Unterstützung > Zum Kriterium der »Reserviertheit« bezüglich der hierarchischen Struktur

Hinsichtlich der hierarchischen Organisationsstruktur wird der kooperative Subprozeß der Unterstützung möglichst offiziell geregelt. Verläßlichkeit, die über das rollengemäße Verhalten hinaus geht, ist selten anzutreffen. Man begegnet einander mit Reserviertheit, möchte nicht in die Probleme eines anderen Menschen hineingezogen werden und dadurch möglicherweise die erreichte Position gefährden. In unternehmerischen, wissenschaftlichen oder sportlichen Bereichen, die große Leistungsfähigkeit verlangen, entsteht selten wirkliche Verlässlichkeit als vielmehr Reserviertheit zwischen den Beteiligten. Am Misslingen des Teamspiels einer Fußballmannschaft, deren Spieler jeweils ihre eigene Leistung gut präsentieren und ihren Marktwert steigern wollen, wird die zwischenmenschliche Reserviertheit zueinander offensichtlich. Diese mangelnde Verlässlichkeit in der Kooperation gefährdet wiederum den Bestand eines hierarchischen Systems. Die Beteiligten geraten in ein Dilemma, weil gleichzeitig Leistungswettbewerb gegeneinander und Verlässlichkeit füreinander gefordert wird.

Allerdings ist dieses Verhaltensschema nicht auf außergewöhnliche Situationen übertragbar. Beispielsweise kann sowohl eine gemeinsam erlebte Gefahr als auch ein besonderes öffentliches Ereignis dazu beitragen, für einen Moment lang alle durch die Orientierung an einem Strukturtyp gegebenen zwischenmenschlichen Schranken vergessen zu machen. Dies zeigte beispielsweise die spontane Welle der Hilfsbereitschaft nach dem Zugunglück in Eschede 1998 oder ein Jahr zuvor anlässlich der Überschwemmungskatastrophe an der Oder.

Das dem Kriterium der Reserviertheit entsprechende distinktive Potential von Design sollte die Abgrenzung, das Verbergen oder auch das Understatement in der mitmenschlichen Kooperation erleichtern.

Beispiel für das distinktive Potential von Design

Zu Beginn der neunziger Jahre wurde allgemein ein Trend zur Bescheidenheit deklariert. Diese demonstrative Bescheidenheit eignet sich besonders gut als vorgeschobenes Argument, um von der Reserviertheit der Wohlhabenden gegenüber den in der Leistungsgesellschaft weniger erfolgreichen Menschen abzulenken. Anstelle diesen zu helfen, sie in irgendeiner Form am Wohlstand teilhaben zu lassen wie noch in den achtziger Jahren deren Zeitstimmung durch eine unbedarfte, teils dekadente Lust am Luxus gekennzeichnet war, zeigen Gutsituierte nun Bescheidenheit im öffentlichen Auftreten, damit der Unterschied zwischen ihrer Kaufkraft gegenüber der Mehrheit der Bevölkerung weniger auffällt. Wie an der gehobenen Preisgestaltung solch bescheiden wirkender Produkte abzulesen ist, basiert dieses Verhalten nicht auf dem Versuch, Solidarität zu üben. Er kaschiert lediglich die vorsichtige Reserviertheit gegenüber den Menschen unterhalb dem erreichten Niveau. Durch entsprechend unauffälliges, nur für den Kenner im Preis einzuschätzendes Design, wird dem Kriterium der Reserviertheit entsprochen. Zudem wirkt solch puristisches Design wenig verlockend und ist oft auch nicht sehr funktional oder komfortabel, was unerwünschte Interessenten abschreckt und mit dazu beiträgt, dass zahlungskräftige Kenner unter sich bleiben.

Unterstützung > Zum Kriterium der »Hilfsbereitschaft« bezüglich der integrativen Struktur

Kooperation innerhalb dieser Organisationsstruktur erfolgt großteils mit dem Bewusstsein, sich auf die gegenseitige Hilfsbereitschaft verlassen zu können. Die Lösung eines Problems wird mit den besten verfügbaren Kräften in Angriff genommen, ohne lange zu planen oder zu zögern. Beispielsweise zeigt jemand in einer alltäglichen Situation spontan Zivilcourage und hilft, obwohl er noch nicht weiß, wie das Problem zu bewältigen ist. In intakten Familien stehen die Familienmitglieder einander bei und wissen, dass sie sich gegenseitig auf die Hilfe der anderen verlassen können ohne ihre Notlage erst rechtfertigen zu müssen.

Das kollektive Potential von Design kann dem Kriterium der Hilfsbereitschaft durch die Signalisierung von Offenheit und Unvoreingenommenheit entsprechen.

Beispiel für das kollektive Potential von Design

Ein Angebot im Sinne des Kriteriums der Hilfsbereitschaft das an keine Vorbedingungen geknüpft ist, stellt die Telefonseelsorge bereit. Zu den 1973 vom internationalen Verband für Telefonseelsorge in Genf verabschiedeten Richtlinien gehört neben der Wahrung von Anonymität und Diskretion insbesondere die Ideologiefreiheit und die Unabhängigkeit der Hilfeleistung von jeglichem politischen oder religiösem Druck auf den Anrufer. Dieser soll sich überdies darauf verlassen können, dass das Hilfsangebot der Telefonseelsorge permanent für ihn erreichbar ist.

Verbindung > Zum Kriterium der »Anschlussfähigkeit« bezüglich der polyvalenten Struktur

Weder das Kriterium der Grenzenlosigkeit wie bezüglich der integrativen Struktur noch das der Geschlossenheit wie hinsichtlich der hierarchischen Struktur eignen sich für die Kennzeichnung des kooperativen Subprozesses der Verbindung in Relation zur polyvalenten Struktur. Deren gesamte Zielrichtung ist Alternativenbildung, das Nebeneinander von verschiedenen sozialen Systemen. Dies ist nicht durch grenzenlose Angleichungen noch durch gegenseitige Abschottungen zu erreichen. Vielmehr sollte jedes System für sich geschlossen sein können und gleichzeitig potentielle Anschlussfähigkeit für die Kooperation mit anderen Systemen bereit halten.

Abgesehen von den subliminal erwachsenen Unterschieden zwischen Menschen, erfordern verschiedene Tätigkeiten ob im Lebensrhythmus eines Individuums oder innerhalb sozialer Systeme verschiedene ästhetische Stimmungen wie Konzentration, Ruhe, Aufmerksamkeit, Anregung, Vielfalt usw. Eine distinktive, kanonische Ästhetik würde alle Erlebensbereiche gleichermaßen durchziehen. Demgegenüber schafft das partizipative Potential von Design unterschiedliche Zonen für verschiedene Erfahrungen im privaten sowie im öffentlichen Raum. Gerade weil die Eigenständigkeit alternativer, nebeneinander bestehender Systeme akzeptiert wird, lässt sich der Einfluss des Subprozesses der Verbindung auf die Erfahrungskreation der Beteiligten untereinander und zu den jeweils Außenstehenden durch das Kriterium der Anschlussfähigkeit kennzeichnen und werten.

Das partizipative Potential von Design sollte dementsprechend weder die Unterschiede nivellieren, noch künstlich verstärken, sondern diese respektieren und die Herstellung von kooperativen Verbindungen zueinander gemäß dem Kriterium der Anschlussfähigkeit erleichtern.

Beispiel für das partizipative Potential von Design

In öffentlichen Bereichen treffen häufig mehrere soziale Systeme aufeinander. Hier sollten Orte angeboten werden, die jeweils nur die an einem bestimmten System Beteiligten ansprechen und andere Orte, die sich für mitmenschliche Begegnungen über die durch die Systemzugehörigkeit definierten Grenzen hinweg eignen. Beispielsweise wird in der Stadtplanung auf eine grobe Durchmischung der verschiedenen Bevölkerungsgruppen geachtet, um die Entstehung von ausgegrenzten Gettos zu vermeiden.

Die Gestaltung von Krankenhäusern muss abgesehen von weiteren Subsystemen auf drei funktional verschiedene soziale Systeme, die sich jeweils aus Kranken, Besuchern und Personal untereinander bilden, eingehen und kann nicht nur für eines dieser Systeme optimiert werden. Häufig bleibt das Kriterium der Anschlussfähigkeit unbeachtet. Schulen, Universitäten oder Ämter sind meist nur auf ihre Funktion hinsichtlich einem sozialen System hin optimiert. Sie installieren dadurch willkürliche Trennungen von Tätigkeitsabläufen und erschweren das Entstehen von funktionsungebundenen, intersystemischen Verbindungen zwischen den Menschen.

Verbindung > Zum Kriterium der »Distanziertheit« bezüglich der hierarchischen Struktur

An Systemen mit hierarchischer Struktur kann nur derjenige partizipieren, der sich in seine Rolle fügt und ständig Leistungsfähigkeit demonstriert. Die Vorhersehbarkeit seines Aufstiegs und die Entlastung von Eigenverantwortung durch die Vorgaben des Systems belohnt in gewisser Weise diese Anstrengungen. Die Orientierung an der hierarchischen Struktur aufzugeben, bedeutet, diese Vorteile der Sicherheit für die Zukunft und der Abgabe von Verantwortung zu verlieren. An der hierarchischen Struktur Orientierte, beziehen auch ihre persönliche Stärke aus der Beteiligung an dem sozialen System. Sie wissen, dass sie ab einem bestimmten Punkt ihre durch das System gegebenen Privilegien teilen müssten, falls die Zahl der Beteiligten zu groß würde. Deshalb ist ihre kooperative Verbundenheit durch eine vorsichtige Distanziertheit geprägt. Jeder möchte seine erreichte Position sowohl gegenüber anderen Beteiligten, als auch gegenüber eventuell neu Hinzukommenden halten und verbessern.

Durch diese Distanziertheit, die beispielsweise im Zurückhalten wichtiger Informationen und mangelnder Kooperation im Arbeitsprozess offensichtlich werden kann, leisten die Beteiligten indirekt einer zunehmenden Erstarrung des Systems Vorschub. Im Interesse des Erhalts eines hierarchischen Systems muss solch eigennützigen Bestrebungen mancher Beteiligter wiederum von anderen entgegengewirkt werden.

Von dem distinktiven Potential von Design wird bezüglich dem Kriterium der Distanziertheit erwartet, dass es Angebote bereit hält, welche geeignet sind, dem Distanzgefühl gegenüber anderen, nicht dem eigenen Niveau entsprechenden oder als Konkurrenten empfundenen Mitbeteiligten Ausdruck zu geben.

Beispiel für das distinktive Potential von Design

Kulturelle Eliten schotten sich gegen zu großes Interesse, zu viel Verständnis oder Zustimmung ab. Sie begegnen einem Künstler, der schnell ein breites Publikum gewinnt mit Vorsicht und gestehen seinen Werken, die ja den vermeintlich niedrigen Massengeschmack treffen, keine hohe Qualität zu. Kennerschaft bezüglich elitärer Kunstformen wie Theater oder Oper wird generell höher eingestuft als hinsichtlich Film oder Musical. Designobjekte mit vormals distinktivem Potential, die sich zu sehr im Alltag verbreiten und der Masse zugänglich sind, gelten beinahe als entweiht. So zeigen sich wichtige Geschäftsleute nicht mehr mit ihren Handys, seitdem diese eine weite Verbreitung gefunden haben.

Eliten steigern ihren Status und den behaupteten Wissensvorsprung durch Distanzierung im Vergleich zu den Außen- oder Untenstehenden oder pauschal gegenüber der sogenannten Masse. Mit Bezug auf John Carey wäre die provokante These aufzustellen, dass viele Vertreter der modernen Literatur die Kultur nur deswegen zum höchsten Gut erhoben haben, um den Geistesadel durch das Kriterium der Distanziertheit und das entsprechende distinktive Potential von Design vom Normalsterblichen abzuheben (vgl. Carey, 1996). Kultur verdient dann nur dasjenige genannt zu werden, was einer hohen Stufe des distinktiven Potentials von Design entspricht.

Auch bezogen auf Design als soziales System mit hierarchischer Struktur ist ein ähnlicher Hang zur Distanzierung und zur Ausbildung eines ästhetischen »Insidertums« festzustellen. Etablierte Designer tragen entgegen besserem Wissen dazu bei, den Mythos ihrer Genialität und besonderen Stellung innerhalb der disziplinären Hierarchie gegenseitig aufzuschaukeln und bedienen sich gleichzeitig im Ideenpool des Nachwuchses. Indem diese aufgebauschte Hierarchie Akzeptanz findet weil es genügend Designinteressierte gibt, die auch gerne zu den »erfolgreichen Kreativen« gehören würden, wird sie weiter gestärkt und erzeugt innerhalb dem gesättigten Markt bereits eine spezielle Zielgruppe, die sich von Design für Designer angesprochen fühlt.

Verbindung > Zum Kriterium der »Gemeinschaftlichkeit« bezüglich der integrativen Struktur

Bezogen auf die integrative Struktur besitzen Abgrenzungen nur dann eine Bedeutung, wenn ein Beteiligter nicht bereit ist, seine Erfahrungskreation entsprechend den Kriterien zum Teilprozess der Konvention ­ Ganzheitlichkeit, Durchmischbarkeit und Zweckmäßigkeit ­ auszurichten. Beteiligungswillige oder bereits Beteiligte, die diesbezüglich nicht allzu stark vom angepassten Verhalten abweichen, werden als gleichberechtigt und gleichwertig behandelt. Im Prinzip ist Kooperation immer möglich. Die Beteiligten fühlen sich nach dem Kriterium der Gemeinschaftlichkeit verbunden oder entwickeln dieses Kriterium im Subprozess der Verbindung. Dies zeigt sich in der raschen Ausdehnung und Übertragung von Beziehungen der Beteiligten, welche über die zuallererst verbindende Thematik hinausgeht. Es entstehen schnell freundschaftliche Beziehungen, in denen unabhängig von Kompetenzen verschiedenste Themen in die Kommunikation eingebracht werden. Zum Beispiel führt dies dazu, bei kleinen gesundheitlichen Problemen dem Rat eines Freundes, mit dem man das Gefühl einer gemeinschaftlichen Verbundenheit teilt, mehr Vertrauen zu schenken als dem Facharzt.

Hinsichtlich dem kollektiven Potential von Design wird erwartet, dass es dem Kriterium der Gemeinschaftlichkeit Ausdruck gibt und sein Zustandekommen in der Erfahrung bestärkt.

Beispiel für das kollektive Potential von Design

Die Beliebtheit von Cluburlauben mit Betreuung durch Animateure, die dabei helfen, Kontakte zueinander herzustellen, zeigt, dass viele Menschen unter einem Defizit von Gemeinschaftlichkeit leiden und dieses Erlebnis wenigstens im Urlaub suchen. Im öffentlichen Bereich sollten Gelegenheiten für Begegnungen geschaffen werden, die das Entstehen des Gefühls von Gemeinschaftlichkeit fördern, um zumindest zeitweise überwinden. Aus diesem Grunde ist es weiterhin wichtig, traditionelle Volksfeste zu attraktiven Begegnungsstätten für alle Menschen auszugestalten. Event-Design im Auftrag von sozialen Trägern wie den Kommunen müsste zur Verbesserung der Qualität solcher kollektiver Ereignisse stärker einbezogen werden.

Die Präsentation von internationalen Sportereignissen wie der Fußball-Weltmeisterschaft in den Medien ist darauf angelegt, wenigstens phasenweise das Gefühl von Gemeinschaftlichkeit quer durch die Bevölkerung eines Landes aufkeimen zu lassen. Wie wichtig dies in politischer Hinsicht ist, zeigte der angekündigte Verzicht auf Steuereinnahmen, falls Deutschland zum nächsten Austragungsort gewählt würde.

Beispielhaft für alltägliche Bereiche, in denen das Zustandekommen von Gemeinschaftlichkeit durch das kollektive Potential von Design, also die Einfachheit, das Absehen von Statuszeichen usw. unterstützt wird, sind manche Waschsalons, die sich allein aufgrund der Kooperation der Benutzer zu lockeren Treffpunkten entwickelt haben.

Belohnung > Zum Kriterium der »Interessenvertretbarkeit« bezüglich der polyvalenten Struktur

Die drei Strukturen sind nicht als einander ausschließende gegensätzliche Konzepte gedacht. Vielmehr gelten einige Einflussgrößen in allen Strukturen. So ist auch das Individuum in der polyvalenten Struktur fremdbestimmt. Das Ausmaß dieser Fremdbestimmung ist jedoch vergleichsweise klein. Zwar ist keine ausschließliche Selbstbestimmung möglich, aber die individuelle Orientierung zur Verantwortung führt zu selbständiger Urteilsfähigkeit und nicht zum Abwälzen der Verantwortung durch Akzeptanz der meist bereits fixierten und eher fremdbestimmten Werte eines sozialen Systems. Bezüglich der drei behandelten Strukturen hat das Individuum hier die stärkste Position und den größten Freiraum für die Individuation. Doch es ist auch gefordert, Urteilsfähigkeit zu entwickeln und erhält schließlich in einem dritten Subprozess im Teilprozess der Partizipation, der Belohnung, die Chance, seine eigenen Interessen zu vertreten und aktiv seine Erfahrungen mitzugestalten. Das Kriterium der Interessenvertretbarkeit wertet, inwieweit die Vertretung spezieller Interessen in Hinsicht auf ein soziales System zugelassen und gefördert wird.

In der Möglichkeit der individuellen Interessenvertretung liegt die spezifische Attraktivität der Orientierung und Partizipation an der polyvalenten Struktur insbesondere für kreative, aktive Menschen. Das partizipative Potential von Design erleichtert das Kriterium der Interessenvertretbarkeit der an einem sozialen System kommunikativ Beteiligten durch die Offenheit für alternative Zielsetzungen und Entwicklungen.

Beispiel für das partizipative Potential von Design

Sogar der Bereich der Verkehrszeichen lässt sich ein stückweit dem partizipativen Potential von Design öffnen. So erlaubte die Stadt Erfurt leider nur solange, bis der übergeordnete Gesetzgeber tätig wurde, die Anbringung witziger Varianten von Männchen auf Ampelblenden. Diese entstanden im Rahmen einer Initiative zur Rettung des ostdeutschen Ampelmännchens, nachdem dessen Verlust als kollektives Potential im Alltag durch die Übernahme der westdeutschen Variante im Zuge der Wiedervereinigung einigen Menschen bewusst wurde.

Das partizipative Potential von Design lässt Ansatzpunkte für die Interessenvertretung von Einzelpersonen oder Gruppen zu. Beispielsweise entwarf ein Berufsschullehrer mit seinen Schülern einen sehr einfachen, kostengünstigen Solarkocher für Entwicklungsländer und gründete eine Firma, um diesen Kocher herstellen und vertreiben zu können. Diese Entwicklung und aktive Vertretung von Interesse für diese Thematik war nur wegen der offenen Organisation der Schule und Lerninhalte möglich. Das Produkt selbst ist stärker nach den Kriterien des kollektiven Potentials von Design gestaltet.

Auch die Beteiligung an der Disziplin Design als einem sozialen System kann durch das partizipative Potential und die Orientierung an der polyvalenten Struktur gekennzeichnet sein. Das heißt, Designer sind nicht verpflichtet, einen Formenkanon zu befolgen, sondern können ihre Ansichten verwirklichen, ihre Interessen vertreten. Mut zur Selbständigkeit hinsichtlich der Formulierung von Aufgaben und deren eigenverantwortliche Lösung ist eine wichtige Charaktereigenschaft von kreativ und engagiert tätigen Menschen in allen Bereichen, so eben auch im Design. Die ästhetisch innovativen Entwürfe von David Carson oder Philippe Starck, die zunächst aus deren jeweils subjektiven Interessen entstanden, zeigen vielen jungen Designer, dass es noch immer möglich ist, unter Absehung von drückenden, innerdisziplinären Verpflichtungen wie der Orientierung an einem minimalistischen ästhetischen Formenkanon, selbstgesetzte Interessen und gestalterische Ansprüche zu verfolgen.

Belohnung > Zum Kriterium der »Vorhersehbarkeit« bezüglich der hierarchischen Struktur

Der Subprozess der Belohnung im Teilprozess der Partizipation lässt sich bezüglich einem sozialen System mit hierarchischer Struktur, unabhängig von dem erreichbaren Niveau, durch das Kriterium der Vorhersehbarkeit und die damit verknüpfte persönliche Sicherheit für die Zukunft umreißen. Anstelle sich selbst ein Urteil bilden zu müssen, schließt man sich dem durch das System legitimierten Urteil der Fachleute oder einer anderen einmal ausgewählten Instanz an. Beispielsweise einem bestimmten Fernsehsender, dessen Berichte für glaubhafter gehalten werden, als diejenigen anderer Sender oder einer Marke, deren exklusive Club-Artikel nur für Mitglieder erhältlich sind oder einer Versandfirma wie Manufaktum, welche die schönen Dinge, die es noch gibt, laut ihrem Slogan ausfindig gemacht hat und ausgewählten Interessenten anbietet.

Mit der hierarchischen Struktur sind pyramidenförmige, klar geordnete Vorstellungsbilder zu verbinden. Hierzu passt auch die Zentralperspektive, die dem Betrachter einen Punkt zuweist, von dem aus alle Bildelemente oder auch Gebäude, wie in der Stadtplanung, in der richtigen Anordnung zu sehen sind. Unter anderem brach der Kubismus diese zwingende Sehweise und die mit ihr verbundene Denkweise auf und zeigte Objekte gleichzeitig von mehreren Seiten. Diese Vielseitigkeit kann sowohl die visuelle ästhetische Empfindung, als auch das geordnete Denken verwirren, da die gewohnheitsmäßig erwarteten und vorhersehbaren Fixpunkte nicht aufzufinden sind.

Das distinktive Potential von Design bietet demjenigen, der sich an der hierarchischen Struktur orientiert, Fixpunkte an, entspricht damit dem Kriterium der Vorhersehbarkeit und löst die mit der Orientierung an der hierarchischen Struktur verbundene Belohnungserwartung somit ein. Störende, den vorhersehbaren Gang der Dinge womöglich durchkreuzende Ereignisse werden ausgesondert.

Beispiel für das distinktive Potential von Design

Ästhetische Kriterien des Bildungsbürgertums leiten sich nicht von gewachsenen Gewohnheiten, individuellen Vorlieben oder der spezifischen Wahrnehmungsfähigkeit wie synästhetischen Erfahrungen ab. Sie sind vielmehr erlernt und folgen der legitimierenden Kritik von Fachleuten, nicht dem persönlichen Urteil. Ästhetisches, exklusiv verstanden als das Schöne, erscheint deshalb objektiv ohne persönliches Zutun zu bestehen.

Abweichende, nicht dem Kriterium der Vorhersehbarkeit entsprechende oder dem einmal gewählten und legitimierten Kanon folgende Meinungen oder ästhetische Ausdrucksformen werden aussortiert, beziehungsweise als »visuelle Umweltverschmutzung« diskriminiert. So wird kollektives, aus dem sozialen Zusammenhang gewachsenes Design wie Weihnachtschmuck oder Ohrensessel dem Kitsch zugeordnet; Design mit dominantem partizipativen Potential wie ein umgebautes Auto oder selbst gestaltete Kleidung wird als kurzlebige, modische Selbstdarstellung abgelehnt.

Ohne inhaltliche Wertungen, die über visuelle Ordnungskriterien hinausgehen, kommt diese Aufräumaktion nicht aus. Deshalb wird aussortiert, was der jeweiligen Zielvorgabe des Systems nicht entspricht und verstärkt, was durch diese legitimiert ist. Reliefmuster auf Kunststoffgehäusen gelten dann beispielsweise als modischer Zierrat, an der restaurierten Stuckdecke sind sie jedoch ästhetisch reizvoll. Kunst am Bau ist als ästhetisch wertvoll anerkannt. Dagegen erfüllen Graffitiungeachtet ihrer Ausführung nicht das Kriterium der Vorhersehbarkeit und werden als Schmutz eingestuft. Eine solcherart verkürzt verstandene Reinigung der Umwelt von visueller Verschmutzung soll nicht nur unerwünschte ästhetische Ausdruckselemente, welche nicht zu der Zielvorgabe eines hierarchisch strukturierten Systems passen, beseitigen, sondern gleichzeitig die dahinterstehenden Absichten und alternativen ästhetischen Erfahrungen zum Verstummen bringen.

Belohnung > Zum Kriterium des »Verständnisgegebenheit« bezüglich der integrativen Struktur

Im Hinblick auf die Orientierung an der integrativen Struktur findet der Einzelne jederzeit Verständnis und kann sich in der Gemeinschaft aller an einem sozialen System Beteiligter geborgen fühlen. Am ehesten ist dies im Bezug zur sozialen Wirklichkeit innerhalb der Familie oder dem engen Freundeskreis der Fall. Ein Interessenskonflikt zwischen dem Individuum und dem sozialen System wird nicht registriert. Daher leidet das Individuum nicht unter seiner Abhängigkeit von der Gemeinschaft. Die Einschätzung der individuellen Position erfolgt deshalb nicht im Vergleich mit höheren, besseren oder weiterentwickelten Positionen, sondern in direkter Bezugnahme auf das Gefühl der Zusammengehörigkeit, das Verständnis, den Konsens, die verbindende Ganzheitlichkeit als Wertungsprinzip. Eine Sehnsucht nach Verständnis füreinander und die Empfindung dessen Mangels in der heute vorherrschenden Gesellschaftsorganisation drücken die Statements der anlässlich der 12. Shell-Jugendstudie befragten Jugendlichen aus (vgl. Jugendwerk der Deutschen Shell, 1997). Das Kriterium der Verständnisgegebenheit als positiv empfundene Bedingung für die Erfahrung mit dem Schwerpunkt der kommunikativen Dimension und der integrativen Struktur ist ein wichtiger Anreiz zum Engagement bezüglich einem sozialen System.

Da die heutige soziale Lebenskomplexität nicht mehr durch ein einziges, die gesamte Gesellschaft umschließendes System mit integrativer Struktur zu erfassen ist, filtern sich verschiedene soziale Systeme aus, die jeweils ihr internes, selbstverständliches, mit einem blinden Fleck belegtes und daher unsichtbares, kollektives Potential pflegen. Deshalb bestehen heute mehrere, durch ästhetische Gewohnheiten Gemeinsamkeit kultivierende und Verständnis für die Beteiligten ausdrückende soziale Systeme mit integrativer Struktur nebeneinander. Diese konkurrieren nicht automatisch, denn jede Gruppierung belegt ihre soziale Nische. Beispielsweise engagieren sich die Menschen nicht mehr ausschließlich in der offiziellen Amtskirche, sondern in Sekten oder Vereinen mit sozialem Engagement, um genau das Verständnis zu finden und weiterzuverbreiten, das sie anspricht.

Der Konsens im ästhetischen Empfinden ist wichtiger als die Erfüllung individueller Vorlieben oder die repräsentative Aufwertung der eigenen Person. Naturgegebene Besonderheiten wie körperliche Merkmale oder Behinderungen werden hingenommen aber ansonsten ist Auffallen verpönt. Deshalb werden Designgegenstände, welche die Integration der Person in ihrem sozialen Umfeld verstärken und ihrem Gemeinsinn Ausdruck geben, ausgewählt und ungewöhnliche Objekte, die eine Besonderheit offenlegen könnten, gemieden. Dementsprechend kann das Kriterium der Verständnisgegebenheit als attraktive Belohnung im Teilprozess der Partizipation bezüglich einem sozialen System mit integrativer Struktur durch das kollektive Potential von Design gefördert werden.

Beispiel für das kollektive Potential von Design

Im Modebereich gibt es bei fast jeder Firma eine Produktkategorie, welche die Basisprodukte wie Sweat-Shirt, Hose, Bluse und Jacke abdeckt. Diese Kleidung passt im Prinzip immer, weil sie nicht besonders auffällt und kann je nach Gelegenheit aufgepeppt werden. Solche Produkte, die häufig auch die Geschlechter einander angleichen wie die Parfums von Calvin Klein oder Hugo Boss, erleichtern durch ihr kollektives Potential von Design das gemeinsame Grundverständnis zwischen jungen Leuten. Zuerst setzten die Firmen Benetton und Esprit dieses Basic-Konzept um. Wegen seines Markterfolgs wurde es inzwischen auch von anderen Produktbereichen wie Küchenbedarf oder Mobiliar übernommen.

Anforderung > Zum Kriterium der »Selbstverantwortlichkeit« bezüglich der polyvalenten Struktur

Die Partizipation bezüglich der polyvalenten Struktur wird nicht durch zu starke Beteiligungsvorgaben erschwert. Das heißt aber nicht, dass beliebige Kommunikationsbeiträge eingebracht werden können. Jeder soziale Akteur muss selbstverantwortlich zu seinen Beiträgen stehen. Der Einfluss auf die Erfahrung bezüglich dem Subprozess der Anforderung kann daher durch das Kriterium der Selbstverantwortlichkeit erfasst werden. Dieses Kriterium schränkt die offenen Perspektiven des polyvalenten Strukturtyps, die durch die bisher vorgestellten Kriterien wie Vielfältigkeit, Flexibilität und Alternativenbildbarkeit gegeben ist, wesentlich ein. Insbesondere solche Beiträge, die ein großes Risiko beinhalten, werden in Anbetracht der Selbstverantwortlichkeit nur nach reiflicher Prüfung eingebracht.

Der partizipierende Akteur erhält bezüglich der polyvalenten Struktur die echte Chance, die zukünftigen Entwicklungsziele der Struktur aktiv mitzugestalten. Im Unterschied zu den beiden anderen Strukturen, die ihre Perspektiven langfristig in eine Hauptrichtung kanalisiert haben, sei diese durch die Orientierung an einer Zielvorgabe mit zugehöriger Niveaudifferenz oder die schicksalsergebene Hoffnung auf harmonische Ganzheitlichkeit gegeben, bevor der individuelle Akteur mitentscheiden kann, ist die polyvalente Struktur offen für alternative Entwicklungsperspektiven. Diese Chance ist mit der Anforderung der Selbstverantwortlichkeit verknüpft.

Das Kriterium der Selbstverantwortlichkeit kann durch das partizipative Potential von Design in Form von zurückhaltendem Vorgehen bei der Einrichtung von Verboten oder Regulierungsmaßnahmen unterstützt werden. So ist es in der Verkehrsplanung oft effektiver, an belebten Kreuzungen mit gleichermaßen stark frequentierten Fahrbahnen einen Kreisverkehr anstelle einer Ampelanlage einzurichten und die Fahrer zum aufmerksamen und selbstverantwortlichen Fahren anzuregen.

Beispiel für das partizipative Potential von Design

Viele Menschen sind von der prinzipiellen Möglichkeit der Partizipation an verschiedensten Ereignissen und dem freien Meinungsaustausch, die das Internet bietet, begeistert. Eine Botschaft im Netz kann neue Kommunikation initiieren. Es liegt in der Verantwortung der Nutzer, welche Themen sie anbieten und wie intensiv sie sich beteiligen. Nach dem Modell einer integrativen Struktur im Netz wäre zu vermuten, dass tabuisierte Themen gar nicht auftauchen oder nur sehr geringes Interesse finden. Mit der Installation einer hierarchischen Struktur würden unpassende Themen sofort durch Verbote ausgegrenzt, bevor sie noch eine gewisse Verbreitung entwickeln könnten. Nach dem Vorbild der polyvalenten Struktur im Netz wird auf selbstregulierende Effekte durch die verantwortliche Nutzung vertraut. Das heißt, nach anfänglich großem, neugierigen Interesse flaut die Nachfrage an anstößigen Themen ab, weil die Nutzer durch eigenständige Überlegungen, ohne Restriktionen, Verantwortungsgefühl entwickeln und das Anwählen solcher Websites meiden. Das in den USA ausgesprochene, kurzzeitige Verbot von pornografischen Mitteilungen im Internet wurde im Juni 1996 wieder zurückgenommen, denn durch dieses Verbot war auch der Austausch von medizinischen Informationen erschwert worden. Bereits entwickelte Programme zur Filterung des Netzes nach anstößigen Inhalten werden inzwischen auch von der chinesischen Regierung eingesetzt, um das Zustandekommen politisch unliebsamer Diskussionsforen auszuschließen.

Anforderung > Zum Kriterium der »Leistungsfähigkeit« bezüglich der hierarchischen Struktur

Für einen an der hierarchischen Struktur orientierten sozialen Akteur hat der Teilprozess der Konvention die höchste Bedeutung. Der Prozess der Partizipation wie auch dessen zugehörige Subprozesse und Kriterien dient der Pflege und Optimierung der Konvention. Gefordert wird deshalb eine disziplinierte Leistungsbereitschaft und deren konkrete Umsetzung in eine leistungsfähige Erfüllung der anstehenden Aufgaben. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Beteiligung auf unteren Niveaustufen wie auch in Spitzenpositionen. Die Beteiligten müssen daher im Subprozess der Anforderung ständig ihre Leistungsfähigkeit aufrechterhalten, sie ausbauen und unter Beweis stellen.

Vom distinktiven Potential von Design wird zur Unterstützung des Kriteriums der Leistungsfähigkeit erwartet, dass es einerseits entsprechende, abgestufte Hilfestellungen bereit hält. Andererseits sollte das distinktive Potential von Design Gelegenheiten zur Demonstration der Leistungsfähigkeit und somit eine positive Erfahrung während dem Subprozess der Anforderung für diejenigen anbieten, die die geforderte Leistung erbringen können.

Beispiel für das distinktive Potential von Design

Das distinktive Potential von Design kann durch Rangabzeichen oder einen Titel, der die Leistungsfähigkeit seines Trägers repräsentiert, konkretisiert sein. Bereits Niccolò Machiavelli (1469­1527) empfahl einem politischen Führer seine Berater durch die Verteilung von Titeln zu belohnen und dadurch an sich zu binden. Doch hinsichtlich der Mitwirkung an einer hierarchischen Struktur geht es nicht nur um Repräsentation, sondern auch um die tatkräftige Einlösung der Leistungsfähigkeit. Diese wird durch Prüfungen oder in Firmen durch Erhöhung der Zielvorgaben wie Umsatzsteigerung oder Verkürzung der Entwicklungszeiten usw., immer aus Neue eingefordert. In hierarchisch strukturierten Organisationen ist die Verteilung von Belobigungen, sei es in Form einer Urkunde, einer Erwähnung in der Hauszeitung oder durch die Übertragung von Vorrechten wie einem besonderen Parkplatz ein wichtiges internes Führungsmittel, das dem distinktiven Potential von Design zugehört.

Allerdings enthält die Gestaltung des distinktiven Potentials von Design hinsichtlich dem Kriterium der Leistungsfähigkeit einigen Spielraum, denn die Anforderungen können durchschaubar oder undurchsichtig, schwer oder einfach erfüllbar sein. Oft ist es weniger wichtig innerhalb des hierarchisch strukturierten Systems die Leistungsfähigkeit eines Beteiligten zu überprüfen, als vielmehr nach außen hin zu demonstrieren, welch schwere Anforderungen für die Mitwirkung an dem System zu erfüllen sind, um dessen besondere Stellung sowie die der Beteiligten in Relation zu anderen sozialen Systemen zu sichern. So dient die Verwendung von Latein im Medizinsektor teilweise dazu, gegenüber den meist dieser Sprache unkundigen Patienten, die tatsächlichen Wissensanforderungen der Ärzte zu verschleiern und zu überhöhen. Ebenso verwenden Betriebswirtschaftler, Marketing- und Unternehmensberater zunehmend Anglizismen, um Kunden zu beeindrucken. Hier wird Sprachdesign betrieben um ein distinktives Potential auszudrücken.