Wertbestimmung > Zum Kriterium der »Vielfältigkeit« bezüglich der polyvalenten Struktur

Im Vergleich zur integrativen Struktur, in der ein implizites Verständnis des Wertungsprinzips der Ganzheitlichkeit angestrebt wird oder zur hierarchischen Struktur, hinsichtlich der die Niveaudifferenz an einer expliziten Zielvorgabe gemessen wird, entwickelt sich das Wertungsprinzip der Vielfältigkeit in der polyvalenten Struktur durch mehrere, meist explizite und verschiedenartige Kommunikationsprozesse zu einer Thematik. Dadurch führt die Orientierung an der polyvalenten Struktur die sozialen Akteure nicht dazu nach der einen, besten Lösung eines Problems zu suchen. Es werden viele kommunikative Wertungsprozesse relational zu unterschiedlichen Bezügen initiiert, die verschiedenartige gute Ergebnisse anstreben.

Vielfältigkeit als ästhetisches Kriterium bezüglich der kommunikativen Dimension der ästhetischen Erfahrung wirkt sich dahingehend aus, dass erstens die Fähigkeit zur ironischen Distanz wichtig wird, die beispielsweise hinsichtlich dem Kriterium der Ganzheitlichkeit eher negativ wirken würde. Zweitens ist flexibles Denken gefordert und drittens die Kompetenz zur adäquaten Definition einer dem speziellen Fall entsprechenden Richtgröße.

Das partizipative Potential von Design kann dem ästhetischen Kriterium der Vielfältigkeit zum Beispiel durch das Angebot von unterschiedlichen, je spezielle Vorteile bietenden Entwurfsvarianten zu einer Thematik entgegenkommen.

Beispiel für das partizipative Potential von Design

Die Befürwortung des Privatfernsehens zu Beginn der achtziger Jahre war großteils dadurch motiviert, ein vielfältiges Angebot zu erzeugen und das Meinungsmonopol der staatlichen Sender zu brechen. Nachrichten sollten unterschiedlich kommentiert werden, um diesbezüglich das Entstehen vielfältiger Kommunikationsprozesse zu fördern. Ob dieser Anspruch jemals mit der wünschenswerten Qualität eingelöst wird, ist fraglich. Trotzdem setzen die Sender in ihrer Berichterstattung zum gleichen Ereignis verschiedene Schwerpunkte und regen dadurch nicht nur zur passiven Rezeption, sondern auch zur kritischen Diskussion im Kreise der Zuschauer an. Dass durch die Quantität der Medien und ihre gegenseitige Bezugnahme oft belanglose Themen aufgebauscht werden, kann nicht den Effekt verdecken, dass dieser Mechanismus auch hinsichtlich wichtiger Themen die Möglichkeit öffnet, diese für zielgruppengerecht aufzubereiten und unter verschiedensten Aspekten zu behandeln.

Dem Kriterium der Vielfältigkeit entspricht auch die Adaption und neue Interpretation von altbekannten Opern, Theaterstücken oder Literaturvorlagen für Drehbücher. Diese gewinnen durch neue Interpretationen ein größeres Publikum. Durch Kontroversen um die vielfältigen Auslegungen kann zudem Konfliktfähigkeit eingeübt werden.

Wertbestimmung > Zum Kriterium der »Niveaudifferenzierbarkeit« bezüglich der hierarchischen Struktur

Während bezüglich der integrativen Struktur die Ganzheitlichkeit als Wertungsprinzip implizit die kommunikative Dimension der ästhetischen Erfahrung beeinflusst, basiert die hierarchische Struktur und die daran orientierte Kommunikation auf einem explizit definierten Wertungsprinzip, das durch unterschiedlichste Zielvorgaben konkretisiert sein kann. Einige Individuen schaffen es der expliziten Zielvorgabe näher kommen und andere entfernen sich von ihr. Die Zielvorgabe ist nicht für alle sozialen Akteure gleichermaßen erreichbar. Zudem erfordert eine der Zielvorgabe entsprechende Beteiligung spezielles Vorwissen, das nicht jeder erwerben kann. Deshalb führt diese Wertbestimmung zu einer Ungleichheit in der Kooperation der Individuen. Zum wesentlichsten Inhalt der Erfahrung wird es, die eigene Position im Vergleich zu den anderen zu bestimmen. Deshalb ist das Kriterium der Niveaudifferenzierbarkeit für Menschen, die sich primär an einer hierarchischen Struktur orientieren, so wichtig.

Im Unterschied zum Kriterium der Ganzheitlichkeit, das im Sinne der erkenntnistheoretischen Richtung des naiven Realismus ohne weitere Reflexion mit dem Glauben an ein unmittelbares Grundverständnis zwischen den Menschen und auch zwischen Mensch und Umwelt verbunden wird, erreicht das Kriterium der Niveaudifferenzierbarkeit bezüglich der hierarchischen Struktur ein höheres Abstraktionsniveau. Konkretisierungen in Form eines entsprechenden Potentials von Design sind nicht bereits im alltäglichen sozialen Miteinander wie durch das kollektive Potential von Design gegeben, sondern müssen grundsätzlich erst entwickelt werden.

Logisches Denken, präzises Befolgen von einmal formuliertem Wissen, exakter Umgang mit Handwerkszeug und ranggemäße Zuordnung des individuellen Vermögens innerhalb der Niveaudifferenz, gehören zu diesem ästhetischen Kriterium. Für jemanden, der sich auf ein bestimmtes Wertungsprinzip eingeschworen hat und seine ästhetische Erfahrung an der diesbezüglichen Perfektion aller Komponenten ausrichtet, ist es oft nicht mehr möglich auf kritische Distanz zu gehen und erstens zu bemerken, dass neben dem gewählten Wertungsprinzip noch alternative Prinzipien stehen sowie zweitens deren mögliche Gleichwertigkeit anzuerkennen. Dies gilt nicht nur hinsichtlich Werten wie dem Einkommen oder dem Bildungsstatus, sondern kann auch die nach spezifischen Zielvorgaben entstanden Niveaudifferenzierung innerhalb wissenschaftlichen Systemen beeinflussen. Die Konzentration auf eine dominante Wertbestimmung erschwert einen Paradigmenwechsel (vgl. Kuhn, 1976).

Eine an der hierarchischen Struktur orientierte ästhetische Erfahrung sucht nach Designangeboten, die dem jeweils erreichten Niveau Ausdruck geben. Das distinktive Potential von Design muss daher, um dem Kriterium der Nieveaudifferenzierbarkeit zu entsprechen, Abstufungen hinsichtlich dem repräsentativen Status wie Funktionsqualität oder handwerklicher Präzision ausdrücken.

Beispiel für das distinktive Potential von Design

Ein Merkmal des distinktiven Potentials von Design ist die niveaugerechte, spezialisierte, ohne Vorwissen nicht erschließbare Verkoppelungen von Form und Inhalt. Deshalb sind Materialien, Konstruktion und Fertigungstechniken nach expliziten Regeln anzuwenden. Kein Detail ist zufällig, jedes Gestaltungselement repräsentiert eine Bedeutung. Bezüglich dem distinktiven Potential von Design entspricht jedem ästhetischen Ausdruckselement ein bestimmter Wert auf einer gedachten Skala zur Niveaudifferenz. Insbesondere im Automobilbereich gibt es fein abgestufte Unterschiede in der Ausstattung der Typenklassen. Wie wichtig dieses distinktive Potential von Design für die Kunden ist, zeigt der Markterfolg von Accessoires, die mit dem Produkt Auto wenig zu tun haben, aber sich dessen jeweiligem Niveau und Sozialprestige zuordnen lassen. Diese Produkte geben auch einem Kunden, der sich das zugehörige Auto nicht leisten kann das Gefühl, wenigstens mit der richtigen Sonnenbrille und der aus seiner Sicht standesgemäßen Lederjacke ausgestattet zu sein.

Durch solche Zuordnungen entsteht ein Stil, der die niveaugerechte kommunikative Dimension der ästhetischen Erfahrung prägt. Solange der Zusammenhang der Ausdruckselemente mit einem Niveau durch entsprechende Kennerschaft der sozialen Akteure lebendig gehalten wird, gilt dieser Stil zwar als ästhetischer Kanon, der als Idealzustand anzustreben ist, jedoch ständig kleine Veränderungen erfährt und in der gewünschten Perfektion oft unerreichbar bleibt. Kommt es aber zu einer Absolutsetzung der Zielvorgabe, dann erstarren die kleinen Veränderungsprozesse und das Erkennen der zugehörigen Niveaudifferenz erfordert immer weniger spezifische Kennerschaft, bis schließlich ein Bruch der spezifischen Einheit von Form und Inhalt und die Mutation des lebendigen Stils zu einem inhaltsleeren Formalismus eintritt.

So wählen viele Menschen, die schnell zu Wohlstand gekommen sind, sich an der hierarchischen Struktur orientieren und ihren neuen Status durch den Erwerb teurer Produkte präsentieren wollen, nicht die wirklich wertvollen Stücke aus, sondern diejenigen, die von jedermann für solche gehalten werden. Beispielsweise ist dies am Konsumverhalten wohlhabender Bürger ehemaliger Ostblockländer zu beobachten, welche sich mit überdimensionierten Möbeln, die teils aus Spanplatten gefertigt sind, ausstatten. Ihnen fehlt zwar die erforderliche ästhetische Kennerschaft, die sie bräuchten, um von den Insidern dieses Niveaus anerkannt zu werden, dies schadet aber nicht, wenn die Deutlichkeit und leichte Erkennbarkeit des nun erreichten Niveaus für gesellschaftlich weiter unten stehende Menschen ihres Landes Priorität hat.

Wertbestimmung > Zum Kriterium der »Ganzheitlichkeit« bezüglich der integrativen Struktur

Ganzheitlichkeit ist das elementare Wertungsprinzip der integrativen Struktur. Konflikte durch gegensätzliche oder einen Unterschied hervorhebende Kommunikationsbeiträge werden im Konsens aufgehoben. Nach dem Prinzip der Ganzheitlichkeit hängt alles mit allem zusammen. Menschen, die sich an diesem Wertungsprinzip orientieren oder es als wesentliche Konvention eines Systems implizit verinnerlicht haben, neigen dazu, mit einem Hang zur Romantik oder zum Mythos, das Kriterium der Ganzheitlichkeit zu universalisieren. Alles Leben entfaltet sich aus dieser Einheit und führt wieder zu ihr zurück. Individuen sind als Teile der umfassenden Ganzheitlichkeit zu verstehen. Mit gemeinsamer Orientierung an dem Wertungsprinzip der Ganzheitlichkeit überbrückt die zwischenmenschliche Kommunikation alle möglichen Unterschiede.

Ganzheitlichkeit in ihren verschiedensten Erscheinungsformen wird auch als Wertungsprinzip für die ästhetische Erfahrung übernommen. Hierin gründet eine Verweigerungshaltung gegenüber komplexem Fachwissen, sei es geistiger oder praktischer Art, wie Mathematik oder Technik. Dies stellt zum Beispiel R. M. Pirsig in seinem Roman »Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten« (dt. 1978) dar. Er schildert die Schwierigkeit eines Motorradfahrers, der eher dem integrativen Strukturtyp und damit dem Wertungsprinzip der Ganzheitlichkeit zugeneigt ist, sich mit der differenzierten Technik seines Fahrzeugs auseinanderzusetzen. Zu dem ästhetischen Kriterium der Ganzheitlichkeit gehört die Vorstellung der Möglichkeit eines unmittelbaren harmonischen Miteinanders. Das diesbezüglich spezifizierte Potential von Design sollte diese kommunikative Erfahrung der Harmonie unterstützen.

Weil schwer nachvollziehbare Spezialisierungen, ob funktionaler, materialspezifischer oder produktionstechnischer Art eher abgelehnt werden, zeichnet sich das kollektive Potential von Design durch eine unspezialisierte Gebrauchsfunktion, wenig veredelte Materialien, eine leicht herstellbare Konstruktion und eine tendenziell schlichte ästhetischer Anmutung aus.

Beispiel für das kollektive Potential von Design

Volkstümliche Musik, bei der jeder mitsingen und mitschunkeln kann, die Eckbank daheim, auf der sich immer noch ein Platz für unerwartete Besucher findet, Eintopfgerichte, die TV-Show für die ganze Familie oder die den gewöhnlichen Alltag thematisierende Serie vermitteln als kollektives Potential von Design das ästhetische Kriterium der Ganzheitlichkeit.

Selten sind solche Produkten oder Ausdrucksformen tatsächlich das Resultat von kollektivem Zusammenwirken. Dies ist für die Menschen, die sich an der integrativen Struktur orientieren, meist weniger wichtig. Sie akzeptieren ebenso Produkte, die gezielt so gestaltet sind, als wäre ihr Harmonie ausdrückendes Design kollektiv entstanden, denn auch diese können das Zustandekommen und die Erhaltung von Harmonie fördern. So darf beispielsweise ein Volkslied auch neu komponiert sein. Der Erfolg von Guildo Horn im Jahr 1997 ist als ein Indiz für den großen Bedarf an dem Ganzheitlichkeit und zwischenmenschliche Harmonie ausdrückenden, kollektiven Potential von Design.

Limitation > Zur Strategie der »Öffnung« bezüglich der initiativen Option

Wird die Strategie der Öffnung gewählt, ist es wichtig, diese mit der Einsicht voranzutreiben, dass jede Öffnung einer momentan registrierten Limitaion nach einiger Zeit an zunächst noch nicht erkennbare, neue Grenzen stößt. Dies zeigt beispielsweise die rasante Entwicklung der Informationstechnologie. Kaum sind leistungsfähigere Speichermedien produktionsreif, wird komplexere Software entwickelt, die bald wieder an die Grenzen der Speicherkapazität stößt. Die Wahl zwischen den Strategien der Einfügung und der Öffnung ist deshalb wiederholt zu treffen.

Die emanzipative Perspektivität von Design kann Menschen bei ihrem riskanten Schritt aus der sicheren und einschätzbaren Begrenztheit unterstützen. Die Öffnung einer Grenze darf die Betroffenen nicht überrumpeln, damit sie aktiv die Erweitereten Möglichkeiten nutzen können.

Beispiele für die emanzipative Perspektivität von Design

Die Reichweite der Wirksamkeit von medienbezogener Limitation ist von der Art des Mediums abhängig. Bereits durch die kleine Veränderung eines Mediums kann dessen begrenzende Wirkung auf die Erfahrungskreation ein Stück weit geöffnet werden. Dies zeigt die Entwicklungsgeschichte des Telefons von einem Medium mit zunächst in der Anwendung kontextueller Logik zu einem Medium, das sich zunehmend in ein Medium mit vorwiegend organischer Logik wandelt. So waren die ersten Telefonapparate meist im Flur fest an der Wand befestigt, sodass Telefonate an einem eher unfreundlich Ort in der Wohnung und im Stehen geführt wurden, was neben der Beachtung der Kosten sicher auch zu einem knapp gehaltenen Wortwechsel in Anpassung an das Medium Telefon beitrug. Im Sinne des situativen Potentials von Design wurden Standapparate gestaltet, die es mit einigen Metern Zusatzkabel ermöglichten, eine bequeme Stellung beim Telefonieren einzunehmen und in Ruhe sowie sprachlicher Ausführlichkeit zu telefonieren. Der Markterfolg von schnurlosen Telefonen und Handys zeigt, dass Menschen die Limitation, die ihnen durch ortsgebundene Telefonapparate auferlegt ist, durchbrechen wollen. In Zukunft wird das Telefonieren wahrscheinlich mittels eines kleinen Gerätes, das als Kombination von Ohr- und Halsschmuck zu tragen ist, erfolgen können und zum Medium mit organischer Logik mutieren, das außer den Gebühren von der technischen Seite her nur eine schwache Limitation für die Erfahrungskreation vorgibt. Eine stärkere Limitation bleibt durch das Medien-Schema, das ein Mensch mit dem Telefonieren verbindet, bestehen. Zahlreiche Forschungen zur Telekommunikation belegen, dass sich viele Menschen wegen fehlendem Blickkontakt zum Gesprächspartner bei Telefonaten verunsichert fühlen oder sich besser mit zusätzlichem Einsatz von Körpersprache und Redepausen ausdrücken können, als durch die auf verbale Kommunikation reduzierte Telefonsprache. Ihnen könnte in Zukunft das Bildtelefon zur Öffnung ihres negativ besetzten Telefon-Medien-Schemas verhelfen.

Das Dorfleben ist mit einer kontextuellen Logik verbunden, die es für Menschen ohne Auto erschwert, ihre Einkäufe zu erledigen, denn die örtlichen Tante-Emma-Läden sind meist nicht mehr rentabel zu betreiben. An dieser Problemstellung kann das situative Potential von Design mit Ausrichtung auf die emanzipative Perspektive ansetzten. Ein Pilotprojekt, das diese Limitation öffnen könnte, besteht bereits. Es läuft seit 1999 in einem Dorf in der Lüneburger Heide. Dort wurde ein Online-Laden eingerichtet, der ein kleines Sortiment an Waren bereithält und mit einem Großmarkt in der nächsten Stadt kooperiert. Die Kunden können die Ware entweder direkt in dem Laden einkaufen, falls diese noch vorrätig ist und zum Sortiment gehört, oder sie können ihre Einkaufswünsche in ein Computer-Terminal eingeben. Dieses sendet die Daten an den Großmarkt, von wo aus die Waren sortiert, in Rechnung gestellt und an den Kunden transportiert werden. Letzteres übernehmen die Angestellten im Wechsel und bringen die Ware auf dem Heimweg nach Ladenschluss zum Kunden.

Wie auf der Grundlage von Medien mit standardisierter Logik das zugehörige innovative Potential in Hinsicht auf die emanzipative Perspektivität von Design umgesetzt werden kann, demonstrierte der Finne Linus Torvalds. Er programmierte das Betriebssystem Linux und legte den Quellcode 1991 offen, worauf ihm viele Programmierer folgten. Das alle Computernutzer ein Betriebssystem benötigen und von wenigen Anbietern abhängig sind, war die Offenlegung des Quellcodes eine Anregung zur Emanzipation. Dass Torvalds 1999 die Goldene Nica für Computerkunst erhielt, die im Rahmen des Linzer Kunstfestival ars electronica vergeben wird (vgl. Die Zeit, Nr. 37 1999, S. 39), zeigt das Zusammenwachsen Wissenschaft und Kunst. Dieses Zeichen der Jury trägt dazu bei, Design von einem tradierten und reduzierten Kunstverständnis und der Diskussion um die Unterschiede von Design und Kunst oder die Beziehung zu industrieller Warenproduktion zu lösen. Dadurch wird die emanzipative Perspektivität von Design auf die Disziplin Design selbst angewendet.

Limitation > Zur Strategie der »Einfügung« bezüglich der resonanten Option

Der Strategie der Einfügung ist dann die bessere Wahl, wenn die Strategie der Öffnung einen so großen Aufwand erfordern würde, dass für die Nutzung des Mediums keine Zeit bliebe. So verschwenden viele Frauen kostbare Lebenszeit mit Versuchen, ihren Körper so zu verändern, dass er ihrem Medien-Schema von einem schönen Körper entspricht. Sie fasten, lassen sich operieren und investieren viel Zeit und Geld für Körperpflege, um die mit dem Körper verbundene Limitation zu durchbrechen. Würden sie ihren Körper akzeptieren und sich in seine Grenzen einfügen, wäre ihre Lebensqualität sicher höher. Auch auf gesellschaftlicher Ebene ist abzuwägen, ob es nicht vorteilhafter für die künftige Entwicklung ist, das technisch Machbare vorerst aufzuschieben und sich in die Begrenzung durch Medien wie Verkehrssysteme oder Energieversorgung einzufügen, um den Krafteinsatz auf die Weiterentwicklung anderer Aspekte wie den Ausbau des Bildungssystems richten zu können.

Entsprechend der Strategie der Einfügung ist die interpretative Perspektivität von Design daraufhin anzulegen, Lösungen zu entwickeln, durch welche die Limitation akzeptabel wird und keine zu großen Abstriche für die Lebensqualität erzwingt.

Beispiele für die interpretative Perspektivität von Design

Hinsichtlich Medien mit organischer Logik muss deren limitierende Wirkung auf die Erfahrungskreation oft akzeptiert werden. Chronisch Kranke müssen ihre Schmerzphasen selbst bewältigen. Frauen müssen verschiedene körperliche Einschränkungen, welche Menstruation und Schwangerschaft mit sich bringen, annehmen. Das adaptive Potential von Design kann den Betroffenen das Ertragen der Einschränkungen erleichtern, sie aber nicht davon befreien. Durch die interpretative Perspektivität wird der Blick auf langfristige Verbesserungen gerichtet, an denen viele Menschen, mitwirken und auch die Betroffenen selbst einbezogen werden, damit sie mitmenschliche Unterstützung erfahren und nicht allein gelassen sind.

Die Strategie der Einfügung in die Limitation der Erfahrungskreation durch Medien mit kontextueller Logik ist durch das auf die interpretative Perspektivität ausgerichtete situative Potential von Design umzusetzen. Bewohner von Häusern in erdbebengefährdeten, von Überschwemmungen oder Wirbelstürmen bedrohten Gebieten müssen lernen, mit der Gefahr zu leben. Mittels Design zu verbessern ist ihre Lebensqualität durch erdbebensichere Bauweise oder Angebote von nachträglich zu installierenden Schutzeinrichtungen.

Die Erfahrungslimitation durch Medien mit gesellschaftlich gewachsener, standardisierter Logik wird im Prinzip durch das zugehörige innovative Potential von Design im Zuge ständiger Entwicklungsprozesse verändert. Veränderungen führen aber nicht immer zu Verbesserungen der Interaktion mit diesen Medien. Vielen Menschen bleibt keine andere Wahl, als sich in die Grenzen der Medien mit standardisierter Logik einzufügen. Wenn sie einmal den Anschluss an innovative Entwicklungen wie die Erneuerung von Programmstrukturen verpasst haben, ist es schwer dieses Wissensdefizit im Umgang mit den Medien aufzuholen. Ein Berufstätiger lernt nur mit den Programmen zu arbeiten, die seine Firma nutzt. Bei einem Wechsel der Firma kann es passieren, dass sich sein Wissen als in der Zwischenzeit völlig überholt herausstellt, da andere Firmen ihre Systeme längst umgestellt haben. Die immer schneller werdende Veralterung beruflichen Wissen ist ein Fakt. Diese medienbezogene Limitation kann sich dadurch auswirken, dass der Betroffene keinen neuen Job findet, bevor er nicht aus eigener Kraft das Versäumte aufarbeitet. Jeder hat die hierfür notwendigen Voraussetzungen sicher nicht. Unter der interpretativen Perspektivität von Design wäre daher auf gesetzlicher Ebene den Berufstätigen ein festgelegter Zeitraum zur ständigen Weiterbildung einzuräumen und speziell auf die Wissenslücken eingehende Trainigsprogramme als Computer Based Traning / CBT oder Web Based Training / WBT zu konzipieren. Dadurch erhielten sie die Chance, sich wenigstens in die Limitation einfügen zu können und nicht völlig von der aktiven Interaktion mit den der standardisierten Logik unterliegenden Medien ausgeschlossen zu werden.

Selektion > Zur Strategie der »Diversifizierung« bezüglich der initiativen Option

Die menschliche Gesellschaft ist nur idealisierend als Ganzes zu betrachten. Durch kommunikative Entwicklungsprozesse bilden sich vielfältige, veränderliche Ausformungen der typischen sozialen Organisationsstrukturen. Ästhetische Vorlieben, beispielsweise für geometrische, kantige Formen oder blumige Farben, verändern sich mit der Pesönlichkeitsentwicklung. Diese Lebensvielfalt erfordert die Bereithaltung vielfältiger Angebote für die ästhetische Erfahrung. Obwohl die Möglichkeiten für ästhetische Erfahrungen durch die Bedingungen der menschlichen Körperlichkeit eingeschränkt sind, macht es nach den vorangegangenen Überlegungen weder Sinn anzunehmen, dass manche ästhetischen Elemente zeitlos sind, noch dass andere für immer veralten. Es wird immer wieder neue Kombinationen und Deutungen von bereits bekannten ästhetischen Elementen geben.

Deshalb bleibt die an dem Ideal der Zeitlosigkeit orientierte, ästhetische Konzeption der Moderne wie der »Internationale Style« in der Architektur, die Bauhaustypografie in der visuellen Kommunikation oder die »Neue Sachlichkeit« für Gebrauchsgegenstände nur eine von anderen möglichen Ausformungen, welche mit dem Engagement für die emanzipative Perspektivität von Design entstanden. Doch der humanistische Kern des linearen Aufklärungsgedankens der Moderne geht nicht verloren, sondern wird im pluralistischen Denkansatz der Postmoderne in unterschiedlichen Ausformungsrichtungen weitergeführt (vgl. Welsch, 1987).

Die pluralistische Sehweise nimmt nicht eine einzige richtige, sondern viele, in sich geschlossene Weltsichten an, die sich nicht auf eine gemeinsame Grundlage ­ wie die biologische Konstitution, Denk- oder Sprachstrukturen ­ zurückführen lassen. Erfahrung, Denken, Sprache und Lebensform beeinflussen sich gegenseitig und führen deshalb zu vielfältigen Organisationsstrukturen und Traditionen innerhalb sozialer Systeme sowie im Denken und der Erfahrung sozialer Akteure. Dementsprechend gehen Theorien zum gesellschaftlichen Wandel nicht mehr von einer eindimensionalen gesamtgesellschaftlichen Weiterentwicklung aus. Durch die Parallelität von unterschiedlichen Lebensweisen als Ausdruck verschiedener Lebensziele hat die Idee der ästhetischen Moderne insoweit an Faszination verloren, als sie vorwiegend nur eine Entwicklungsrichtung, die auf mehr Rationalität abzielt, unterstützt. Die Annahme mehrerer gleichwertiger und paralleler Entwicklungsrichtungen beinhaltet gleichzeitig den Verzicht auf die alles umfassende Anführerrolle einer intellektuellen Avantgarde.

In Anknüpfung an Luhmann sind soziale Systeme als Produkte von Kommunikation zu definieren und von den personalen Systemen, die sich durch Bewusstsein auszeichnen und der Umwelt sozialer Systeme zugehören, zu unterscheiden. Um die Entwicklung sozialer Systeme beeinflussen zu können, muss eine Person an der systemspezifischen Kommunikation teilnehmen und ihren Beitrag in eine dem jeweiligen System entsprechende kommunikative Form bringen. Es ist also besonders wichtig, als Voraussetzung für diese Kommunikationskompetenz, Ausdrucksfähigkeit und Unterscheidungsvermögen zu entwickeln. Im vorliegenden Zusammenhang kann diese Ausdrucksfähigkeit sprachliche, nonverbale oder künstlerische Aspekte umfassen.

Korrespondierend zur initiativen Option und der Strategie der Diversifizierung sollte die emanzipative Perspektivität von Design den Menschen, an die es sich richtet, keine für alle gleichermaßen verbindlichen Angebote zur Erfahrungsselektion vorgeben. Vielmehr sollte sie zur Entwicklung selbständiger Urteilskompetenz und einer aktiv mitbetriebenen Selektion von Erfahrungen anregen.

Beispiele für die emanzipative Perspektivität von Design

Die Idee der Universalisierung als einer fortschrittsbezogenen Erfahrungsselektion, an der, mit Hinblick auf die integrative Struktur und das kollektive Potential von Design möglichst alle Menschen teilhaben sollten, verliert zunehmend an Faszination. Denn es ist fraglich geworden, ob die Universalisierung einer auf Fortschritt ausgerichteten Erfahrungsselektion für alle Menschen den Weg in eine positive Zukunft weisen kann. Viele Menschen bevorzugen die initiative Option und deren Umsetzung durch die Strategie der Diversifizierung und die emanzipative Perspektivität von Design. Auch im Bereich der Wissenschaft weicht die Vorstellung eines Erkenntnisprozesses, der einem optimalen Stand zustrebt, zunehmend dem Bild eines vieldimensionalen Raumes, in dem mehrere Entwicklungsrichtungen für Erkenntnisprozesse möglich sind. Ebenso wird die an einem tradierten Selektionsprozess orientierte Fortführung von Erkenntnissen nicht mehr ausnahmslos positiv beurteilt, sondern in Bezug auf den Anwendungskontext bewertet. Der Aufwand zu Forschungen für die Nutzung von Atomenergie, die in der Tradition der modernen Wissenschaft steht, lähmte die Hinwendung zu alternativen initiativen Optionen wie der Solarenergie, der Windkraft oder der Erdwärme. Die letzten Optimierungen in der Schreibmaschinenindustrie sind rückblickend als Fehlentwicklungen zu werten. Es wurde nicht rechtzeitig erkannt, dass der Computer die Funktion der Schreibmaschine viel besser als diese erfüllen kann.

Im Hinblick auf die Erfahrungsselektion einer von der hierarchischen Struktur bestimmten Gesellschaft kann die Strategie der Diversifizierung zur Verhärtung der Hierarchien eingesetzt werden, wenn die emanzipative Perspektivität von Design nur Menschen auf höheren Ebenen der sozialen Hierarchie erreicht. So wird ein Großteil anspruchsvoller Zeitschriften oder kultureller Angebote wie Theater, Museen, Kleinkunst von Menschen mit höherer Schulbildung genutzt. Es bildet sich ein Insiderkreis, der durch Diskussionen, künstlerische und wissenschaftliche Produktion zur Diversifizierung der Erfahrungsselektion beiträgt. Dadurch vergrößert sich der intellektuelle Abstand zu Außenstehenden. Diese haben, selbst wenn Angebote im Sinne der emanzipativen Perspektivität von Design zur Verfügung stehen, selten genügend Freizeit, um sich in einen Themenbereich einzuarbeiten. Daher können sie an gesellschaftlich relevanten Entscheidungsprozessen, die von dem Insiderkreis initiiert werden, kaum kompetent mitwirken.

Wird die soziale Erfahrungsselektion schwerpunktmäßig von der polyvalenten Struktur und dem partizipativen Potential von Design bestimmt, so kann die emanzipative Perspektivität zu deren Diversifizierung beitragen. Mit der Entscheidung für die Gestaltung der Zukunft im Sinne der initiative Option ist der Abschied von der Annahme fundamentaler Wahrheiten verbunden. Denn zu einer prinzipiell demokratischen Grundeinstellung gehört das Bewusstsein um die schwierige Bestimmbarkeit fundamentaler Wahrheiten, die zudem davon abhängt, wer sie als solche definiert. Das Bemühen, allgemein verbindliche Wahrheiten zu finden, bildet traditionell einen Schwerpunkt der Philosophie. In der sozialen Lebenspraxis entscheidet jedoch selten die philosophische Argumentation darüber, was als Wahrheit gelten soll, sondern die Mächtigeren. In Umkehrung des Bacon’schen Diktums »Wissen ist Macht«, geben diejenigen, welche die Macht haben vor, was Wissen ist. Dies zu verhindern ist ein Anliegen der initiativen Option, welches in die emanzipative Perspektivität von Design einfließt. Daher wird die soziokulturelle Erfahrungsselektion als wandelbarer, vieldimensionaler, konstruktiver Prozess konzipiert. In diesem Sinne hat die »scientific community« die Aufgabe, einzelne Verzweigungen der Selektionsprozesse transparent darzulegen und vielen Menschen den Zugang zu ermöglichen, damit sie selber aktiv daran teilnehmen können und nicht zu Spielbällen von Machtinteressen werden.

Ein Weg, dem der poyvalenten Struktur entsprechenden partizipativen Potential von Design durch die emanzipative Perspektivität von Design eine langfristige Ausrichtung zu geben, besteht darin, ästhetische Elemente aus ihrem traditionellen Bedeutungszusammenhang der Vergangenheit zu lösen und in aktuelle Kontexte zu stellen. Dadurch werden die Nutzer dazu angeregt, neue Bedeutungen zu entwickeln oder etwas über die traditionelle Bedeutung zu erfahren, für die sie sich andernfalls nie interessiert hätten. Der Filmregisseur Peter Greenaway fügt in seinen Filmen, ästhetische Elemente aus dem persönlichen und dem kulturellen Gedächtnis zu einer neuen Komposition zusammen. Der Kommunikationsdesigner Neville Brody bezieht Elemente der Bauhaustypografie in seine Konzeptionen ein. Im Industriedesign entwarf Alessandro Mendini eine Türklinke, indem er den älteren Entwurf von Gropius mit einem neuen Material verband. Er nannte diesen Entwurf »Hommage an Gropius« und brachte Gropius dadurch wieder ins Bewusstsein. DJs verbinden Evergreens mit aktuellsten Rhythmen.

Selektion > Zur Strategie der »Universalisierung« bezüglich der resonanten Option

In historischen Phasen von durch Naturgewalten ständig bedrohten Lebensbedingungen war es notwendig, die soziokulturelle Selektion von Erfahrung aufgrund der praktischen Bedeutung, die sie für das Überleben haben konnte, zu vereinheitlichen, um als starke Gemeinschaft die Gefahren zu bewältigen. Diese Strategie zur Sicherung der Lebensbedingungen stellt heute keine Notwendigkeit mehr dar. Zudem besteht ein Überfluss an Erkenntnissen, sodass die Hütung ihrer unverfälschten Weitergabe nicht mehr überlebenswichtig ist und mit weniger Aufwand gesichert werden kann. In Museen, Bibliotheken oder dem World Wide Web ist für jedermann zugänglich zu recherchieren, welche Erkenntnisse verschiedene Kulturen in den vergangenen Jahrtausenden aus ihren Erfahrungen selektierten. Es ist möglich zu analysieren, was seither zu einem Erfahrungsbereich an modifizierenden oder völlig neuen Erkenntnissen hinzugekommen ist sowie bessere und schlechtere Erfahrungsselektionen zu vergleichen. Angesichts dieser vorhandenen Vielfalt von Erkenntnissen zu ähnlichen Erfahrungsbereichen, die sich in der Lebenspraxis gleichermaßen bewährt haben, entbehrt das strikte Beharren auf der unveränderlichen Stabilität, der Absolutheit einer Erkenntnis jeder Notwendigkeit. Auf einen Problembereich bezogene, unterschiedliche Erkenntnisse können als prinzipiell gleichwertig bewahrt und für unterschiedliche Interpretationen oder weiterentwickelnde Erneuerungen bereit gehalten werden. Trotzdem entscheiden sich viele Menschen für die Sicherheit und Stabilität versprechende resonante Option.

Die resonante Option kann bezüglich der sozialen Erfahrungsselektion durch Ausrichtung der korrespondierenden interpretativen Perspektivität von Design auf die Strategie der Universalisierung verwirklicht werden. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass sich die drei typischen sozialen Organisationsstrukturen (vgl. Kapitel 4.3) hinsichtlich ihrer Eignung für eine Beeinflussung durch die Strategie der Universalisierung und die interpretative Perspektivität von Design unterscheiden.

Beispiele für die interpretative Perspektivität von Design

Dominiert die integrative Struktur innerhalb einer Kultur, so drückt diese fast ohne wertende Selektionen vorzunehmen die Zusammengehörigkeit aller Menschen, die sich auf sie beziehen aus. Hierzu passt die Strategie der Universalisierung. Die interpretativen Perspektivität von Design kann rücksichtsvoll auf die Unterschiede der Individuen eingehen. Mittels der Strategie der Universalisierung der sozialen Erfahrungsselektion entsteht eine umfassendere Einheit. Diese integriert individuelle Differenzen und lässt es zu, dass jeder nach seinen Kräften an der Fortführung der universellen Erfahrungsselektion beitragen kann. Nicht die Differenzen im Kleinen werden betont, sondern die Gemeinsamkeiten im Großen. Unter der interpretativen Perspektivität von Design ist langfristig die Komplexität des kollektiven Potentials von Design zu steigern, das heißt, der Lebensstandard und das Allgemeinwissen verbessern sich. Im Vergleich zu Beginn des Jahrhunderts, als nur wenige Gebildete aktiven Anteil an der Erfahrungsselektion hatten, ist in den westlichen Ländern heute der Großteil der Bevölkerung dazu fähig komplexe Alltagshandlungen eigenständig durchzuführen und beispielsweise selbst Auto zu fahren, Bankgeschäfte abzuwickeln, Behördengänge zu erledigen.

Überwiegen hierarchische Strukturen, dann formiert sich die kulturelle Erfahrungsselektion aus dem, bezüglich den gewählten Idealen, optimierten Wissen von Eliten. Als Extrakt der linearen Optimierung entsteht explizites Wissen, das zu verstehen aber entsprechendes Vorwissen voraussetzt, dessen Erwerb nicht jedermann zugänglich ist. Es bilden sich Wissenseliten, die beispielsweise wissenschaftliche Disziplinen repräsentieren und nicht miteinander in Verbindung gebracht werden können, weil sie je auf ihrer Linie optimiert sind. Die Tradierung und weiteren Optimierung dieser auseinanderklaffenden Wissensspitzen verlangt die Heranbildung nachrückender Eliten. Prozesse der Erfahrungsselektion werden von oben gesteuert. Dies zeigt sich dadurch, dass das als unwichtiger eingestufte Wissen den Menschen an der Basis der Hierarchien übertragen wird und alle Kräfte darauf konzentriert werden, einigen wenigen den Aufstieg zu ermöglichen. Durch die willkürliche Einstufung von Menschen sind konkurrierende Machtkämpfe um die Auswahlkriterien für relevantes Wissen und persönliche Aufstiegsberechtigung vorprogrammiert. Obwohl unterschiedliche Wissensebenen entstehen, wird die hierarchische Struktur von der Strategie der Universalisierung gestärkt. Zwar bildet jede Ebene für sich eine Einheit, diese ist aber an die umfassende, übergeordnete Einheit der hierarchischen Struktur als Ganzes gebunden. Die auf Universalisierung ausgerichtete Erfahrungsselektion einer hierarchisch strukturierten Gesellschaft verschlingt die humane Energie für die Tradierung ihrer Inhalte und lässt für Erneuerungen, Weiterentwicklungen und Diversifizierung immer weniger Freiraum. Ein Beispiel für das Scheitern einer Gesellschaft durch das Festhalten an einer hierarchischen Struktur kombiniert mit der Strategie der Universalisierung, ist der Untergang der ägyptischen Pyramidenkultur. Die Unterstützungswürdigkeit der Strategie der Universalisierung bezüglich der hierarchischen Struktur durch die interpretative Perspektivität von Design ist daher kritisch zu prüfen.

Bestimmt eine polyvalenten Struktur die Erfahrungsselektion, dann stehen Elemente aus verschiedenen Bereichen und Entwicklungsstufen nebeneinander. Dadurch werden spielerische, kreative Verknüpfungen von Erfahrungen möglich. Bezüglich der polyvalenten Struktur und dem partizipativen Potential von Design ergeben sich die Selektionskriterien für Pflege und Tradierung von Wissen nicht zwangsläufig aus dem Aufwand einer Elite, welche dieses Wissen erzeugte, sondern erfolgt mit Rücksicht auf gegenwärtige oder zukünftige Relevanz. Die Erfahrungsselektion lässt sich keinem Universalanspruch unterstellen. Parallel werden verschiedene Richtungen verfolgt und in Relation zu verantwortlich ausgewählten Erfordernissen ständig modifiziert, verworfen oder erneuert. An diesen Prozessen kann sich jeder in verschiedenen Formen und auf unterschiedlichen Ebenen, je nach seinen Fähigkeiten im Rahmen von Selbstverantwortung und Toleranz beteiligen. Deshalb ist die Strategie der Universalisierung und die zugehörige Umsetzung durch die interpretative Perspektivität von Design mit der polyvalenten Struktur inkompatibel.

Akkumulation > Zur Strategie der »Erweiterung« bezüglich der initiativen Option

Design gemäß der Strategie der Erweiterung in Korrespondenz zur initiativen Option stellt zunächst ein Anschluss zur momentanen Tendenz sowie zum Erfahrungshintergrund her und bietet dann weiterführende Perspektiven an. Vorsicht ist dahingehend geboten, als dieses Vorgehen auch als Verlockungstaktik eingesetzt wird, um einen potentiellen Kunden von seinen eigenen Zielen abzubringen und in ihm neue Wünsche zu wecken. Wem ist es nicht schon passiert, dass er sich von einem grafisch anziehenden Buchcover und einem vielsagenden Titel angesprochen fühlte, das Buch kaufte und daheim enttäuscht die Banalität des Inhalts zur Kenntnis nehmen musste oder beim Einkaufen auffallende, interessant oder informativ präsentierte Produkte erstand, die er im Grunde nicht benötigt? Im Prinzip funktioniert aber das Lernen als Erweiterung des bisher Gewussten nach diesem Muster. Doch dann folgt anstelle der Enttäuschung ein inneres Aufwachen auf der Ebene des Erfahrungshintergrunds, das die Bereiche Motivation, Kognition und Emotion gleichermaßen befruchten kann.

Die emanzipative Perspektivität von Design kann der initiativen Option dadurch entsprechen, dass in unmerklicher, fast spielerischer Weise dem Nutzer immer größere Entscheidungsräume geöffnet werden. Vorbedingung jeder weiteren Öffnung ist dabei die Steigerung der Entscheidungskompetenz des Nutzers. Dieser wird weder überlistet noch in das kalte Wasser des Entscheidungszwanges geworfen. Vielmehr geht es darum, ihn bei ständiger Abstimmung zur erfolgten Weiterentwicklung seines Erfahrungshindergrundes zu dessen Erweiterung anzuregen.

Beispiel für die emanzipative Perspektivität von Design

Die Erweiterung der persönlichen Erfahrungsakkulumation anregende ästhetische Elemente, können im Interface-Design dadurch entstehen, dass zum Einstieg bekannte Darstellungsformen wie statische Bilder, lineare Erzählungen oder Filmsequenzen eingesetzt werden. Im Laufe der Interaktion sind diese konventionellen Formen zunehmend durch mediengerechte Darstellungen wie der Kombination von Ton, Musik, Text und Bild zu ersetzen. Digitale Medien beinhalten die Möglichkeit, beispielsweise durch Anklicken oder Berühren eines Touchscreens dessen Informationsoberfläche partiell zu verändern. Wichtige Informationen können länger oder dauerhaft sichtbar bleiben, andere wechseln. Der lernende Nutzer muss keinem linearen Aufbau folgen, er kann je nach momentaner Aktivitätstendenz verschiedene Wege ausprobieren und findet immer wieder zur Ausgangsposition zurück. Trotz spielerischer Freiheit sind die möglichen Wege vorab genau zu planen, zu programmieren und zu gestalten.

Jugendliche, die primär unter dem Einfluss der somatischen Tendenz stehen und sich von dem sensitiven Potential von Design angezogen fühlen, begeistern sich für Computerspiele, in denen es auf schnelle Reaktion ankommt. Im Zentrum dieser Spiele stehen meist gewalttätige Aktionen. Ein unter den Aspekten der emanzipativen Perspektivität von Design gestaltetes Spiel könnte eine Anfangsszene nach dem bekannten Muster anbieten und die Protagonisten der Spielhandlung mit jedem weiteren erreichten Schwierigkeitsgrad des Spiels in Analogie zu chemischen Elementen bringen und die Handlung mit chemischen Reaktionen vergleichen. Bei der Konzeption eines solchen Spiels ist darauf zu achten, dass die Jugendlichen die Strategie der Erweiterung des Erfahrungshintergrunds nicht frühzeitig durchschauen, damit das Spiel bis zum Ende Spaß macht und gleichzeitig zu einem besseren Verständnis von Chemie führt.

Menschen, die von der introvertierten Tendenz beeinflusst sind, fühlen sich von vielen Ereignissen innerlich berührt und verhalten sich in einer Art intuitivem Schutzmechanismus schüchtern und zurückhaltend. Im Sinne der initiativen Option der antizipativen Komponente ästhetischer Erfahrung muss diese die persönliche Weiterentwicklung lähmende Zurückhaltung mittels der emanzipativen Perspektivität von Design aufgebrochen werden. In Amerika gibt es speziell für Mädchen entwickelte Computerspiele, die es ermöglichen, verschiedene Rollen anzunehmen und beispielsweise zu testen, wie sich der Einstieg in eine neue Schulklasse nach einem Umzug gestaltet, je nachdem, wie sich die Spielfigur, mit der sich die Spielerin identifizieren kann, verhält. Solche Spiele unterstützen schüchterne Mädchen dabei, andere Menschen besser zu verstehen, sich zu öffnen, aktiver zu werden und somit den Erfahrungshintergrund zu erweitern.

Personen, welche von der explorativen Tendenz bewegt sind, springen schnell auf jedes neue Angebot, dass sie entdecken an. Sie sind aber selten in der Lage, vor der Annahme eines Angebots zu prüfen, ob es in eine positive Richtung weiterführen wird noch den Erfolg nachher zu beurteilen. Diesen Personen muss das impulsive Potential von Design mit Ausrichtung auf die emanzipative Perspektivität den Zugang zu für sie sinnvollen, ihren Erfahrungshintergrund erweiternden Angeboten öffnen. Eine Möglichkeit dazu bietet das Infotainment. Es ist als Versuch beschreibbar, durch Unterhaltung als Köder Information zu vermitteln. Ein positives Beispiel hierfür ist die Fernsehproduktion Quarks & Co des Westdeutschen Rundfunks. Ein weiteres Beispiel sind Suchmaschinen im Internet, die den von der eplorativen Tendenz Getriebenen durch vorausgewählte Links zur Entdeckung interessanter Websites verhelfen. In Zukunft wird das Surfen im Netz durch proaktive Agenten unterstützt, die das Internet nach Kriterien durchsuchen, welche der Nutzer zuvor je nach eigenen Interessen bestimmen kann. Die Schaltung von animierten, Aufmerksamkeit weckenden Werbebannern ist dagegen mit Vorsicht zu bewerten. Sie locken Nutzer, die sich von der explorativen Tendenz treiben lassen so tief in das Netz, dass diese sich leicht darin verlieren und am Ende nichts zur Erweiterung ihres Erfahrungshintergrunds verwertbares mitnehmen.

Akkumulation > Zur Strategie der »Vertiefung« bezüglich der resonanten Option

Ohne ein Identitätsgefühl als Erfahrungshintergrund können Menschen keine selbstbestimmte Aktivität entwickeln. Sie benötigen daher zur Selbstfindung und Selbstentfaltung durch die Vertiefung des Erfahrungshintergrunds Optionen in Resonanz zu ihrer Wirklichkeit. Zu beachten ist jedoch, dass eine zu starke, nur auf sich selbst bezogene Identität in das zwischenmenschliche Abseits führen kann. Deshalb ist die dynamische, flexible Erweiterung der subliminalen Akkumulation von Erfahrung ebenso wichtig wie deren Vertiefung.

Die interpretative Perspektivität von Design kann schwerpunktmäßig sensitiv, animativ oder impulsiv ausgerichtete Interpretationen anbieten. Diese sollten dem gegenwärtigen Aktivitätsziel entsprechen, anschließbar sein, zur sinnhaften Erfahrungsakkumulation führen, Wichtigkeit gewinnen, ein Gefühl von Vertrautheit festigen und somit das persönliche Wirklichkeitskonstrukt bestätigen, stärken und vertiefen. Durch solche Designangebote werden selbstverständlich erscheinende ästhetische Anschlussmöglichkeiten geschaffen und längerfristig dazu beigetragen, dass die vertrauten Komponenten des Selbstgefühls im Zuge der Erfahrungsakkumulation zu einer persönlichen Identität verwachsen.

Beispiele für die interpretative Perspektivität von Design

Gestaltung und Nutzung von Interfaces sind für viele Designer und Nutzer noch ungewohnt. Deshalb erfolgt die erste intuitive, auf den Erfahrungsschatz bezogene Orientierung oft anhand ästhetischer Elemente, die aus der zweidimensionalen Gestaltung bekannt sind. Dadurch kommen die speziellen Möglichkeiten der digitalen Medien nicht voll zum Einsatz und Designer wie Nutzer fühlen sich im Umgang mit den neuen Medien im Vergleich zu ihren Erfahrungen bezüglich der gewohnten Medien bestätigt. Sie stellen fest, dass sich nichts Wesentliches geändert hat oder sind enttäuscht, weil der Bildaufbau oder die Lesbarkeit der Schrift nicht der gewohnten Druckqualität entspricht.

Das Anknüpfen an bewährte Erfahrungen wie die Anwendung visueller Ordnungsregeln hilft zwar bei der Annäherung an ein neues Medium, erzeugt aber noch keine Vertiefung des Erfahrungsschatzes. Erst ästhetische Hinweise, welche die momentan bevorzugte subliminale Tendenz ansprechen und dazu anregen, zum Beispiel im Zuge multimedial unterstützter Interaktionen, weitere die gewählte Tendenz fortführende Screens zu öffnen, verhelfen zu einer vertiefenden Erfahrungsakkulumation. Die Nutzerführung der CD-Rom »Lumpensammler im Datenraum«, die das Werkbund-Archiv in Berlin vorstellt, bietet unterschiedliche Wege zum Erkunden des Archivs an. Selbst wenn die Fakten bereits als solche bekannt sind, macht es Vergnügen, die Navigationswege gemäß momentaner Vorlieben auszuprobieren und den Erfahrungsschatz zu vertiefen.

Digitale Medien wie Websites oder CD-Roms bieten die technische Voraussetzung für eine den subliminalen Tendenzen entgegenkommende Nutzerführung. Da die unterschwelligen Erwartungen an die Website einer Firma oder Institution sowie der Erfahrungsstand der verschiedenen Interessenten sehr unterschiedlich sind, bietet es sich an, jeder Nutzergruppe auf sie abgestimmte Navigationswege durch die Site zu ermöglichen. Dies kann durch die Unterscheidung von für den Benutzer sichtbarem und unsichtbaren, die technische Funktionalität betreffenden Design umgesetzt werden.

Das sichtbare Design vermittelt durch ästhetisch auf die Zielgruppen abgestimmte Designmasken, in denen das Corporate Design der Firma erkennbar bleibt, dem Nutzer den Eindruck einer klaren, zielführenden Navigation. Zu diesen Designmasken gehören je spezifische Bilder, Animationen, Sounds und Textformulierungen. Das unsichtbare Design betrifft die Kompatibilität aller Datensätze auf der Programmebene. Auf diese Weise fühlt sich jeder Besucher persönlich angesprochen und ist innerlich zur Vertiefung seines Erfahrungsschatzes bereit. Außerdem ist gewährleistet, dass jeder Nutzer die Navigation nach seiner momentanen Tendenz und seinem Wissenstand selbst steuern kann und alle Datensätze für ihn erreichbar sind. So kann in Resonanz zu den anzusprechenden Klienten für einen sportbegeisterten, von der somatischen Tendenz beeinflussten Jugendlichen eine andere Designmaske entwickelt werden, als für eine empfindsame, der introvertierten Tendenz folgenden Person oder für einen professionellen Anwender, der bestimmt von der explorativen Tendenz nach neuen Impulsen Ausschau hält.

Ausübung > Zum Kriterium der »Professionalität« bezüglich der standardisierten Logik

Im Subprozess der Ausübung ist bezüglich der Reaktivation von Medien mit standardisierter Logik erstens die Kompetenz hervorzuheben, professionell mit dem standardisierten Wissen eines bestimmten Erfahrungsbereichs umgehen zu können. Zweitens kommt es darauf an, zumindest teilweise den Anschluss an andere Wissensgebiete zu halten. Die Qualität der ästhetischen Erfahrung während der Interaktion mit Medien, die der standardisierten Logik folgen, steigt, wenn das Kriterium einer disziplinären, zum interdisziplinären Kontakt offenen Professionalität erfüllt ist. Mathematiker entwickeln auf der Basis tradierter Standards Gedankenmodelle für verschiedene Zahlenwelten und kooperieren mit den Naturwissenschaften. Kreative Philosophen finden sich in alternative philosophische Denksysteme ein, erdenken neue Systeme stellen Brücken zwischen Wirtschaft, Politik und Wissenschaft her. Theologen propagieren ihre Religion nicht als Dogma, sondern bieten zeitgemäße Deutungen zur ethischen Orientierung für die Wissenschaften an. Freude, Kompetenz und die Fähigkeit mit Fachleuten anderer Wissensgebiete kommunizieren zu können begleiten dann die Arbeit des Forschens, des Entwickelns, des Konstruierens, des Projektierens sowie des Operierens mit Gedankenmodellen.

Das innovative Potential von Design entspricht dem Kriterium der Professionalität, indem es für Interaktionen mit einer standardisierten Logik folgenden Medien einen Standard als Rahmen bereit stellt, der erweiterbar ist und aus dem Neues entwickelt werden kann. Für die eigene Profession heißt dies erstens, disziplinäre Standards wie Gebrauchstüchtigkeit, Nutzungsfreundlichkeit und gestalterische Einheitlichkeit zu pflegen und anzuerkennen. Zweitens die Standards nur als Zwischenstand zu betrachten und sie nicht engstirnig zu befolgen, sondern sich durch den konkreten Kontext einer Problemstellung inspirieren zu lassen und innovative, über die Standards hinausweisende Lösungen zu finden. Auf diese Weise wird es gelingen, neue Aufgabenfelder für Design zu erschließen und durch neue interdisziplinäre Bezüge, das disziplinäre Wissen dort einzubringen und zu erweitern.

Beispiel für das innovative Potential von Design

Die Erfüllung des Kriteriums der Professionalität ermöglicht es, disziplinäres Wissen als standardisierte und damit geprüfte, optimierte und verlässliche Module aufzufassen, die mit weiteren Modulen der eigenen sowie anderer Disziplinen zu kombinieren sind. In diesem Sinne ist die Software zur Betriebsführung der Firma SAP (Systems, Applications and Products in Data Process) als innovatives Potential von Design deutbar, denn sie erfasst die Komplexität eines Betriebs, die Aufgabenbereiche der verschiedenen Abteilungen, durch spezifisch auf dessen Belange zugeschnittene und ausbaufähige Software-Module. Die Firma SAP spricht seit 1999 einen vergrößerten potentiellen Kundenkreis durch ein neues benutzerfreundliches Interface-Design an. Dessen Ästhetik soll weniger technisch wirken als das bisher verwendete Design und es dem Nutzer erleichtern, sich in die Programmstruktur einzufinden. Mit solchen Themengebieten werden sich Designer in Zukunft verstärkt auseinandersetzen müssen.