 wieder zurückgenommen, denn durch dieses Verbot war auch der Austausch von medizinischen Informationen erschwert worden. Bereits entwickelte Programme zur Filterung des Netzes nach anstößigen Inhalten werden inzwischen auch von der chinesischen Regierung eingesetzt, um das Zustandekommen politisch unliebsamer Diskussionsforen auszuschließen.

Eingliederung > Zum Kriterium der »Urteilsfähigkeit« bezüglich der polyvalenten Struktur

Da der Teilprozess der Konvention durch die den Subprozessen entsprechenden Kriterien Vielfältigkeit, Flexibilität und Alternativenbildbarkeit ausgerichtet ist, gibt es nur eine Minimalmenge an feststehendem Grundwissen, das der Einsteiger bezüglich einem sozialen System mit polyvalenter Struktur erwerben muss. Frühzeitig wird er zur Mitwirkung aufgefordert und es wird ihm zugestanden, durch seine Tätigkeit eine abzweigende Perspektive zu öffnen. Die Schwierigkeit des Einstiegs in eine polyvalente Struktur liegt nicht im Überwinden von Hierarchien, sondern im Überschauen und Auswählen des Einstiegsbereichs. Die Bewertung vieler Alternativen erfordert Urteilsfähigkeit. Ist diese nicht vorhanden, verzögert sich der Subprozess der Eingliederung.

Die Beteiligungsvorgabe hinsichtlich der polyvalenten Struktur umfasst aber eher ein grundsätzliches Engagement für die Partizipation, auch wenn die konkreten Zielbereiche später wechseln, als das Verharren auf einem außenstehenden Beobachtungsstandpunkt zur Urteilsfindung. Die Orientierung an der polyvalenten Struktur beinhaltet die Erkenntnis, dass es keinen Beobachtungspunkt gibt, der absolut sicher zu dem einzig wahren Urteil führt. Daher ist die Urteilsfähigkeit im Laufe der Partizipation an einer polyvalenten Struktur ständig weiterzuentwickeln und zu verfeinern.

Das partizipative Potential von Design wird dem Kriterium der Urteilsfähigkeit gerecht, indem beispielsweise differierende Lösungen zu einem Problembereich vergleichbar dargestellt und bewertet werden. Dies erfordert aber auch von den Designer selbst Weitblick und vorurteilsfreies Experimentieren mit Lösungsalternativen.

Beispiel für das partizipative Potential von Design

Die Designausbildung muss stärker an einer polyvalenten Struktur ausgerichtet werden, um die Studenten zu befähigen, das partizipative Potential von Design gestalterisch umzusetzen. Eine didaktische Hinführung zur gestalterischen Kompetenz für die Konzeption von Design mit einem klaren partizipativen Potential stellt daher vorhandene Auffassungen im kritischen Vergleich nebeneinander dar, um zur eigenständigen Meinungsbildung und Urteilsfähigkeit anzuregen. Die ersten Projektübungen sollten weniger auf Optimierung eines Ansatzes, als auf kreative Ideenproduktion und gemeinsame Diskussion mehrerer Alternativen zielen. Um im Sinne der polyvalenten Struktur mitzuwirken, reicht es nicht aus wie bezüglich der integrativen Struktur einen vorgefundenen schicksalsergebenen Weg weiterzugehen und sich zu integrieren oder sich durch unterordnende Rollenakzeptanz eine sichere Position innerhalb der hierarchischen Struktur zu verschaffen. Lernziel ist es, durch die Partizipation Urteilsfähigkeit zu entwickeln, indem die eigenen Ideen wiederholt reflektiert, auf Relevanz für andere Menschen geprüft, modifiziert und erneuert werden.

Bezüglich der polyvalenten Struktur und dem zugehörigen partizipativen Potential von Design hat jeder die Chance durch seine Mitwirkung zukunftsbezogene Vorschläge für bessere Lebensformen zu machen und nicht in blinde Anpassung an bereits Bewährtes zu versinken. Viele Studienprojekte, die ohne den Druck einer hierarchisch organisierten Firma oder die wohlwollende, aber fachlich inkompetente Hilfe einer integrativ organisierten Hobbywerkstatt entstanden sind, dokumentieren die Urteilsfähigkeit der Studenten und ihr Engagement, kommunikative Beiträge hinsichtlich der polyvalenten Struktur zu liefern.

Zielsetzung > Zum Kriterium der »Alternativenbildbarkeit« bezüglich der polyvalenten Struktur

Im Subprozess der Zielsetzung wird bezüglich der polyvalenten Struktur nicht eine einzige Zielvorgabe angestrebt oder an nur einer Zielrichtung festgehalten. Als wertvoll für die Erfahrung wird vielmehr die Möglichkeit angesehen, zu einem Problembereich mehrere alternative, vielversprechende Entwicklungsziele auszubilden, um unterschiedliche Interpretationen zu einer Thematik entwickeln zu können. Daher ist das Kriterium der Alternativenbildbarkeit maßgebend zur Bewertung der Zielsetzung.

Das partizipative Potential von Design kann dem Kriterium der Alternativenbildbarkeit dadurch entsprechen, dass einige Elemente eines Produkts ohne große Preisunterschiede frei wählbar und variabel kombinierbar sind. Entwicklungen auf alternative Zielsetzungen hin werden nicht in erster Linie als konkurrierend, sondern als bereichernd für das System erlebt.

Beispiel für das partizipative Potential von Design

In der Autobranche setzten die Firmen nicht mehr allein auf Geschwindigkeit und männliche Potenz. Parallel werden verschiedene Konzepte für die individuelle Mobilität erarbeitet. Autos wie der Twingo, ein Volvo Kombi, ein Geländefahrzeug oder ein Porsche Cabrio stellen jeweils verschiedene Interpretationen für das Autofahren dar. Ebenso gibt es nicht eine festgeschriebene Form oder Typographie für ein Buch, sondern der gleiche Titel ist häufig als Taschenbuch, gebundenes Buch oder bibliophile Ausgabe erhältlich.

Das in seiner Ausgereiftheit und Komplexität beste Beispiel für die Herstellung von Produkten, die durch das partizipative Potential von Design einer polyvalenten Struktur entsprechen, stellt das Swatch Konzept dar. Es wurde von Nicolaus Hayek etwa 1983 für Armbanduhren entwickelt und wird inzwischen auch im Telefon- und im Automobilsektor umgesetzt. Das systematisierte Herstellungsverfahren, das die technische Kombinierbarkeit verschiedener Systemmodule garantiert, ermöglicht eine fast unerschöpfliche Alternativenbildung. In naher Zukunft wird es den Kunden möglich sein, auch in weiteren Produktsegmenten per Internet eine individuelle Designalternative zusammenzustellen. Damit auf diesem Wege nicht nur Varianten, sondern echte, sinnvolle Alternativen entstehen können, ist es notwendig, das zugrundeliegende Bausystem ständig zu erweitern und umzubilden. Die Bewältigung dieser Aufgabe fordert Techniker und Designer gleichermaßen und fällt sicher leichter, wenn sich das Arbeitsteam ebenfalls an der polyvalenten Struktur orientiert.

Wandlung > Zum Kriterium der »Flexibilität« bezüglich der polyvalenten Struktur

Hinsichtlich der polyvalenten Struktur können sich ausgehend von dem gleichen Problem mehrere Lösungsprozesse mit verschiedenen Auswirkungen entwickeln. Das Auffinden einer zeitlos richtigen Lösung wird dabei nicht erwartet. Vielmehr stehen die verschiedenen Einzelprozesse in ständiger Interdependenz zueinander. Dadurch entstehen Prozesse, die sich wechselweise, schneller oder langsamer beeinflussen und die prinzipielle Wandlung sowie die Flexibilität hinsichtlich weiterer Entwicklungsziele der polyvalenten Struktur begründen.

Die mit der Orientierung an der polyvalenten Struktur verbundene Erfahrung beinhaltet die ständige Bereitschaft zur bewussten Erprobung von verändernden Einflussgrößen. Sie erfordert geistige und praktische Flexibilität von den sozialen Akteuren und nicht das fatalistische Akzeptieren oder das steuernde Absichern gegenüber Wandlungen. Die Erfahrung und Fähigkeit zur Flexibilität werden besser durch breit gefächerte Wissensbildung oder spielerische Sportarten, als durch selektiv optimiertes Wissen oder gerätespezifische Kondition ausgebildet.

Die Wandlung von Konventionen der polyvalenten Struktur und die das mit ihr verbundene Kriterium der Flexibilität bezüglich der Erfahrung spricht besonders das Lebensgefühl oder die ästhetische Erfahrung junger und jung gebliebener Menschen an, die sich nicht auf die festgelegte hierarchische Struktur einlassen wollen und sich nicht fatalistisch der integrativen Struktur überlassen können. Während diese Flexibilität in der hierarchischen Struktur ein Störfaktor wäre, bietet die polyvalente Struktur eine positive Auseinandersetzung mit der flexiblen Suche nach alternativen Entwicklungszielen. Das ästhetische Kriterium der Flexibilität kann auch zu kommunikativem Verhalten motivieren, weil es den sozialen Akteuren Gelegenheit gibt, ihre kommunikative Erfahrungsdimension in verschiedene Richtungen zu testen.

Das partizipative Potential von Design wächst von unten aus Initiativen von Einzelpersonen, Interessengruppierungen oder Subkulturen, die in ihren Lebensbereichen etwas verändern wollen, im Gegensatz zu dem von Fachleuten von oben installierten, instruierenden, distinktiven Potential von Design. Dieser Flexibilität als Kriterium der kommunikativen Dimension ästhetischer Erfahrung kann das partizipative Potential von Design durch die Möglichkeit, Veränderungen an einem Produkt vornehmen zu können oder durch das Angebot völlig neuer Produktkonzepte entsprechen.

Beispiel für das partizipative Potential von Design

Viele Möbel von Ikea eignen sich als Beispiel für das partizipative Potential von Design, denn sie können leicht auf- oder abgebaut, mit Farbe oder wenigen Zusatzteilen optisch oder funktional in Relation zu den spezifischen Wünschen oder der flexiblen Lebensweise der Nutzer verändert werden. Sie erleichterten ein an dem ästhetischen Kriterium der Flexibilität orientiertes Verhalten. Auch die wechselhaften ästhetischen Angebote der Mode sind dem partizipativen Potential zuzurechnen, wenn sie nicht als Modediktat nur befolgt, sondern mit eigenen Zutaten vermischt werden und als flexible kommunikative Zeichen innerhalb des sozialen Miteinanders fungieren.

Aber auch in professionellen Handlungsbereichen, die häufig eine hierarchisches Organisationsstruktur aufweisen wie Wissenschaft, Forschung, Sport, Theater usw. kann das Kriterium der Flexibilität ein erstarrtes System aufbrechen, neue Impulse setzen und Entwicklungen ermöglichen. Bewährte Methoden werden testweise modifiziert, alte Deutungen uminterpretiert usw. Beispielsweise präsentieren Studenten der HBK Saarbrücken ihre Projekte nicht in etablierten Galerien, sondern auch mal mitten in der Stadt und provozieren dadurch die Passanten dazu, flexible Kommunikationsprozesse zu beginnen. Der Eventkünstler Christoph Schlingensief stört durch seine Projekte den erwartungsgemäßen Ablauf von traditionellen Ereignissen indem er zusätzliche Kommunikationsprozesse inszeniert, Menschen zum Mitmachen auffordert und somit flexible Wege aufzeigt.

Wertbestimmung > Zum Kriterium der »Vielfältigkeit« bezüglich der polyvalenten Struktur

Im Vergleich zur integrativen Struktur, in der ein implizites Verständnis des Wertungsprinzips der Ganzheitlichkeit angestrebt wird oder zur hierarchischen Struktur, hinsichtlich der die Niveaudifferenz an einer expliziten Zielvorgabe gemessen wird, entwickelt sich das Wertungsprinzip der Vielfältigkeit in der polyvalenten Struktur durch mehrere, meist explizite und verschiedenartige Kommunikationsprozesse zu einer Thematik. Dadurch führt die Orientierung an der polyvalenten Struktur die sozialen Akteure nicht dazu nach der einen, besten Lösung eines Problems zu suchen. Es werden viele kommunikative Wertungsprozesse relational zu unterschiedlichen Bezügen initiiert, die verschiedenartige gute Ergebnisse anstreben.

Vielfältigkeit als ästhetisches Kriterium bezüglich der kommunikativen Dimension der ästhetischen Erfahrung wirkt sich dahingehend aus, dass erstens die Fähigkeit zur ironischen Distanz wichtig wird, die beispielsweise hinsichtlich dem Kriterium der Ganzheitlichkeit eher negativ wirken würde. Zweitens ist flexibles Denken gefordert und drittens die Kompetenz zur adäquaten Definition einer dem speziellen Fall entsprechenden Richtgröße.

Das partizipative Potential von Design kann dem ästhetischen Kriterium der Vielfältigkeit zum Beispiel durch das Angebot von unterschiedlichen, je spezielle Vorteile bietenden Entwurfsvarianten zu einer Thematik entgegenkommen.

Beispiel für das partizipative Potential von Design

Die Befürwortung des Privatfernsehens zu Beginn der achtziger Jahre war großteils dadurch motiviert, ein vielfältiges Angebot zu erzeugen und das Meinungsmonopol der staatlichen Sender zu brechen. Nachrichten sollten unterschiedlich kommentiert werden, um diesbezüglich das Entstehen vielfältiger Kommunikationsprozesse zu fördern. Ob dieser Anspruch jemals mit der wünschenswerten Qualität eingelöst wird, ist fraglich. Trotzdem setzen die Sender in ihrer Berichterstattung zum gleichen Ereignis verschiedene Schwerpunkte und regen dadurch nicht nur zur passiven Rezeption, sondern auch zur kritischen Diskussion im Kreise der Zuschauer an. Dass durch die Quantität der Medien und ihre gegenseitige Bezugnahme oft belanglose Themen aufgebauscht werden, kann nicht den Effekt verdecken, dass dieser Mechanismus auch hinsichtlich wichtiger Themen die Möglichkeit öffnet, diese für zielgruppengerecht aufzubereiten und unter verschiedensten Aspekten zu behandeln.

Dem Kriterium der Vielfältigkeit entspricht auch die Adaption und neue Interpretation von altbekannten Opern, Theaterstücken oder Literaturvorlagen für Drehbücher. Diese gewinnen durch neue Interpretationen ein größeres Publikum. Durch Kontroversen um die vielfältigen Auslegungen kann zudem Konfliktfähigkeit eingeübt werden.