Evaluation > Zur Strategie der »Profilierung« bezüglich der resonanten Option

Differenzierte Analysen während einer ästhetischen Erfahrung durchzuführen ist beinahe ausgeschlossen, ohne die gegenwärtige Erfahrungsqualität zu beeinträchtigen. Es ist aber im Anschluss und in Zwischenphasen möglich, zu unterscheiden, Schwerpunkte oder sich mit der Zeit verändernde Vorlieben im persönlichen Erleben zu erkennen. Einzelerfahrungen, die durch bewusste, wiederholte Evaluation aktuell bleiben, können wiederum zu einer weiteren, die gesamte Lebenszeit integrierenden Charakteristik verschmelzen. Design hat die Aufgabe, der Strategie der Profilierung entsprechend, einer ästhetischen Erfahrung die besondere Kontur, den im Nachhinein bewertbaren Erfahrungscharakter zu verleihen, der zugleich die Einzelerfahrungen einerseits voneinander trennbar macht und andererseits zu fruchtbaren Wechselwirkungen und der Formierung neuer bewusster Profilierungen von Erfahrung anregt.

Mittels der Strategie der Profilierung werden Bezugssysteme für das bewusste Erleben und Evaluieren von ästhetischer Erfahrung angeboten, welche diese als qualitative Erlebniseinheit vom Hintergrund des alltäglichen Erfahrungsflusses abheben. Aktives Bewerten und Erleben fördert die Erkenntnis, dass es auf die subjektive Entfaltung und Genussfähigkeit von Lebensqualität ankommt und diese nicht anhand objektiver Größen messbar ist.

Die interpretative Perspektivität von Design wird der Strategie der Profilierung gerecht, indem es Schwerpunkte setzt, Erfahrungstypen kreiert, diese kombiniert, wieder differenziert usw. oder auch nach dem Vorbild des Gesamtkunstwerks möglichst viele ästhetische Erfahrungskomponenten gleichzeitig in einer aufeinander bezogenen, profilierten Art und Weise herausstellt. Aus diesem Grund bleibt es sinnvoll, Kategorien zu bilden, Gattungen und Genres zu unterscheiden. Diese sind sowohl in ihrer Reinform zu pflegen als auch experimentell zu neuen Typen zu verbinden.

Beispiele für die interpretative Perspektivität von Design

Die perzeptive Qualität entwickelt sich als reflektierte Sinnlichkeit markanter, wenn sich das formative Design auf einige ästhetische Mittel konzentriert und kein zusammengetragenes Sammelsurium ästhetischer Möglichkeiten gleichzeitig präsentiert. Deshalb haben beispielsweise schwarzweiß Fotos einen besonderen Reiz. Geschmackliche Gemeinsamkeit als besondere Erfahrung konkretisiert sich mittels weniger Charakteristika. So bestimmen die Farben Orange und Braun das typische Geschmacksprofil der siebziger Jahre. Konkrete Dinglichkeit entsteht überhaupt erst durch die profilierte, besondere Abgrenzung von einem Umfeld. Der Architekt Jean Nouvel nutzt hierfür eine dicke Glasscheibe, um ein Gebäude in Paris von der Straße abzuheben und erzeugt für den Fußgänger durch die Lichtbrechung des Glases einen besonderen Blick auf eine Wiesenfläche, die sonst unbeachtet geblieben wäre. Es entsteht überraschend eine profilierte, perzeptive Erfahrungsqualität im Alltag.

Die Strategie der Profilierung fördert die evokative Aktualität von Design einer empathiven Erfahrungsqualität durch die Hervorhebung und Konturierung bestimmter Gefühle. Bezüglich dem Selbstgefühl kann beispielsweise ein weicher Ohrensessel in gediegener Farbgebung das Gefühl von Geborgenheit vermitteln oder bunte, frische Farben bei Kleidung oder Heimtextilien fördern das Gefühl von innerer Leichtigkeit. Die Dramaturgie von Festen wie den Eröffnungsfeiern zu olympischen Spielen führt die Teilnehmer durch verschiedene, voneinander trennbare Gefühlserfahrungen zu besonderen Ausformungen der gegenwärtigen Verbundenheit. Profilierte und doch wechselnde Ausrichtungen von lebendiger Anmutung und charakteristischen Stimmungen können in Gebäuden durch Zonen mit starker, schwacher, natürlicher oder künstlicher Beleuchtung und unterschiedlichen Sitzmöbeln geschaffen werden. Dadurch ergeben sich beim längeren Aufenthalt in dem Gebäude, wie zum Beispiel einem Rehabilitationszentrum, immer wieder Ansatzpunkte, welche die alltägliche Erfahrungsdynamik durchbrechen, Profiliertheit der Erfahrung sowie innere Nähe herstellen und zur bewussten, ästhetischen Erfahrungevaluation anregen.

Die prospektive Aktualität bezieht die Strategie der Profilierung hinsichtlich der imaginativen Qualität ein. Die individuelle Abstimmung wird durch zunehmende digitale Vernetzung erleichtert. Neben der positiven Wirkung auf die ästhetische Erfahrung vergrößert sich bei unzureichender Reflexion die Gefahr der Manipulation. Der fiktive Selbstentwurf wird beispielsweise zielgruppengemäß durch eine, die Profiliertheit der ästhetischen Erfahrung ansprechende Werbung für immaterielle, zukunftsorientierte Produkte, wie Bausparkassen oder Versicherungen, aktiviert und auf eine spezielle Richtung gelenkt, an der sich die persönliche Generierung des Selbstentwurfs anlehnt. Zielgenaue Ansprache von Internetnutzern, die durch Datenanalyse möglich wird, versucht den fiktiven Selbstentwurf der Nutzer auf den, von dem Produktanbieter erwünschten Weg zu bringen und diesen weiter auszubauen.

Projektive Einigkeit erwächst aus einem, durch die prospektive Aktualität angeregten, prägnant profilierten Erlebnis. Zum Mainfest in Frankfurt stiegen bereits 1997, ein Jahr vor dem hundertfünfzigjährigen Jubiläum der Deutschen Nationalversammlung in der Paulskirche, tausende rote, schwarze und goldene Luftballons auf, um projektive Einigkeit im Hinblick auf das kommende nationale und für die Stadtgeschichte wichtige Ereignis zu erzeugen. Bezüglich der virtuellen Inszenierungen wird die Strategie der Profilierung genutzt, um immer neue Variationen auszugestalten. Temporäre Umweltgestaltung inszeniert jedesmal eine modifizierte oder neue Form bezüglich der Profilierung. Das prospektive Design von wiederverwertbaren Messeständen muss so konzipiert sein, dass mittels kleiner Änderungen immer wieder in andere Richtungen profilierte Inszenierungen möglich sind. Konzepte für den Städtetourismus beinhalten Stadtführungen, die durch wechselnde Themen ein jeweils besonderes Erfahrungsprofil inszenieren.