Akkumulation > Zur Strategie der »Erweiterung« bezüglich der initiativen Option

Design gemäß der Strategie der Erweiterung in Korrespondenz zur initiativen Option stellt zunächst ein Anschluss zur momentanen Tendenz sowie zum Erfahrungshintergrund her und bietet dann weiterführende Perspektiven an. Vorsicht ist dahingehend geboten, als dieses Vorgehen auch als Verlockungstaktik eingesetzt wird, um einen potentiellen Kunden von seinen eigenen Zielen abzubringen und in ihm neue Wünsche zu wecken. Wem ist es nicht schon passiert, dass er sich von einem grafisch anziehenden Buchcover und einem vielsagenden Titel angesprochen fühlte, das Buch kaufte und daheim enttäuscht die Banalität des Inhalts zur Kenntnis nehmen musste oder beim Einkaufen auffallende, interessant oder informativ präsentierte Produkte erstand, die er im Grunde nicht benötigt? Im Prinzip funktioniert aber das Lernen als Erweiterung des bisher Gewussten nach diesem Muster. Doch dann folgt anstelle der Enttäuschung ein inneres Aufwachen auf der Ebene des Erfahrungshintergrunds, das die Bereiche Motivation, Kognition und Emotion gleichermaßen befruchten kann.

Die emanzipative Perspektivität von Design kann der initiativen Option dadurch entsprechen, dass in unmerklicher, fast spielerischer Weise dem Nutzer immer größere Entscheidungsräume geöffnet werden. Vorbedingung jeder weiteren Öffnung ist dabei die Steigerung der Entscheidungskompetenz des Nutzers. Dieser wird weder überlistet noch in das kalte Wasser des Entscheidungszwanges geworfen. Vielmehr geht es darum, ihn bei ständiger Abstimmung zur erfolgten Weiterentwicklung seines Erfahrungshindergrundes zu dessen Erweiterung anzuregen.

Beispiel für die emanzipative Perspektivität von Design

Die Erweiterung der persönlichen Erfahrungsakkulumation anregende ästhetische Elemente, können im Interface-Design dadurch entstehen, dass zum Einstieg bekannte Darstellungsformen wie statische Bilder, lineare Erzählungen oder Filmsequenzen eingesetzt werden. Im Laufe der Interaktion sind diese konventionellen Formen zunehmend durch mediengerechte Darstellungen wie der Kombination von Ton, Musik, Text und Bild zu ersetzen. Digitale Medien beinhalten die Möglichkeit, beispielsweise durch Anklicken oder Berühren eines Touchscreens dessen Informationsoberfläche partiell zu verändern. Wichtige Informationen können länger oder dauerhaft sichtbar bleiben, andere wechseln. Der lernende Nutzer muss keinem linearen Aufbau folgen, er kann je nach momentaner Aktivitätstendenz verschiedene Wege ausprobieren und findet immer wieder zur Ausgangsposition zurück. Trotz spielerischer Freiheit sind die möglichen Wege vorab genau zu planen, zu programmieren und zu gestalten.

Jugendliche, die primär unter dem Einfluss der somatischen Tendenz stehen und sich von dem sensitiven Potential von Design angezogen fühlen, begeistern sich für Computerspiele, in denen es auf schnelle Reaktion ankommt. Im Zentrum dieser Spiele stehen meist gewalttätige Aktionen. Ein unter den Aspekten der emanzipativen Perspektivität von Design gestaltetes Spiel könnte eine Anfangsszene nach dem bekannten Muster anbieten und die Protagonisten der Spielhandlung mit jedem weiteren erreichten Schwierigkeitsgrad des Spiels in Analogie zu chemischen Elementen bringen und die Handlung mit chemischen Reaktionen vergleichen. Bei der Konzeption eines solchen Spiels ist darauf zu achten, dass die Jugendlichen die Strategie der Erweiterung des Erfahrungshintergrunds nicht frühzeitig durchschauen, damit das Spiel bis zum Ende Spaß macht und gleichzeitig zu einem besseren Verständnis von Chemie führt.

Menschen, die von der introvertierten Tendenz beeinflusst sind, fühlen sich von vielen Ereignissen innerlich berührt und verhalten sich in einer Art intuitivem Schutzmechanismus schüchtern und zurückhaltend. Im Sinne der initiativen Option der antizipativen Komponente ästhetischer Erfahrung muss diese die persönliche Weiterentwicklung lähmende Zurückhaltung mittels der emanzipativen Perspektivität von Design aufgebrochen werden. In Amerika gibt es speziell für Mädchen entwickelte Computerspiele, die es ermöglichen, verschiedene Rollen anzunehmen und beispielsweise zu testen, wie sich der Einstieg in eine neue Schulklasse nach einem Umzug gestaltet, je nachdem, wie sich die Spielfigur, mit der sich die Spielerin identifizieren kann, verhält. Solche Spiele unterstützen schüchterne Mädchen dabei, andere Menschen besser zu verstehen, sich zu öffnen, aktiver zu werden und somit den Erfahrungshintergrund zu erweitern.

Personen, welche von der explorativen Tendenz bewegt sind, springen schnell auf jedes neue Angebot, dass sie entdecken an. Sie sind aber selten in der Lage, vor der Annahme eines Angebots zu prüfen, ob es in eine positive Richtung weiterführen wird noch den Erfolg nachher zu beurteilen. Diesen Personen muss das impulsive Potential von Design mit Ausrichtung auf die emanzipative Perspektivität den Zugang zu für sie sinnvollen, ihren Erfahrungshintergrund erweiternden Angeboten öffnen. Eine Möglichkeit dazu bietet das Infotainment. Es ist als Versuch beschreibbar, durch Unterhaltung als Köder Information zu vermitteln. Ein positives Beispiel hierfür ist die Fernsehproduktion Quarks & Co des Westdeutschen Rundfunks. Ein weiteres Beispiel sind Suchmaschinen im Internet, die den von der eplorativen Tendenz Getriebenen durch vorausgewählte Links zur Entdeckung interessanter Websites verhelfen. In Zukunft wird das Surfen im Netz durch proaktive Agenten unterstützt, die das Internet nach Kriterien durchsuchen, welche der Nutzer zuvor je nach eigenen Interessen bestimmen kann. Die Schaltung von animierten, Aufmerksamkeit weckenden Werbebannern ist dagegen mit Vorsicht zu bewerten. Sie locken Nutzer, die sich von der explorativen Tendenz treiben lassen so tief in das Netz, dass diese sich leicht darin verlieren und am Ende nichts zur Erweiterung ihres Erfahrungshintergrunds verwertbares mitnehmen.