Begegnung > Zum Kriterium der »Vorbehaltlosigkeit« bezüglich der integrativen Struktur

Konflikte zwischen den Wünschen des Individuums und den Anforderungen des sozialen Systems entstehen mit Orientierung an der integrativen Struktur kaum. Außer sehr elementaren Tabus gibt es für die kommunikative Dimension der Erfahrung auch im Subprozess der mitmenschlichen Begegnung wenig Vorbehalte oder Grenzen. Diese unreflektierte Vorbehaltlosigkeit ist völlig anders zu verstehen als eine bewusste Offenheit. Wenn alle Menschen den Kriterien der integrativen Struktur folgend harmonisch zusammenleben oder sich solange aus dem Weg gehen, bis das Gefühl von Zusammengehörigkeit wieder hergestellt ist, tauchen gar keine ernsteren Konflikte auf. Fesseln werden erst bei dem Wunsch wegzugehen spürbar und bezogen auf die integrative Struktur scheint es, als wolle selten jemand ausscheren.

Bezüglich der integrativen Struktur sind alle Beteiligten gleichwertig. Diese Egalität wird nicht weiter reflektiert, sondern recht naiv als selbstverständlich vorausgesetzt. Deshalb erfasst das Kriterium der freundlichen Vorbehaltlosigkeit die Erfahrung der kooperativen, mitmenschlichen Begegnung am besten. Weder zu viel Zuwendung noch zu starke Ablehnung, weder enthusiastische Gefühle noch scharfe Kritik haben hier Platz. Wahrscheinlich ist dies der Grund dafür, dass sich ein soziales System mit integrativer Struktur schwerlich über den durchschnittlichen Konsens des kleinsten gemeinsamen Nenners hinausentwickeln wird. Insbesondere deshalb, weil der Konsens so umfassend werden kann, dass auch abweichende Ansätze großzügig und verständnisvoll aufgenommen werden und damit fruchtbaren, weiterführenden Auseinandersetzung jede Wirkung entzogen bleibt.

Das kollektive Potential von Design kann dem Kriterium der Vorbehaltlosigkeit beispielsweise durch die Vermeidung abgrenzender Zeichen Rechnung tragen. Dies ist besonders im Servicebereich zu beachten.

Beispiel für das kollektive Potential von Design

Im öffentlichen Lebensalltag erwarten auch Menschen, die sich ansonsten an einer anderen sozialen Organisationsstruktur orientieren, Vorbehaltlosigkeit in der zwischenmenschlichen Begegnung. Wenn Menschen, die in Dienstleistungsberufen arbeiten und dadurch
soziale Schlüsselpositionen innehaben wie Schaffner, Verkäufer, Briefträger, Vertreter, Lehrer den Kunden mit Vorbehaltlosigkeit begegnen und sich so verhalten, als ob abgrenzende Zeichen gar nicht vorhanden wären, verbreiten sie das Gefühl, dass die integrative Organisationsstruktur weiterhin als eine Basis menschlichen Zusammenlebens fungieren kann.

Verkäuferinnen in Parfümerien oder Boutiquen sollten nicht zu hübsch und gepflegt aussehen, um weniger perfekt gestylte Kundinnen nicht abzuschrecken und den Kundenkontakt nach dem Kriterium der Vorbehaltlosigkeit gestalten zu können. Die Gestaltung der Polizeiuniformen sollte je nach Einsatzbereich variabel gestaltet sein. Das positive Image des bürgernahen, hilfsbereiten Polizisten, dem mit Vorbehaltlosigkeit zu begegnen ist und der ebenso auf die Bürger zugehen soll, wird durch dunkle, militärisch wirkende Uniformen nicht unterstützt.

Unterstützung > Zum Kriterium der »Hilfsbereitschaft« bezüglich der integrativen Struktur

Kooperation innerhalb dieser Organisationsstruktur erfolgt großteils mit dem Bewusstsein, sich auf die gegenseitige Hilfsbereitschaft verlassen zu können. Die Lösung eines Problems wird mit den besten verfügbaren Kräften in Angriff genommen, ohne lange zu planen oder zu zögern. Beispielsweise zeigt jemand in einer alltäglichen Situation spontan Zivilcourage und hilft, obwohl er noch nicht weiß, wie das Problem zu bewältigen ist. In intakten Familien stehen die Familienmitglieder einander bei und wissen, dass sie sich gegenseitig auf die Hilfe der anderen verlassen können ohne ihre Notlage erst rechtfertigen zu müssen.

Das kollektive Potential von Design kann dem Kriterium der Hilfsbereitschaft durch die Signalisierung von Offenheit und Unvoreingenommenheit entsprechen.

Beispiel für das kollektive Potential von Design

Ein Angebot im Sinne des Kriteriums der Hilfsbereitschaft das an keine Vorbedingungen geknüpft ist, stellt die Telefonseelsorge bereit. Zu den 1973 vom internationalen Verband für Telefonseelsorge in Genf verabschiedeten Richtlinien gehört neben der Wahrung von Anonymität und Diskretion insbesondere die Ideologiefreiheit und die Unabhängigkeit der Hilfeleistung von jeglichem politischen oder religiösem Druck auf den Anrufer. Dieser soll sich überdies darauf verlassen können, dass das Hilfsangebot der Telefonseelsorge permanent für ihn erreichbar ist.

Verbindung > Zum Kriterium der »Gemeinschaftlichkeit« bezüglich der integrativen Struktur

Bezogen auf die integrative Struktur besitzen Abgrenzungen nur dann eine Bedeutung, wenn ein Beteiligter nicht bereit ist, seine Erfahrungskreation entsprechend den Kriterien zum Teilprozess der Konvention ­ Ganzheitlichkeit, Durchmischbarkeit und Zweckmäßigkeit ­ auszurichten. Beteiligungswillige oder bereits Beteiligte, die diesbezüglich nicht allzu stark vom angepassten Verhalten abweichen, werden als gleichberechtigt und gleichwertig behandelt. Im Prinzip ist Kooperation immer möglich. Die Beteiligten fühlen sich nach dem Kriterium der Gemeinschaftlichkeit verbunden oder entwickeln dieses Kriterium im Subprozess der Verbindung. Dies zeigt sich in der raschen Ausdehnung und Übertragung von Beziehungen der Beteiligten, welche über die zuallererst verbindende Thematik hinausgeht. Es entstehen schnell freundschaftliche Beziehungen, in denen unabhängig von Kompetenzen verschiedenste Themen in die Kommunikation eingebracht werden. Zum Beispiel führt dies dazu, bei kleinen gesundheitlichen Problemen dem Rat eines Freundes, mit dem man das Gefühl einer gemeinschaftlichen Verbundenheit teilt, mehr Vertrauen zu schenken als dem Facharzt.

Hinsichtlich dem kollektiven Potential von Design wird erwartet, dass es dem Kriterium der Gemeinschaftlichkeit Ausdruck gibt und sein Zustandekommen in der Erfahrung bestärkt.

Beispiel für das kollektive Potential von Design

Die Beliebtheit von Cluburlauben mit Betreuung durch Animateure, die dabei helfen, Kontakte zueinander herzustellen, zeigt, dass viele Menschen unter einem Defizit von Gemeinschaftlichkeit leiden und dieses Erlebnis wenigstens im Urlaub suchen. Im öffentlichen Bereich sollten Gelegenheiten für Begegnungen geschaffen werden, die das Entstehen des Gefühls von Gemeinschaftlichkeit fördern, um zumindest zeitweise überwinden. Aus diesem Grunde ist es weiterhin wichtig, traditionelle Volksfeste zu attraktiven Begegnungsstätten für alle Menschen auszugestalten. Event-Design im Auftrag von sozialen Trägern wie den Kommunen müsste zur Verbesserung der Qualität solcher kollektiver Ereignisse stärker einbezogen werden.

Die Präsentation von internationalen Sportereignissen wie der Fußball-Weltmeisterschaft in den Medien ist darauf angelegt, wenigstens phasenweise das Gefühl von Gemeinschaftlichkeit quer durch die Bevölkerung eines Landes aufkeimen zu lassen. Wie wichtig dies in politischer Hinsicht ist, zeigte der angekündigte Verzicht auf Steuereinnahmen, falls Deutschland zum nächsten Austragungsort gewählt würde.

Beispielhaft für alltägliche Bereiche, in denen das Zustandekommen von Gemeinschaftlichkeit durch das kollektive Potential von Design, also die Einfachheit, das Absehen von Statuszeichen usw. unterstützt wird, sind manche Waschsalons, die sich allein aufgrund der Kooperation der Benutzer zu lockeren Treffpunkten entwickelt haben.

Belohnung > Zum Kriterium des »Verständnisgegebenheit« bezüglich der integrativen Struktur

Im Hinblick auf die Orientierung an der integrativen Struktur findet der Einzelne jederzeit Verständnis und kann sich in der Gemeinschaft aller an einem sozialen System Beteiligter geborgen fühlen. Am ehesten ist dies im Bezug zur sozialen Wirklichkeit innerhalb der Familie oder dem engen Freundeskreis der Fall. Ein Interessenskonflikt zwischen dem Individuum und dem sozialen System wird nicht registriert. Daher leidet das Individuum nicht unter seiner Abhängigkeit von der Gemeinschaft. Die Einschätzung der individuellen Position erfolgt deshalb nicht im Vergleich mit höheren, besseren oder weiterentwickelten Positionen, sondern in direkter Bezugnahme auf das Gefühl der Zusammengehörigkeit, das Verständnis, den Konsens, die verbindende Ganzheitlichkeit als Wertungsprinzip. Eine Sehnsucht nach Verständnis füreinander und die Empfindung dessen Mangels in der heute vorherrschenden Gesellschaftsorganisation drücken die Statements der anlässlich der 12. Shell-Jugendstudie befragten Jugendlichen aus (vgl. Jugendwerk der Deutschen Shell, 1997). Das Kriterium der Verständnisgegebenheit als positiv empfundene Bedingung für die Erfahrung mit dem Schwerpunkt der kommunikativen Dimension und der integrativen Struktur ist ein wichtiger Anreiz zum Engagement bezüglich einem sozialen System.

Da die heutige soziale Lebenskomplexität nicht mehr durch ein einziges, die gesamte Gesellschaft umschließendes System mit integrativer Struktur zu erfassen ist, filtern sich verschiedene soziale Systeme aus, die jeweils ihr internes, selbstverständliches, mit einem blinden Fleck belegtes und daher unsichtbares, kollektives Potential pflegen. Deshalb bestehen heute mehrere, durch ästhetische Gewohnheiten Gemeinsamkeit kultivierende und Verständnis für die Beteiligten ausdrückende soziale Systeme mit integrativer Struktur nebeneinander. Diese konkurrieren nicht automatisch, denn jede Gruppierung belegt ihre soziale Nische. Beispielsweise engagieren sich die Menschen nicht mehr ausschließlich in der offiziellen Amtskirche, sondern in Sekten oder Vereinen mit sozialem Engagement, um genau das Verständnis zu finden und weiterzuverbreiten, das sie anspricht.

Der Konsens im ästhetischen Empfinden ist wichtiger als die Erfüllung individueller Vorlieben oder die repräsentative Aufwertung der eigenen Person. Naturgegebene Besonderheiten wie körperliche Merkmale oder Behinderungen werden hingenommen aber ansonsten ist Auffallen verpönt. Deshalb werden Designgegenstände, welche die Integration der Person in ihrem sozialen Umfeld verstärken und ihrem Gemeinsinn Ausdruck geben, ausgewählt und ungewöhnliche Objekte, die eine Besonderheit offenlegen könnten, gemieden. Dementsprechend kann das Kriterium der Verständnisgegebenheit als attraktive Belohnung im Teilprozess der Partizipation bezüglich einem sozialen System mit integrativer Struktur durch das kollektive Potential von Design gefördert werden.

Beispiel für das kollektive Potential von Design

Im Modebereich gibt es bei fast jeder Firma eine Produktkategorie, welche die Basisprodukte wie Sweat-Shirt, Hose, Bluse und Jacke abdeckt. Diese Kleidung passt im Prinzip immer, weil sie nicht besonders auffällt und kann je nach Gelegenheit aufgepeppt werden. Solche Produkte, die häufig auch die Geschlechter einander angleichen wie die Parfums von Calvin Klein oder Hugo Boss, erleichtern durch ihr kollektives Potential von Design das gemeinsame Grundverständnis zwischen jungen Leuten. Zuerst setzten die Firmen Benetton und Esprit dieses Basic-Konzept um. Wegen seines Markterfolgs wurde es inzwischen auch von anderen Produktbereichen wie Küchenbedarf oder Mobiliar übernommen.

Anforderung > Zum Kriterium des »Einbringungsfähigkeit« bezüglich der integrativen Struktur

Bezüglich der intergrativen Struktur werden alle mithelfenden, die Persönlichkeit zurückstellenden Aktivitäten, die dem Fortbestand der Struktur und dem Wohlergehen aller dienen, benötigt. Neue Impulse, die im polyvalenten Strukturtyp aufgenommen werden würden oder pedantisches Nachmachen, das in der hierarchischen Struktur Belohnung fände, bleiben unbeachtet. Grundsätzlich wird das Mitmachen bei allen gemeinsamen Aktivitäten erwartet, ohne dass es erforderlich ist, in einer Richtung hervorragende Leistungen zu erbringen, allein das Kriterium der Einbringungsfähigkeit muss erfüllt sein. Beispielsweise kann sich im Prinzip jeder an Karnevalveranstaltungen beteiligen, wenn er ein Kostüm trägt und sich in eine Gruppe einbringt. Manchmal wird durch Vereinfachung der Anforderung ein zuvor hierarchisch strukturiertes System mit strengen Beteiligungsvorgaben und hohen Anforderungen aufgebrochen und kollektiv zugänglich gemacht. So sind Vereine, die an Mitgliederschwund leiden, gezwungen, ihre Anforderungen gegenüber Interessenten herunterzuschrauben und in erster Linie deren grundsätzliche Einbringungsfähigkeit zu würdigen.

Das Erfüllen der Anforderung der Einbringungsfähigkeit kann erstens durch die Vereinfachung der Aufgaben mittels dem kollektiven Potential von Design erleichtert werden. Zweitens hilft die Modifizierung von Aufgaben dabei, das Kriterium der Einbringungfähigkeit als positiv erfahrbar zu gestalten.

Beispiel für das kollektive Potential von Design

Um mehr Menschen aktive Beteiligung, nicht nur passives Zuschauen oder Zuhören bei Radio- oder Fernsehsendungen zu ermöglichen, werden kleine Gewinnspiele oder Quizsendungen mit sehr leicht zu beantwortenden Fragen durchgeführt. Viele Fernsehshows sind so konzipiert, dass die Mitwirkenden nur solche Aufgaben zu lösen haben, die wenig Geschicklichkeit oder die übliche Allgemeinbildung erfordern und deren Lösung vom Zufall abhängt, um die Einbringungsfähigkeit der Kandidaten zu würdigen und sie nicht bloßzustellen.

Die Werbung einiger Internetprovider ist darauf angelegt, Menschen, die sich an der integrativen Struktur orientieren, anzusprechen. Den Kunden wird in Aussicht gestellt, dass sie nach der Einrichtung eines Netzanschlusses nur das Kriterium der Einbringungsfähigkeit durch Beteiligung an Chat-Gruppen usw. erfüllen müssen, um zu einem Mitglied der Netzgemeinschaft zu werden.

Wiederholt kommen Diskussionen um den Sinn von uniformer Schulkleidung, die für das kollektive Potential von Design steht, auf. Sie sind davon motiviert, Barrieren abzubauen, die zwischen Kindern, deren Eltern sich teure Markenkleidung leisten können und solchen, die hierzu nicht fähig sind, entstehen. Die Kinder sollen dazu gebracht werden, sich an einer integrativen Struktur zu orientieren und ihre Einbringungsfähigkeit in die Gemeinschaft sowie den Unterricht, positiv zu entwickeln. Solange dieses Problem nicht gelöst ist, wird die umgekehrte Richtung verfolgt. So unterstützt das Sozialamt die Kinder finanzschwacher Familien durch den Kauf von Markenkleidung oder Markenspielzeug, damit die elementare Einbringungsfähigkeit und Integration in eine Gruppe Gleichaltriger gesichert ist.

Zielsetzung > Zum Kriterium der »Reibungslosigkeit« bezüglich der integrativen Struktur

Zur integrativen Struktur passt die Überzeugung, dass sie sich aus sich selbst heraus weiterentwickelt. Im Vertrauen auf die Logik der Natur wird angenommen, dass alles, einer inneren Zielrichtung folgend zweckmäßig, sich Schritt für Schritt verbessernd weiterwächst. Das höchste Qualitätskriterium der integrativen Struktur ist die Reibungslosigkeit, das zweckmäßige, harmonische Ineinandergreifen aller Einzelfunktionen. Eine bestimmte Auffassung von Bionik, der Kombination aus Technik und Biologie, vergleicht systematisch technische mit biologischer Zweckmäßigkeit. Häufig belegt das Ergebnis die Überlegenheit der Natur. In der Natur scheint alles aufs beste, ohne überflüssige Details, zweckmäßig organisiert zu sein. Laut diesem Modell entfalten sich die immanenten, teleologischen Anlagen der Natur von selbst. Der Mensch braucht sich nur einzufügen und sollte keine Veränderungen vornehmen. Hier wird die zu der integrativen Struktur passende mythische Auffassung einer zweckvollen und zielstrebigen Eigendynamik des Weltgeschehens mit dem Wunsch nach der Sinnhaftigkeit dieses Geschehens für die Menschheit kritiklos vermischt. Fälle in denen offensichtlich unzweckmäßige Formen entwickelt wurden wie Untersuchungen von Vogelarten oder Fischen beweisen, bleiben ausgeklammert oder werden als Fehlentwicklungen abgewertet.

Dem Kriterium der Reibungslosigkeit in der integrativen Struktur entspricht das kollektive Potential von Design, das von dem natürlichen Ineinandergreifen von Individualität und sozialem Miteinander ausgeht. Für alle Menschen, da sie von gleicher Natur sind, gelten die gleichen ästhetischen Kriterien. Alles Zweckmäßige und reibungslos Funktionierende ist gleichzeitig gut, einfach und schön.

Beispiel für das kollektive Potential von Design

Als beispielhaft für Design, das aus der Intention entstand, zu einer zweckvolle Reibungslosigkeit des sozialen Alltagslebens beizutragen, gelten die Gebrauchsgegenstände der Shaker, einer religiösen Glaubensgemeinschaft, die in Amerika in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erstarkte. Auch die Entwürfe von Jasper Morrison folgen diesem Ansatz, keine Statusobjekte, sondern funktionierende, schlichte Gegenstände zu entwerfen, ähnlich wie bereits Mart Stam, dessen Entwürfe seinem sozialreformerischen Anliegen verpflichtet waren. Allerdings haben weder die Produkte der Shaker, noch die Stams oder Morrisons Eingang in das kollektive Potential gefunden, sondern blieben einer designbewussten und zahlungskräftigen Klientel vorbehalten.

Aktuelle, tatsächlich im kollektiven Potential von Design verankerte und dem Kriterium der Reibungslosigkeit entsprechende Gegenstände aus dem Alltag sind stapelbare, billige Plastikstühle und quadratische Freizeitzelte, die in jedem Baumarkt erhältlich sind und sich rasch in den Vorgärten ausgebreitet haben sowie auch die überall verwendeten Einkaufstaschen aus unbedrucktem, naturfarbenem Stoff. Viele Küchenutensilien der Firma Fackelmann sind in jedem Haushalt zu finden, ohne dass die Benutzer den Firmennamen oder gar den Designer kennen und sind somit dem kollektiven Potential von Design zuzuordnen.

Wandlung > Zum Kriterium der »Durchmischbarkeit« bezüglich der integrativen Struktur

Eine Wandlung wird bezüglich der integrativen Struktur durch das Kriterium der Durchmischbarkeit für die Erfahrung positiv erfasst. Derjenige, der sich in ein System mit integrativer Struktur eingebunden fühlt, orientiert sein Verhalten am langsamen, von Durchmischung der Kommunikationsbeiträge geprägten Wandel des Systems. Hierzu tragen erstens Alterungsprozesses von Material, Vergänglichkeit und Erneuerung oder die jeweils aktualisierte Anpassung des Menschen an die vorgefundene Umwelt, Natur, Behausung, Gebrauchsgerät und zweitens die Fortsetzung der gewachsenen Tradition bei. Spezialisierte oder kontroverse Wandlungsprozesse bestehen in der integrativen Struktur nur kurz. Da alle Beteiligten eines integrativ strukturierten Systems durch ihre Kommunikationsbeiträge einen stetigen Durchmischungsprozess erzeugen, nivellieren sie dadurch zu exponierte Beiträge. Die neutralisierende Durchmischung der Kommunikationsbeiträge in sozialen Systemen mit integrativer Struktur, in die verschiedene individuelle und soziale Prozesse einfließen und dabei zunehmend ihre Besonderheit verlieren, verändert sich im zähen Dahinfließen. Dieser langsame Wandel wird seit Dilthey inzwischen auch alltagssprachlich mit Zeitgeist bezeichnet. Im Unterschied zu Hegels Begriff des Zeitgeists als Erscheinung des objektiven Geistes einer Zeit, der sich in einem spiralförmigen, dialektischen Fortschrittsprozess zum absoluten Geist perfektioniert, meint die umgangssprachliche Verwendung des Begriffs das Entstehen eines zu einer bestimmten Zeit allgemein verbreiteten Lebensgefühls und Wissensstands. Rock, Punk und Techno usw. sind zunächst als musikalischer Ausdruck für die Mitwirkung an einem bestimmten sozialen System entstanden, wurden dann aber in alle Lebensbereiche integriert und als populäres, kollektives Potential gemeinsam weiterentwickelt. Gleiches gilt für Modeströmungen. Inhalte, die anfangs hinter diesen Ausdrucksformen standen verlieren ihre Bedeutung, indem sie vom allgemeinen Zeitgeist aufgesogen werden und in der mitmenschlichen Begegnung keine besondere Beachtung mehr finden. Nach dieser Absorption ist es kein geheimes Gruppenzeichen mehr, einen Ohrring oder Nasenring zu tragen, sich tätowieren zu lassen usw., sondern es gehört zum allgemeinen In-Sein, mit diesen Zeichen zu spielen, ohne deren gewachsene Bedeutung zu kennen oder mitteilen zu wollen.

Von dem kollektiven Potential von Design erwartet jeder an der integrativen Struktur Beteiligte, dass er dies ohne großen Lernaufwand für die weitere Kommunikation nutzen kann. Dies unterstützt bezüglich der kommunikativen Dimension der ästhetischen Erfahrung das Gefühl, jederzeit, trotz der Wandlung als einem Subprozess im Teilprozess der Bildung von Konventionen, auf dem letzten Stand der Kommunikation zu sein. Das kollektive Potential von Design wandelt sich mit dem Durchmischungsprozess. Es entspricht dem Kriterium der Durchmischbarkeit durch die unspezifische Verwendung ästhetischer Elemente oder auch durch naheliegende, nicht experimentell entwickelte oder kreativ geschaffene Kombinationen von tradierten und neuen Herstellungstechniken und Materialien.

Beispiel für das kollektive Potential von Design

Innerhalb der japanischen Kultur sind große individuelle Unterschiede im Verhalten oder der Kleidung nicht erwünscht. Sie basiert in weiten Bereichen auf der integrativen Struktur und unterliegt einer von Durchmischungsprozessen gekennzeichneten Wandlung. Traditionen werden zwar gepflegt, doch neue, interessant scheinende Elemente, beispielsweise der westlichen Kulturen, werden zwanglos aufgenommen.

Ein Beispiel für die praktische Umsetzung des ästhetischen Kriteriums der Durchmischbarkeit ist die Verbreitung von kommunikativ erzeugtem Wissen als Basis des kollektiven Potentials von Design auf alle möglichen Bereiche. Dies kommt im Heimwerkerbereich vor: wenn einmal bekannt ist, wie Dielen verlegt werden wird der gesamte Fußboden belegt und anschließend die Wände verkleidet; in der Industrie: wenn einmal bekannt ist, wie Leuchten aus Metallrohr hergestellt werden, entstehen unzählige Variationen; im Designstudium: wenn einmal bekannt ist, wie interessant lackiertes, geriffeltes Plexiglas wirkt, wird es für jedes Modell verwendet oder in Designstudios: wenn einmal bekannt ist, wie ein modisches Layout entsteht, werden die gleichen Gestaltungselemente ob für Printmedien, TV-Inserts oder CD-Roms eingesetzt. In allen Fällen wird nicht gefragt, ob die Ausdehnung der Erkenntnisse auf andere Bereiche sinnvoll ist oder ob dies den Nutzern zusagt. Ohne Rücksicht auf bereichsspezifische Probleme oder individuelle Vorlieben wird eine neue Erkenntnis in alle Bereiche integriert und mit dem bisherigen Wissensstand durchmischt, bis auch sie zum kollektiven Allgemeingut gehört.

Wertbestimmung > Zum Kriterium der »Ganzheitlichkeit« bezüglich der integrativen Struktur

Ganzheitlichkeit ist das elementare Wertungsprinzip der integrativen Struktur. Konflikte durch gegensätzliche oder einen Unterschied hervorhebende Kommunikationsbeiträge werden im Konsens aufgehoben. Nach dem Prinzip der Ganzheitlichkeit hängt alles mit allem zusammen. Menschen, die sich an diesem Wertungsprinzip orientieren oder es als wesentliche Konvention eines Systems implizit verinnerlicht haben, neigen dazu, mit einem Hang zur Romantik oder zum Mythos, das Kriterium der Ganzheitlichkeit zu universalisieren. Alles Leben entfaltet sich aus dieser Einheit und führt wieder zu ihr zurück. Individuen sind als Teile der umfassenden Ganzheitlichkeit zu verstehen. Mit gemeinsamer Orientierung an dem Wertungsprinzip der Ganzheitlichkeit überbrückt die zwischenmenschliche Kommunikation alle möglichen Unterschiede.

Ganzheitlichkeit in ihren verschiedensten Erscheinungsformen wird auch als Wertungsprinzip für die ästhetische Erfahrung übernommen. Hierin gründet eine Verweigerungshaltung gegenüber komplexem Fachwissen, sei es geistiger oder praktischer Art, wie Mathematik oder Technik. Dies stellt zum Beispiel R. M. Pirsig in seinem Roman »Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten« (dt. 1978) dar. Er schildert die Schwierigkeit eines Motorradfahrers, der eher dem integrativen Strukturtyp und damit dem Wertungsprinzip der Ganzheitlichkeit zugeneigt ist, sich mit der differenzierten Technik seines Fahrzeugs auseinanderzusetzen. Zu dem ästhetischen Kriterium der Ganzheitlichkeit gehört die Vorstellung der Möglichkeit eines unmittelbaren harmonischen Miteinanders. Das diesbezüglich spezifizierte Potential von Design sollte diese kommunikative Erfahrung der Harmonie unterstützen.

Weil schwer nachvollziehbare Spezialisierungen, ob funktionaler, materialspezifischer oder produktionstechnischer Art eher abgelehnt werden, zeichnet sich das kollektive Potential von Design durch eine unspezialisierte Gebrauchsfunktion, wenig veredelte Materialien, eine leicht herstellbare Konstruktion und eine tendenziell schlichte ästhetischer Anmutung aus.

Beispiel für das kollektive Potential von Design

Volkstümliche Musik, bei der jeder mitsingen und mitschunkeln kann, die Eckbank daheim, auf der sich immer noch ein Platz für unerwartete Besucher findet, Eintopfgerichte, die TV-Show für die ganze Familie oder die den gewöhnlichen Alltag thematisierende Serie vermitteln als kollektives Potential von Design das ästhetische Kriterium der Ganzheitlichkeit.

Selten sind solche Produkten oder Ausdrucksformen tatsächlich das Resultat von kollektivem Zusammenwirken. Dies ist für die Menschen, die sich an der integrativen Struktur orientieren, meist weniger wichtig. Sie akzeptieren ebenso Produkte, die gezielt so gestaltet sind, als wäre ihr Harmonie ausdrückendes Design kollektiv entstanden, denn auch diese können das Zustandekommen und die Erhaltung von Harmonie fördern. So darf beispielsweise ein Volkslied auch neu komponiert sein. Der Erfolg von Guildo Horn im Jahr 1997 ist als ein Indiz für den großen Bedarf an dem Ganzheitlichkeit und zwischenmenschliche Harmonie ausdrückenden, kollektiven Potential von Design.