Entwicklung > Zum Kriterium der »Systematisierbarkeit« bezüglich der standardisierten Logik

Durch die Simulierbarkeit sind Medien mit standardisierten Logiken korrigierbar. Dadurch ist eine wesentliche Voraussetzung für das Kriterium der Systematisierbarkeit der schwerpunktmäßig auf Medien mit standardisierten Logiken ausgerichtete Interaktion als zielgerichtete Entwicklung und zunehmende Festigung von ausgewählten Lösungsalternativen gegeben. Trotzdem wird durch die Systematisierbarkeit als dem dritten Aspekt der Aktivation einer standardisierten Logik kein starres, sondern ein dynamisches System erzeugt. Im Unterschied zu der fixierenden Manifestation von Medien gehören zur Systematisierbarkeit noch die entwickelnden Prozesse des Definierens von und des Operierens mit Variablen, Konstanten und Parametern.

Das Kriterium der Systematisierbarkeit bezüglich der Entwicklungsfähigkeit von einmal aktivierten standardisierten Medien hängt nicht vom Können einer Person wie beim Kriterium der Trainierbarkeit oder den Handlungsinteressen von Akteuren wie beim Kriterium der Vernetzbarkeit ab. Wichtig ist die Ausbaufähigkeit der standardisierten Logik dahingehend, daß sie zwar lineare, festgelegte Erfahrungsprozesse bei der Interaktion vorgibt, sich aber hinsichtlich gesetzter Ziele weiterentwickeln läßt. Diese Entwicklungs- und Umformungsmöglichkeiten gilt es durch das Systematisieren zu entdecken und zu aktivieren. Hiebei kann das innovative Potential von Design insbesondere im Bereich des Designmanagements wichtige Impulse geben, beispielsweise indem verschiedene standardisierte Logiken durch die neuartige Zuordnung und Wertung der beteiligten Entitäten als Konstanten, Variablen oder Parameter zu weiterentwickelten Zusammenhängen systematisiert werden.

Beispiel für das innovative Potential von Design

Das innovative Potential kann dem Kriterium der Systematisierbarkeit entsprechend im Verlauf von Produktentwicklungsprozessen zu Lösungsalternativen beitragen und die Marktfähigkeit eines Unternehmens sichern helfen. Arbeitskräfte, Fachwissen, Maschinen, Material, Anlagen und Gebäude sowie Vermarktungswege können je für sich als Medien mit standardisierten Logiken konzipiert werden, die zu managen sind. Hier findet das Kriterium der Systematisierbarkeit Anwendung, indem als konstante Größe, um die herum alle anderen Aspekte systematisch organisiert werden, kein bereits feststehendes Produkt angenommen wird. Je nach Problemlage, kann zum Beispiel das Material auf dessen Bearbeitung die Firma spezialisiert ist, die Konstante bilden, zu der dann passende Produkte zu entwickeln sind. So könnte eine Fabrik für Gummistempel andere Gegenstände aus Gummi, beispielsweise neuartige Büroutensilien fertigen und ihre vorhanden Vermarktungsstrukturen im Bürohandel nutzen. Auch die Fähigkeiten der Mitarbeiter eines Betriebes können als Konstante fungieren. Wenn traditionelle Dekors nicht mehr gefragt sind, werden zur Erhaltung der Arbeitsplätze von Dekorationsmalern in der Porzellanindustrie neuartige Dekors entworfen.

Im Bereich der Architektur sind ebenfalls Medien mit standardisierten Logiken unterscheidbar und je nach Problematik neu zu systematisieren. Beispielsweise können die infrastrukturelle Anbindung des Bauplatzes, die Funktion des Gebäudes, die Interessen der Nutzer, die ökonomische oder ökologische Bauweise als primäre Konstante und die anderen beteiligten Komponenten als Variablen oder Parameter definiert werden. Je nach Wahl der Konstante entstehen sehr unterschiedliche Konzepte.

Verbesserung > Zum Kriterium der »Simulierbarkeit« bezüglich der standardisierten Logik

Während die korrigierende Variation organischer Medien unhintergehbar durch die Einhaltung der Lebenserhaltungsbedingungen und die Erneuerung kontextueller Medien durch gemeinsame Nutzung zusätzlich noch stärker von sozialen Konventionen begrenzt ist, ergibt sich hinsichtlich der standardisierten Medien die Möglichkeit des materielle und humane Ressourcen sparenden, umfassenden Simulierens. Jemand, der im Grübeln und Nachdenken versunken ist, simuliert. In diesem Sinne ist das Simulieren ein forschender Denkprozess, der parallel zum Entwerfen und Konzipieren abläuft und immer wieder verschiedene Alternativen durchdenkt und korrigiert, mit einfachen Modellen experimentiert und schließlich mehrere Lösungsstufen fixiert, die aber weiterhin für Korrekturen offen sind. Diesen Aspekt des Teilprozesses der Aktivation soll das Kriterium der Simulierbarkeit erfassen, nicht die Täuschungsabsicht, die dem deshalb abschätzig so genannten Simulanten unterstellt wird.

Der Begriff »Simulation« bezeichnet in der Computertechnologie die modellhafte Visualisierung bestimmter Wirkzusammenhänge mit Hilfe des Computers sowie das Durchspielen ihrer zeitlichen Veränderungen in Abhängigkeit von variablen Einflussgrößen. Simulationen sind dynamische Modelle. Sie sind wie alle Modelle leicht korrigierbar und die verschiedenen Korrekturstufen sind miteinander vergleichbar. Durch ihre Fähigkeit zeitliche Dynamik zu integrieren, können sie lebensnah, komplexere Vorgänge visualisieren, als statische Modelldarstellungen. Einsatzgebiete sind beispielsweise die Veranschaulichung von chemischen Reaktionen, Einwirkung von Hochhäusern auf die Lichtverhältnisse oder die Luftstörung in der Umgebung, simulierte Verkehrsunfälle usw. Auch Designer müssen ihre Ideen kommunizierbar aufbereiten. Für komplexere Konzepte reichen dazu organische Medien wie verbale Sprache oder erklärende Gestik und kontextuelle Medien wie durch Designmodelle nicht mehr aus. Simulationen verdeutlichen Bedienungsabläufe, Alterungsprozesse, definierte Wechselwirkungen usw. besser und sie sind leichter zu korrigieren als materiell realisierte Modelle.

Wenn heute viele Wissenschaftler eingestehen, dass es keine endgültigen, optimalen Forschungsergebnisse oder Problemlösungen geben kann, dann wird es zunehmend relevant, auch den die Disziplin vertiefenden, forschenden Aspekt von Design von der Orientierung an einem Wissenschaftsbild zu lösen, das synonym für Allgemeingültigkeit steht. Mitwirkung an der Gestaltung der Zukunft heißt nicht mehr auf einem vorgezeichneten Weg schneller voranzuschreiten und dadurch eine sowieso ablaufende Entwicklung zu beschleunigen. Es geht vielmehr darum den Ist-Status korrigierende, tragfähige Alternativen aufzuzeigen. Für diesen der Forschung zugehörigen Anteil von Design ist das Experimentieren, das Simulieren und das später zu untersuchende Systematisieren als produktives Tätigsein mithilfe komplexer, standardisierter Medien besser geeignet als die den organischen und den kontextuellen Medien zugeschriebenen Tätigkeitsarten.

Beispiel für das innovative Potential von Design

Rüdiger Lutz entwarf als Forschungsarbeit, deren Ergebnisse in dem Buch »Die sanfte Wende« (Lutz, 1987) nachzulesen sind, aufgrund der Analyse von im sozialen Zusammenleben einflussreichen Entwicklungsströmungen mittels Simulationsmodellen mehrere unterschiedliche Zukunftsszenarien, Hypothesen für das Design der Zukunft. Damit brachte er eine fachliche Diskussion über die Wünschbarkeit, Korrigierbarkeit und Umsetzbarkeit dieser Szenarien in Gang.

Museen präsentieren Design meist in Form von schönen Gegenständen und tragen dadurch dazu bei, dass Laien unter Design häufig nur eine für die visuelle Wahrnehmung geschönte, formalistische Ästhetik verstehen. Der über die Optik hinausgehende, in dem Designprodukt zu berücksichtigende, alle Sinne einbeziehende ästhetische Gebrauchsprozess ist genauso ausgeblendet wie der innovative Ansatz von dem der Designer ausging und der Status von Vorläufigkeit und Eingebundenheit dieser Lösung in einen experimentellen Arbeitsprozess, aus dem weitere Lösungen folgen können. Gegenüber dieser starren Präsentationsform könnten Simulationen einen umfassenderen, lebensnahen Eindruck von Entwurfsprozessen und -konzepten vermitteln, Alternativen zeigen und die Besucher auffordern, mithilfe einfacher Programme selbst korrigierend mitzuwirken. Das Designmuseum in London versucht dies zumindest ansatzweise, indem jeder Besucher Gelegenheit hat, den Design- und Entwicklungsprozess am Beispiel einer Zahnbürste mit einem komplexen, interaktiven Simulationsprogramms selbst zu vollziehen.

Verbesserung > Zum Kriterium der »Erneuerbarkeit« bezüglich der kontextuellen Logik

Kontextuelle Medien unterliegen einem materialbedingten Alterungsprozeß. Ohne produktive Pflege wie sie beispielsweise Restauratoren im Denkmalschutz oder in Museen betreiben wäre ihre Haltbarkeit gefährdet. Das Kriterium der Erneuerbarkeit soll über diese erhaltende Pflege hinausgehend eine mögliche Korrektur als aktive Veränderung von bereits gefestigten kontextuellen Medien beschreiben.

Die Vergänglichkeit kontextueller Medien fordert ständig aufmerksame Zuwendung. Daher ist die Entscheidung, welche Medien weiterhin zur Wirklichkeit gehören oder dem Verfall preisgegeben werden sollen, wiederholt zu treffen. Hier liegt die Chance, Produktivkraft nicht nur in Verpflichtung auf die Tradition in die Erhaltung der Medien zu stecken, sondern korrigierende Erneuerung einzubringen und die Medien entsprechend der ständig im Wandel befindlichen und je nach sozialer Eingebundenheit andersartigen Lebenswirklichkeit in ihrer Bedeutung zu aktualisieren.

Korrigierendes Erneuern muss nicht automatisch auf eine fortschrittsgläubige Einbahnstraße führen. Wenn es sich nach dem Austesten des Erneuerten ergibt, dass der alte Zustand doch besser war, so ist es sinnvoll, diesen wieder herzustellen. Damit dies ohne zu großen Aufwand möglich ist, sollte das situative Potential von Design immer ein gewisses Maß an Fehlerfreundlichkeit und Korrigierbarkeit enthalten.

Beispiel für das situative Potential von Design

Wie Lucius Burckhardt in seinem Essay »Durch Pflege zerstört« (vgl. Burckhardt, 1985) thematisiert, kann eine unkritisch erhaltende, jedoch nicht erneuernde Pflege mit dazu beitragen, dass die Umwelt »zu Tode gepflegt« wird. In der lieblichen Überästhetisierung der Umwelt, die sich zum Beispiel durch perfekte Grünflächen, altertümliche Straßenlaternen oder Kopfsteinpflaster, übertriebenem Blumenschmuck an dafür unpassenden Bereichen, äußert, steckt die Verleugnung moderner Lebenspraxis. Anstelle ein zeitgemäßes situatives Design zu entwickeln, das den aktuellen kontextuellen Anforderungen entspricht und korrigierende Erneuerungen vorzunehmen, lähmen viele Entscheidungsträger durch zu kritikloses Restaurieren von Veraltetem, in der Stadtplanung beispielsweise am Frankfurter Römerberg, die produktiven Energien.

Gebrauchs- und Verschleißprodukte als kontextuelle Medien des alltäglichen Lebens wie beispielsweise Kaffeemaschinen oder Toaster, werden kontinuierlich benötigt. Die Produktionswerkzeuge für die Kunststoffteile unterliegen ebenfalls einem Verschleiß, so dass es weiterhin sinnvoll ist, die Werkzeugformen nicht unverändert zu ersetzen, sondern verbessernde Korrekturen, die auch eine zeitgemäße Erneuerung der ästhetischen Anmutung betreffen können, vorzunehmen.

Verbesserung > Zum Kriterium der »Korrigierbarkeit« bezüglich der organischen Logik

Geistige oder motorische Fähigkeiten und entsprechende Medien mit organischer Logik sind zwar im Prinzip verbessernd umformbar, Korrekturversuche können jedoch auch die Gefahr einer Verschlechterung mit sich bringen. Für den Subprozess der Verbesserung bezüglich Medien mit organischer Logik ist viel Zeit und persönlicher Einsatz notwendig. Diese Ressourcen sind knapp. Dadurch ist die Korrigierbarkeit von einmal geformten organischen Medien wie Sprachgebrauch, persönlicher Gestik oder Wissenskonzepten als theoretisch oder motorisch schematisiertes Wissen eingeschränkt. Aus diesem Grund bleiben viele Menschen ohne größere Korrekturen vorzunehmen, an ihren einmal produzierten, der organischen Logik zugehörigen Medien-Schemata haften.

Dem Kriterium der Korrigierbarkeit entspricht das adaptive Potential von Design durch eine fehlerfreundliche Gestaltung von Interaktionen. Hierzu gehört die Erleichterung der Registrierung eines Fehlers ebenso wie die Ermöglichung seiner Korrektur.

Beispiel für das adaptive Potential von Design

Oft ist es schwieriger die Programmplätze eines Fernsehgeräts einzugeben, als spielerisch ein Computerprogramm zu erlernen. Da die Tasten einer TV-Fernbedienung doppelt belegt sind oder die Anzeige plötzlich wieder verschwindet, kann ein Nutzer seinen Fehler nicht mehr zurückverfolgen und muss den Vorgang ‚auf gut Glück‘ nochmals wiederholen. Dagegen sind gute Programme so aufgebaut, dass sie dem Nutzer Schritt für Schritt ein Feedback durch die Monitoranzeige geben und dadurch falsche Eingaben schnell zu registrieren und auch zu korrigieren sind. Im Zuge des Aufkommens von Personalcomputern entschieden sich viele Menschen, die wenig von Computertechnik verstanden, aber den Computer als Werkzeug nutzen wollten, für Apple Computer, weil diese ein Interface anboten, das dem Nutzer einen spielerischen Einstieg erleichterte und ihm die Befürchtung nahmen, durch irgendwelche versehentlich falschen Eingaben Fehler im System auszulösen. In der Folge erneuerten andere Hersteller ihr Interface-Design entsprechend.

Der Einsatz von Spiegeln im Tanzunterricht hilft dabei, Bewegungsfehler am eigenen Körper zu überprüfen und zu korrigieren. In vielen sportlichen Disziplinen werden zu diesem Zweck heute Filmaufnahmen, Messdaten und Computerprogramme eingesetzt. Diese Hilfsmittel im Sinne des adaptiven Designs unterstützen den Sportler dabei, sein innerliches Schema eines Bewegungsablaufes mit dessen tatsächlicher Durchführung zu vergleichen und gezielt Korrekturen vorzunehmen.

Erzeugung > Zum Kriterium der »Experimentierbarkeit« bezüglich der standardisierten Logik

Im Vergleich zu den bisher untersuchten, Medien verändernden Aktivitäten, ist das Experimentieren am zielgerichtetsten. Es setzt nicht bei Null an, sondern kombiniert verschiedene Medien systematisch miteinander, um nachvollziehbare Resultate zu erhalten und neue Standards setzten zu können. Spielen oder Erproben sind Tätigkeit, deren Zweck eher im Tun selbst liegt und deren Resultate für die Erfahrung nicht unbedingt über die momentane Aktivität hinaus stabil sein müssen. Demgegenüber ist das Resultat eines experimentierenden Prozesses nicht nur auf leichte Nachvollziehbarkeit seiner Entstehung, sondern bereits auf die Festlegung neuer standardisierter Logiken für nachfolgende Interaktionen angelegt.

Patrick Süskinds Roman »Das Parfum« von 1985 führt dem Leser den Prozess zur Erzeugung von Medien in aufbauender Reihenfolge vom Spielen über das Erproben zum Experimentieren, beziehungsweise zum Designen, anhand seiner Hauptfigur Grenouille, die sich durch einen besonders ausgeprägten Geruchssinn auszeichnet, vor Augen. Zunächst sammelt und verändert Grenouille spielerisch Gerüche im Gedächtnis, dann erprobt er deren Herstellung durch Mischen von vorhandenen Essenzen, schließlich experimentiert er mit den Duftstandards, entwickelt gezielt bestimmte Ausgangsessenzen und erzeugt ganz neue Düfte. Grenouille ist nicht damit zufrieden, etwas nachgemacht zu haben, um damit spielerisch oder erprobend seine durch organische oder kontextuelle Medien gegebene Möglichkeiten zu verändern. Er will über das Verändern innerhalb fester Rahmenbedingungen hinausgehen und einen neuen unüberbietbaren Duftstandard schaffen. Wie in dieser Geschichte entstehen auch in anderen Bereichen, in denen das Kriterium der Experimentierbarkeit zum wichtigsten Inhalt der Erfahrung überhaupt wird, durch den Drang nach Grenzüberschreitungen immer auch Konflikte. Seien diese durch die Beschränktheit der eigenen Fähigkeiten, mangelnde Ressourcen oder soziale Restriktionen verursacht. Dies gilt sowohl im persönlichen Lebensbereich, als auch in öffentlichen Bereichen wie beispielsweise in der wissenschaftlichen Forschung. Die Gefahr von Konflikten ist insbesondere dann gegeben, wenn sich das ästhetische Kriterium der Experimentierbarkeit mit der imaginativen Qualität (vgl. Kapitel 2.2.3) und der explorativen Tendenz (vgl. Kapitel 3.2.3) verkoppelt. Diese Gefahr ist zu beachten, wenn Designer ihrerseits ihre Tätigkeit primär als eine experimentelle verstehen und in dem Drang nach Neuem alle anderen Kriterien der ästhetischen Erfahrung vernachlässigen.

Das innovative Potential von Design kann dem Kriterium der Experimentierbarkeit dadurch entsprechen, dass es beispielsweise seinerseits durch experimentelles Kombinieren mit bekannten Standards neue Standards erzeugt und in der Folge die Nutzer zu experimentellen oder auch erprobenden Interaktionen und Erfahrungen anregt. Die experimentelle Nutzung bleibt meist den Fachleuten vorbehalten.

Beispiel für das innovative Potential von Design

In der Architektur galt die Verwendung von großen Glasflächen bis zur Anwendung experimenteller Messmethoden und neuer Fertigungsverfahren als besonders energieverschwendend. Inzwischen wurden neue Glasarten entwickelt, die eine bessere Energiebilanz als andere Baustoffe aufweisen und dadurch zur Reduktion des Wärmehaushalts beitragen. Dadurch wird eine Glasarchitektur möglich, die ihren Nutzern und Bewohnern innovative Erfahrungen für ihre Interaktion mit der Welt erschließt und Impulse zum weiteren Experimentieren gibt. So entwickelte der Architekt Rolf Driesch ein gläsernes Haus, das mit Solarenergie versorgt wird, auf einem drehbaren Sockel gelagert ist und sich nach dem Sonnenstand bewegt.

Michael Thonet (1796­1871) ging vom Standard der Furnierformtechnik aus, experimentierte mit massivem Holz und erfand die Bugholztechnik. Deren innovatives Potential kam nicht nur durch neue Formen und Konstruktionen für Möbel, sondern durch neue Vermarktungsstrukturen zur Entfaltung. Diese wurden insbesondere bei dem Stuhl »No. 14» durch den platzsparenden Transport und die leichte Montage möglich. Der Designer Charles Eames (1907­1978) experimentierte mit gebogenem Sperrholz und kombinierte deren Standards mit dem neuen Material der Kunststofflaminate. Das innovative Potential der bis dahin unbekannten Sitzschalen lag in der Leichtigkeit und Stapelbarkeit der Möbel, wodurch auch innovative Umgangsweisen mit dem Mobiliar angeregt wurden.

Durch experimentelles Kombinieren von bekannten und neuen Medien oder Technologien auf der Basis der standardisierten Logik entsteht neues. Dieses muss das Alte nicht zwangsläufig verdrängen. Trickfilme werden weiterhin durch Nutzung bewährter Techniken hergestellt, aber der erste komplett durch Computeranimation entstandene Film »Toy Story« von John Lasseter erzählt mit innovativen technischen Mitteln eine pädagogisch wertvolle und unterhaltsame Kindergeschichte. Er schafft innovative ästhetische Erfahrungen auch deshalb, weil er sich zwar auf die standardisierte Logik des gezeichneten Trickfilms bezieht, darüber hinaus aber auch neue Effekte und Tricks einsetzt. Anknüpfend an die Ergebnisse Neville Brodys, der auf experimentelle Weise bekannte Darstellungsstandards wie Collage oder Montage auf die Typografie übertrug und seine einzigartigen handgeschnittenen Schriften erfand, ermöglichte die Computertechnologie innovative typographische Experimente mit digitalisierten Handschriften.

Erzeugung > Zum Kriterium der »Erprobbarkeit« bezüglich der kontextuellen Logik

Im Unterschied zu organischen Medien sind kontextuelle Medien bereits in irgendeiner Form im Lebensumfeld fixiert. Bei Interaktionen mit Ihnen darf ein bestimmtes Maß an Zuverlässigkeit erwartet werden. Neben dem Verhalten, das in der Erwartungsbestätigung endet, vollzieht sich erprobendes Verhalten, das den Erfahrungshorizont erweitert und verschiedene Arten von Interaktionen mit einem Medium austestet. Welche Verhaltensweise überwiegt lässt sich schwer entscheiden.

Für die ästhetische Erfahrung der verändernden, erprobenden Interaktionen im Lebenskontext ist es im Sinne der bisherigen Überlegungen und im Unterschied zu romantisierenden oder anthroposophischen Auffassungen, welche die menschliche Erfahrung der Naturverbundenheit als Wert an sich herausstellen, nicht von vornherein entscheidend, ob sie an natürlich oder kulturell fixierten Medien ansetzt. Wichtig ist der gestalterische Spielraum, der für selbständiges, erprobendes Verhalten im Lebenskontext offen steht. Hier ist das situative Potential von Design förderlich einzusetzen.

Beispiel für das situative Potential von Design

In einem Lebenskontext, der wenig Freiraum für kreatives Ausprobieren von Ideen lässt, verkümmern Aktivitätsansätze und die Menschen verlieren einen entscheidenden Aspekt qualitativer Lebenserfahrung. Möglichkeiten für kreatives Erproben werden schon durch die Gesamtverfassung des Lebenskontexts eingeschränkt. Ein Stadtbewohner kann die Gesamtheit seiner Fähigkeiten, wie Naturvorgänge beurteilen zu können, mit vielen Tieren umzugehen, handwerklich von der Maschinenreparatur bis zur Zimmermannsarbeit geschickt zu sein weniger gut erproben als ein Landbewohner. Dagegen bleiben dessen Erfahrungsmöglichkeiten in der Erprobung von Café Besuchern, Teilnahme am kulturellen Leben, Nutzung von Freizeitangeboten aller Art, längere Reisen usw. eingeschränkt. Solche vorgefundenen Lebenskontexte, ob eher durch die Natur oder durch die Kultur geprägt, sind selten völlig umzugestalten. Gerade deshalb sind kleine Veränderungen wichtig. Phantastische Visionen oder Utopien können die Erfahrung des kreativen Erprobens der Medien im alltäglichen Lebenskontext und deren aktive Mitgestaltung nicht ersetzen.

Möbel und andere Gegenstände des täglichen Gebrauchs sollten nicht allesamt strikt auf eine Funktion hin optimiert sein, weil dadurch das Erproben anderer gerade benötigter Funktionen sehr stark eingeschränkt wird. Stühle sind gewöhnlich zum Sitzen da, aber wer holt immer eine Leiter, um einen höheren Regalboden zu erreichen? Afrikaner, denen in den sechziger Jahren von Entwicklungshelfern Toiletten eingebaut worden waren, welche sie nach ihrer Ansicht zum vorgesehen Zweck aber nicht benötigten, bewiesen ihre erprobende Kreativität, indem sie die Toiletten beispielsweise zum Gemüsewaschen benutzten.

Erzeugung > Zum Kriterium der »Erspielbarkeit« bezüglich der organischen Logik

Die elementarste kreative Tätigkeit ist das Spiel mit dem eigenen Körper. Jedes Kleinkind entdeckt und erzeugt spielerisch für sich die Grenzen seines körperlichen Erfahrungsbereiches. Die Logik des Hörens als einem sinnlichen Medium wird durch die spielerische Produktion von Geräuschen ob mit der eigenen Stimme oder körperlichen Interaktionen mit der Welt wie Klopfen, Schlagen, Kratzen usw. für die eigene Erfahrung erzeugt. Dementsprechend beginnt die spielerische Auseinandersetzung mit dem Singen und Sprechen durch unstrukturiertes Geplapper und melodischen Wiederholungen. Die Logik des Sehens wird durch Zukneifen eines oder beider Augen, durch Verstecken usw. spielerisch zum Teil der Erfahrung. Die Logik des Schmeckens entsteht im spielerischen oralen Abtasten unterschiedlichster Dinge. Vor dem Erfassen der Logik des Riechens werden Dinge in die Nase gesteckt. Die Logik des Mediums der eigenen Haut als Körpergrenze wird spielerisch erfühlt, indem sich Kinder selbst beißen, zwicken oder die Haare zupfen. Kinder die von Geburt an durch eine Krankheit schmerzunempfindlich sind, erfahren diese elementare organische Logik als mediale Grenze nicht und verstümmeln sich im Spiel mit dem eigenen Körper. Die Bewegungserfahrung bildet sich unter anderem durch Zappeln oder rhythmisches Schaukeln.

Wahrscheinlich ist diese Erfahrung der Körpergrenzen durch die Erspielbarkeit der Medien, die durch eine organische Logik geprägt sind, auch für die geistige Entwicklung sehr wichtig. Dies belegt der Vergleich von gesunden mit autistischen Kindern. Autistische Kinder, deren Krankheit auf einem genetischen Defekt beruht, fallen auf, weil sie beispielsweise jeden zärtlichen Körperkontakt ablehnen. Ihnen gelingt es nicht, ihre Körpergrenzen durch spielerische Abgrenzung verschiedener Medien mit organischer Logik zu entdecken oder zu erzeugen. So wiederholen sie bestimmte Tätigkeiten wie Dinge nach Farben zu sortieren ohne Veränderung immer wieder. Genausowenig wie ihnen die Erspielbarkeit der sinnlichen Medien oder deren Gewichtung und angenehme Gestaltung gelingt, können sie ihre geistigen Vorstellungen abgrenzen und ordnen. Eine These zur Erklärung dieses Phänomens besagt, dass Autisten kein Bewusstsein ihrer körperlichen und geistigen Abgegrenztheit entwickeln und deshalb auch unfähig sind, sich vorzustellen, dass andere Menschen etwas denken könnten, was von ihren eigenen momentanen Denkinhalten verschieden ist. Dadurch sind Autisten unfähig normal zu kommunizieren. Das unvorhersehbare Verhalten anderer Menschen macht sie unsicher.

Das adaptive Potential von Design unterstützt die Erspielbarkeit der Medien mit organischer Organisationslogik, indem unterschiedliches Spielzeug für Kinder entwickelt wird, das insbesondere das Kriterium der körperlichen Erspielbarkeit im Sinne einer spielerischen Abgrenzung der organischen Medien fördert.

Beispiel für das adaptive Potential von Design

Da die spielerische Grenzfindung und Gestaltungsvariation bezüglich den Medien mit organischer Logik von der Eigenaktivität der Person abhängt, sollten von außen keine zielorientierten, drängenden Impulse gegeben werden. Im Vordergrund sollte vielmehr die Anregung der persönlichen Entfaltung durch vielfältige Angebote und reichlich Zeit stehen, nicht das Aufbauen von Körpererfahrungen nach vorgegebenen, engen Richtlinien. So erscheint es in diesem Zusammenhang wenig sinnvoll, bereits zweijährige behinderte Kinder an den einseitigen Bewegungsablauf eines Rollstuhls gewöhnen zu wollen. Jaron Lanier, der Erfinder von Cyberspace-Brillen, arbeitet mit körperlich behinderten Kindern, um ihnen im Cyberspace die spielerische Abgrenzung und Ausweitung ihrer körperlichen Möglichkeiten erfahrbar zu machen, die sie wegen ihrer Behinderung in der gegebenen physikalischen Welt nicht aus eigener Kraft zustande bringen könnten.

Das adaptive Potential von Design, das spielerischen Freiraum für die individuelle Abgrenzung von Körpererfahrungen bietet, ist auch für Erwachsene wichtig. Dies zeigt der Misserfolg der ersten ergonomischen Arbeitsmöbel, die den Körper in eine optimale Sitzhaltung pressen wollten. Einige Entwicklungsfirmen für Software haben ihre Büroeinrichtungen aufgelockert und viele zum Spiel anregende Gegenstände einbezogen. Durch das Spielen in Denkpausen, wird nicht nur der vom Sitzen erstarrte Rücken, sondern auch der Kopf wieder freier und die Arbeit geht danach besser voran.

Besonders wichtig ist das Kriterium der Erspielbarkeit bezüglich der organischen Logik auf dem Gebiet der Sexualität als Medium für persönliches Körpergefühl und für sozialen Kontakt. Es fördert die sexuelle Erfahrung oder das Ausleben von Phantasien und trägt somit dazu bei, starre Tabus aufzubrechen, die manche Menschen zur belastenden Verdrängung ihrer Wünsche oder zum ernsthaften Überschreiten der sozialen Konventionen zwingen. Die teilweise auch das Denken vereinnahmende Kraft der Sexualität als organisches Medium lässt sich durch spielerischen, freien Umgang zum beherrschbaren, erotischen Erleben gestalten. Die entsprechende Gestaltung von erotischen Hilfsmitteln, Werbekampagnen oder der Präsentation in Geschäften sollte zu diesem spielerischen Erkunden anregen und die Thematik aus ihrer Schmuddelecke herausholen.