Während der bewussten Erfahrungsevaluation erlebt sich der Mensch als selbstbestimmtes Wesen, das den Anlass seiner Erfahrung kennt und in die Bewertung miteinbezieht. Jede positive, ästhetische Bewertung von Erfahrung ist von dem gegenwärtigen Gefühl etwas Besonderes zu erleben sowie frei von bedrohender Angst oder innerem Zwang zu sein begleitet. Sie kann den Wunsch nach Wiederholung durch erneute Bezugnahme auf den mit ihr verbundenen Anlass erzeugen. Dieser darf aber nicht zur Sucht ausarten, weil dann das ästhetische Erleben im Dienst deren Befriedigung stehen und somit instrumentalisiert werden würde. Die ästhetische Bezugnahme auf den Erfahrungsanlass folgt der freien Zuwendung und keiner zwanghaften Hinführung oder inneren Fixierung. Auch wenn die Wertung nur auf eine der drei markanten Qualitäten oder auf eine Dimension des Selbstkonzepts bezogen ist, wird das während einer ästhetischen Erfahrung nicht als Beschränkung oder Lückenhaftigkeit, sondern als Profilierung erfahren. Denn die Wertung kann sich nur auf die momentanen Bewusstseinsinhalte beziehen. Zwar wirken auch bedingende, subliminale, soziale und mediale Einflüsse ständig ein, werden aber nicht bewusst mitreflektiert.
Wie durch viele Beobachtungen von hirngeschädigten Personen belegt ist, sind sich diese des Fehlens einer Erfahrungsebene nicht bewusst. Nur von außen betrachtet scheinen ihre Wirklichkeitskonstruktionen eine Lücke zu haben. Der Film »Zeit des Erwachens« nach dem Buch von Oliver Sacks gedreht, dokumentiert einfühlsam, wie Menschen zusammen mit der Bewusstseinsfähigkeit jede ästhetische Erfahrungsqualität verlieren und um das Erlebnis des Lebens gebracht sind. Nach jahrzehntelangem Leben ohne Bewusstsein verhilft ein Medikament vorübergehend wieder zur Erlebnisfähigkeit. Die Patienten erwachen gleichsam wie nach einem kurzen Schlaf. Von den vielen Jahren in der Anstalt wissen sie nichts. Sie fühlen sich, als ob keine Zeit vergangen wäre, suchen im Spiegel nach ihrem jungen, bekannten Gesicht und freuen sich an ihren alten Lieblingstätigkeiten. Hier wird die Konstruiertheit von Wirklichkeit erschreckend deutlich. Doch auch für gesunde Menschen ist zu folgern, dass die Reichweite und die erfahrbare ästhetische Qualität ihrer Wirklichkeit immer an ihr Bewusstseinspotential gebunden bleibt. Das heißt, dass die Abwesenheit einer bisher unbekannten positiven ästhetischen Erfahrung nicht vermisst wird. Erst nachdem sie bewusst erlebt wurde, erscheint im Rückblick das vorherige, im gewohnten Trott eingebundene Leben leer, zufälligen Erfahrungssplittern folgend und unfrei. Demgegenüber öffnen sowohl die resonante, als auch die initiative Option wählbare Alternativen, die nach der Strategie der Profilierung einerseits oder der Aufklärung andererseits durch Design umzusetzen sind.
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- Während die Strategie der Profilierung das Bestehende ausbaut und die gewohnte ästhetische Erfahrung durch die Schaffung resonanter Optionen bestärkt, öffnet die Strategie der Aufklärung ungewohnte Erfahrungsweisen und fordert die Entscheidungskompetenz der Rezipienten. Diese lernen dadurch, sich nicht von ästhetischen Angeboten überlisten zu lassen, sondern sie bewusst auszuwählen. Aufklärung meint in diesem Zusammenhang die Unterstützung zur selbständigen Urteilsfähigkeit, die nicht allein auf Rationalität beruht, sondern ebenso stark auf Kenntnis von Gefühlen. Allein aus rationaler Sicht ist meist ein genügend hoher und abstrakten Beobachterstandpunkt einzunehmen, von dem aus das subjektive Gefühl, der freien Erfahrungsevaluation als Täuschung entlarvt werden kann. Ob die Wahl…
- Differenzierte Analysen während einer ästhetischen Erfahrung durchzuführen ist beinahe ausgeschlossen, ohne die gegenwärtige Erfahrungsqualität zu beeinträchtigen. Es ist aber im Anschluss und in Zwischenphasen möglich, zu unterscheiden, Schwerpunkte oder sich mit der Zeit verändernde Vorlieben im persönlichen Erleben zu erkennen. Einzelerfahrungen, die durch bewusste, wiederholte Evaluation aktuell bleiben, können wiederum zu einer weiteren, die gesamte Lebenszeit integrierenden Charakteristik verschmelzen. Design hat die Aufgabe, der Strategie der Profilierung entsprechend, einer ästhetischen Erfahrung die besondere Kontur, den im Nachhinein bewertbaren Erfahrungscharakter zu verleihen, der zugleich die Einzelerfahrungen einerseits voneinander trennbar macht und andererseits zu fruchtbaren Wechselwirkungen und der Formierung neuer bewusster Profilierungen…