Zum Kriterium der »Zufriedenheit« bezüglich der introvertierten Tendenz

Innere Leichtigkeit als Kriterium für die emotionale Intensität innerhalb der introvertierten Tendenz verflüchtigt sich nach einiger Zeit und geht in die Stimmung von Zufriedenheit über. In dieser Stimmung kommt die introvertierte Tendenz nach einer aktiven Phase zur inneren Sammlung und zur selbstbezüglichen Vertrautheit. Die Emotion der Zufriedenheit schafft innere Harmonie und Sicherheit. Sie erzeugt eine starke mentale Bindung zu den assoziierten ästhetischen Reizen und integriert sie als positive Qualitäten in den Erfahrungshintergrund. Aus dieser ausgeglichenen, gestärkten Basis kann ohne Stress der nächste Aktivitätsschub erwachsen. Die innere Ausbreitung von Zufriedenheit wird durch einen ruhigen oder vorhersehbaren Reizkontext und ausreichend Zeit für lässige Muße begünstigt. Hier wird der Kontrast zu dem Empfinden während einer explorativen Tendenz, aus deren Sicht Zufriedenheit eher negativ als Lethargie, genügsame Bescheidenheit oder Langweile erscheint, besonders deutlich.

Zufriedenheit länger als für die Regeneration zur nächste Aktion notwendig zu genießen, erscheint im heutigen sozialen Leben als altbacken und regressiv. Trotz Überproduktion in den verschiedensten Lebensbereichen bleibt die Fähigkeit zum ruhigen Genießen und dauerhafter Zufriedenheit nach einer intensiven Phase suspekt. Sie verlangsamt als Pause im individuellen Tun bei zunehmender Verbreitung auch politische oder ökonomische Entwicklungsprozesse. Deshalb wehrten und wehren sich an sozialer Gleichberechtigung interessierte Vertreter der gestalterischen Moderne gegen den Gebrauch ästhetischer Elemente, die geeignet sind, das Aufkommen einer die Seele einlullenden, heimeligen, biederen, gemütlichen Zufriedenheit zu begünstigen. Die Konsumgüterindustrie thematisiert zwar ständig die Kundenzufriedenheit, müht sich aber gleichzeitig darum, sie durch immer neue Produktangebote weiter anzustacheln und zur Erreichung eines vermeintlich höheren Zufriedenheitsniveaus zu drängen.

Diese konträren Aspekte sind bei der Konzeption von Design mit Dominanz des animativen Potentials hinsichtlich der Förderung von Zufriedenheit einzubeziehen und abzuwägen. Das Kriterium der Zufriedenheit lässt sich nicht an Einzelobjekten festmachen. Wie Abraham Moles mit seiner Konzeption von Design als Umgebungsdesign (vgl. Beitrag von Moles in: Gsöllpointner Hrsg., 1981) verdeutlicht, benötigt der Mensch zum stress- und angstfreien Leben ein Gefühl der Stabilität seiner Umwelt. Dieses konkretisiert sich innerhalb der introvertierten Tendenz durch Angebote, die dazu animieren, ihnen gegenüber mentale Nähe und innere Eingebundenheit zu entwickeln und Lebensqualität mit Zufriedenheit genießen zu können.

Beispiel für das animative Potential von Design

Zufriedenheit als positiver emotionaler Abschluss einer introvertierten Aktivitätsphase stellt sich nach dem Einrichten einer neuen Wohnung ein, indem zu dieser ein Verhältnis innerer Nähe entsteht, weil erfahrbar wird, dass sie mit liebgewonnenen Gewohnheiten harmoniert und die vertrauten Möbel gut zur Geltung kommen. Parameter des animativen Potentials sind bezüglich der Architektur die Ausrichtung der Fenster, Höhe und Zuschnitt der Räume, das Vorhandensein eines Balkons oder eines Gartens sowie Geschäfte und andere soziale und kulturelle Angebote im nahen Umfeld. Möglichkeiten zum Ausweiten des als vertraut empfundenen Nahfelds wie Rad- oder Wanderwege bieten positive Anregungen zur weiteren qualitativen Bereicherung der introvertierten Tendenz und Erneuerung von Zufriedenheit an.

Zum Kriterium der »Selbstsicherheit« bezüglich der explorativen Tendenz

Der emotionale Höhepunkt, die Erfahrung von Grenzenlosigkeit, im Zuge einer von der explorativen Tendenz beeinflussten Aktivität, ebbt nach einer intensiven Phase ab und geht im Subprozess der Vertrauensbildung in ein Empfinden von Gewissheit und Mutigkeit über. Diese Empfindung ist durch das Kriterium der Selbstsicherheit zu erfassen und zu bewerten. Obwohl all die grenzenlos erscheinenden Angebote nicht gleichzeitig zu erforschen sind, bildet sich Vertrauen auf die eigenen Fähigkeiten aus, mehr entdecken zu können als das Gewohnte, weitere Vorstöße zu einem späteren Zeitpunkt unternehmen zu können und mit dem Drang nach Neuem, sei es im Denken oder im Tun nicht alleine zu sein. Das impulsive Potential von Design sollte das Kriterium der Selbstsicherheit mitberücksichtigen und dadurch die positive Vertrauensbildung zu Stärkung der Selbsteinschätzung und damit die furchtlose Offenheit gegenüber Erwartungen anderer Menschen und allgemeinen Anforderungen der Welt unterstützen.

Beispiel für das impulsive Potential von Design

Werbung wird von den meisten Menschen nicht mehr als Information wahrgenommen. Seitdem mehrere Fernsehsendungen Werbespots thematisieren, weiß jeder, mit welchem Aufwand die ästhetisch perfekten Bilder fabriziert werden. Der Reiz an neuer Werbung gründet daher nicht im Inhaltlichen, Erkenntnis anbietenden, sondern in der Erwartung von ästhetisch unterhaltenden Effekten. Mit deren Einlösung durch das Genre der Werbung ist die Vertrautheit oder Selbstsicherheit der explorativen Tendenz verbunden.

Von einem Nachrichtenmagazin ist dagegen die verständliche, gewissenhaft recherchierte Aufbereitung von Information zu erwarten. Der Zuschauer oder Leser eines Magazins vertraut auf die verantwortliche Vorauswahl der Produzenten. Wenn dann eine Zeitschrift wie Focus mit einem innovativen, ästhetisch ansprechenden, die explorative Tendenz anregenden Design auftritt, ihrem Anspruch auf fundierte Informationen aber nicht gerecht wird, dann rückt diese Täuschung auch das aufwendige Design in ein negatives Licht. Das Vorurteil einer zwangsläufigen Verknüpfung von ästhetischer Vielfalt mit geistiger Einfalt wird dadurch leider wieder bestätigt. Eine ähnliche Diskrepanz zwischen vielversprechender, der explorativen Tendenz entgegenkommender Ästhetik und seichtem Inhalt weisen bedauerlicherweise viele Multimedia-Produktionen auf.

Zum Kriterium der »Grenzenlosigkeit« bezüglich der explorativen Tendenz

Das Erleben von Freude stellt sich unter dem Einfluss der explorativen Tendenz ein, wenn die Neugier viele freie Entfaltungsmöglichkeiten vorfindet und dadurch ein Gefühl der Grenzenlosigkeit entsteht. Der Besuch einer Ausstellung zu einem interessanten Themengebiet, bei dem jedes Exponat wie eine persönliche Entdeckung erscheint, zur kognitiven Entfaltung führt und als Bereicherung der Erfahrung erlebt wird, kann das Erlebnis von Grenzenlosigkeit ebenso anregen, wie ein Abenteuerspiel, die touristische Erkundung eine Region oder die Nutzung einer Bibliothek ohne Zeitlimit für ein Forschungsprojekt. Die emotionale Erfüllung einer explorativen Aktivitätssequenz durch das Fühlen von Grenzenlosigkeit wird oft von vielerlei Einschränkungen behindert, von denen manche berechtigt, andere willkürlich sind. Zum impulsiven Potential von Design gehört die verantwortungsvolle Gestaltung von Grenzen, die dem Kriterium der Grenzenlosigkeit entsprechend genügend Raum zur persönlichen Entfaltung der explorativen Tendenz lassen.

Beispiel für das impulsive Potential von Design

Ein vermeidbarer Grund für übervorsichtigen Umgang mit Gebrauchsobjekten, die Unterdrückung von Freude bezüglich der explorativen Tendenz und damit die Missachtung des Kriteriums der Grenzenlosigkeit, ist die Empfindlichkeit von Materialien und Oberflächen bei Kinderspielzeug. Wenn Kinder ständig zum Aufpassen ermahnt oder für Beschädigungen, die im Spieleifer entstehen bestraft werden, bleiben für spontane, Lebensfreude ausdrückende und fördernde explorative Aktivitäten zu wenig Gelegenheiten. Diese fehlen aber auch den Erwachsenen. Anstatt sich an den technischen Geräten, die sie unter dem Einfluss der explorativen Tendenz angeschafft haben, zu erfreuen und durch die vielversprechenden Funktionen Grenzenlosigkeit empfinden zu können, steckt ihnen die Angst im Nacken, das teuer erworbene Gerät, ob Kamera oder Automobil, zu beschädigen. Die meisten Besitzer von Videorecordern nutzen nur die Basisfunktionen. Selten nehmen sie Sendungen zu für sie interessanten Themen auf, um sie zu archivieren oder später in Ruhe anzuschauen, weil sie die Geräte nicht programmieren können und befürchten, etwas kaputt zu machen.

Auch falsche Verkehrsplanung wie lange Abschnitte von Stadtautobahnen ohne Wende- oder Überquerungsmöglichkeit, kann dazu führen, dass der Bewegungsdrang der explorativen Tendenz eingeschränkt werden muss und das Kriterium der Grenzenlosigkeit unerfüllt bleibt. Ebenso schneiden zeitliche Vorgaben wie die Öffnungszeiten von Universitäten, Bibliotheken, Werkstätten und Museen oder lange Wartezeiten bei der Arbeit mit dem Internet oft eine explorative Phase noch vor ihrem erlebten Höhepunkt von Grenzenlosigkeit ab und verhindern somit die positive Verankerung dieser Erlebnisse in der Erinnerung.

Zum Kriterium der »Leichtigkeit« bezüglich der introvertierten Tendenz

Bezogen auf die introvertierte Tendenz qualifiziert das Kriterium der Leichtigkeit den emotionalen Subprozess innerer Erfüllung. Die Dimensionen der inneren Welt sind in Phasen, in denen der Subprozess der Erfüllung dominiert, mit Gedanken und Anschauungen gefüllt zu sein, die sich wie von selbst zu einer ungezwungenen Ganzheit von tiefen und oberflächlichen, vergangenen und künftigen Erfahrungen verbinden. Erfahrungen von Leichtigkeit begünstigen das Entstehen eines positiven, das eigene Ich bejahenden Selbstgefühls. Sie sind eine wichtige Voraussetzung zur bewussten Genussfähigkeit von Lebensqualität. Zudem fördert innere Leichtigkeit zwangloses, ehrliches zwischenmenschliches Aufeinanderzugehen. Das animative Potential von Design sollte die Erfahrung von Leichtigkeit durch die Verwendung von bekannten, angenehm empfundenen, der mentalen Einstellung entsprechenden ästhetischen Mitteln anregen und sparsam mit irritierenden oder beängstigend wirkenden Reizen umgehen.

Beispiel für das animative Potential von Design

Wenn Menschen sogar ihren kleinen privaten Lebenskontext nicht mehr als ihrer inneren Wirklichkeit zugehörig verstehen und selber beherrschen können, fehlt dem Gefühl von Leichtigkeit die Basis. Es stellt sich selten ein. Was als gemütlich oder heimelig empfunden wird, kann im Detail sehr unterschiedlich aussehen und von sozialen Konventionen beeinflusst sein (vgl. Becker, 1988). Ob das Sofa im geblümten Stoff mit passenden Kissen oder ein Ledersofa mit verchromtem Gestell, eine rustikale Eckbank oder ein Glastisch mit Freischwingern, die Ecke mit Familienfotos oder die Vitrine mit exklusiven Sammlerstücken, jeder sollte sich ungeachtet aller Repräsentationsabsichten in seiner Wohnung intuitiv wohl und innerlich frei fühlen können. Das Angebot an Einrichtungsgegenständen muss daher neben den Objekten, die zur repräsentativen Ausstattung gehören immer auch alltägliche oder einem speziellen Geschmack entsprechende, Erinnerungen tradierende oder eine aktuelle persönliche Veränderung ausdrückende Objekte umfassen. Gerade hinsichtlich der Gestaltung und Einschätzung solch alltäglicher Designaufgaben beweist sich das Selbstverständnis von Design als Dienstleistung durch entsprechend vorsichtigen Einsatz von gestalterischen Ideen und rücksichtsvollem Einbezug der ästhetischen Erwartungen von Nutzern.

Auch die Einrichtung eines Cafés oder eines Pausenraums kann das Aufkommen von Leichtigkeit begünstigen, wenn der Besucher in dem Ambiente zu Ruhe und Gefasstheit kommen und innerlich unbeschwert den Abstand zur Arbeit genießen kann. Allzu modisches Design von Cafés wirkt auf Menschen, die nicht jeden neuen Trend verinnerlichen, bezüglich der introvertierten Tendenz nach kurzfristigem Rückzug, regenerativem Genuss und innerlich aufatmender Leichtigkeit abschreckend und irritierend. So fühlen sich oft die Stammkunden von Lokalen und Cafés nach deren uneinfühlsamer Renovierung dort nicht mehr wohl und heimisch. Firmeninterne Pausenräume sollten eine deutlich zu unterscheidende Ästhetik zur restlichen Firmeneinrichtung aufweisen, um ihre Funktion als regenerative Oasen für Körper und Seele zu erfüllen.

Zum Kriterium der »Gegenwärtigkeit« bezüglich der somatischen Tendenz

Das körperbezogene Glücksgefühl drückt sich in der Erlebnisqualität von Gegenwärtigkeit aus. Im Hier und Jetzt übersteigt das körperliche Erleben von positiver Intensität die Einflüsse der anderen subliminalen Tendenzen und hebt den Unterschied zwischen innen und außen, vorher und nachher auf. Neben den körperlichen Erfahrungsbereichen von Erotik und Sexualität vermitteln vor allem positiv motivierte körperliche Arbeit, Sport und Musik erfreuende Emotionen, die im gegenwärtigen Erleben zur Entfaltung kommen und daher durch das Kriterium der Gegenwärtigkeit zu bewerten sind.

Eine körperliche Stimulanz der Endorphine oder Glückshormone durch entsprechende Drogen ohne körperliche Bewegung erzeugt nicht die gleiche Qualität von Gegenwärtigkeit, weil das mit der Körperaktivität verbundene somatische Feedback fehlt. Für dieses glaubt der Physiologe Neil Todd (vgl. New Scientist, Bd. 2047, S. 10) eine Erklärung gefunden zu haben, die den Reiz solch unterschiedlicher Aktivitäten wie Tanzen bei lautstarker Musik, Bungee-Jumping, Rafting oder Motorradfahren betrifft. Ein Teil des Innenohrs, der Sacculus, der ebenso für das Hören, wie für die Gleichgewichtsfindung zuständig ist, verursacht bei Stimulanz ein Bewegungsgefühl, das durch die somatische Tendenz zu mehr Aktivität und zur Verstärkung des Gefühls drängt. Extremsportler werden durch zunehmende Gewöhnung regelrecht süchtig nach Steigerung von Geschwindigkeit oder Lautstärke. Normale Körperaktivität reicht nicht aus, um dieses Feedback zu stimulieren. So hat die Empfehlung von Karl Schallaböck vom Wuppertal Institut, Aktivität und ökologisches Bewusstsein miteinander zu verbinden und öfters mal zu Fuß zu gehen keine große Attraktivität für Bewegungshungrige. Das sensitive Potential muss daraufhin angelegt sein, körperliche Belastungsproben im Alltag nicht völlig auszuräumen und zusätzlich durch positive, risikoarme Tätigkeitsangebote intensive körperliche Aktivitätserfahrung zu fördern.

Einige Bereiche, in denen das sensitive Potential im beschriebenen Sinne zum Einsatz kommt, werden aufgrund der Geringschätzung des Körpererlebens und dem Mangel an entsprechenden persönlichen Erfahrungen von Theoretikern diskriminiert. Doch der somatische Drang nach der Erfüllung der Sinne und dem Genießen der Körperlichkeit gehört zum Menschsein und ist auch aus historischen Schilderungen und Erfahrungsberichten von extremen Erlebnissen, insbesondere im Zusammenhang mit kriegerischen Auseinandersetzungen bekannt. Diese Bereiche sollten auch von Designern aufgegriffen werden, um die Thematisierung der somatischen Tendenz nicht denjenigen zu überlassen, die dem Kriterium der Gegenwärtigkeit von Körperempfindungen einzig durch extreme Reize, die spontan Emotionen wie blinde Faszination oder Aggressivität auslösen, entgegen kommen.

Beispiel für das sensitive Potential von Design

Viele Fahrgeschäfte auf Jahrmärkten bieten ein intensives, erfüllendes Erlebnis von Gegenwärtigkeit an. Das ungewohnte Bewegungsgefühl bei weitgehend garantierter Sicherheit erfreut die Menschen. Die intellektuelle Missachtung solcher Erlebnisangebote konnte ihren Erfolg nicht bremsen und ist ungerechtfertigt, denn das komplexe Design von Achterbahnen ist längst eine Angelegenheit für Experten.

Die Techno-Musik basiert nicht auf melodischen Kompositionen, sondern auf dem sensitiven Potential von subliminalen Wirkungen auf die ästhetische Erfahrung durch Klänge und Rhythmen. Filme für Kinos mit Imax-Technlogie, die eine Panorama-Projektionswand mit beweglichen Zuschauerplätzen kombiniert, haben nicht in erster Linie die Aufgabe, eine gute Geschichte zu erzählen, sie sind vielmehr durch das sensitive Potential dahingehend zu gestalten, dass sie eine intensive Körpererfahrung des gegenwärtigen Beteiligtseins am Geschehen ermöglichen. Auch Computerspiele, die Autorennen oder Flugerfahrungen simulieren, bieten eine ungefährliche Möglichkeit des intensiven Auslebens der somatischen Tendenz an.

Küchenutensilien zur Zubereitung der Speisen und zum Servieren vom Kochtopf bis zum Serviettenhalter haben nicht nur die Aufgabe gebrauchsgerecht zu funktionieren, sondern dienen darüber hinaus dem die Sinne erfreuenden und der somatischen Tendenz entsprechenden Genuss beim Kochen und Essen. Das Kriterium der Gegenwärtigkeit kann gerade bezüglich dem alltäglichen Vorgang des Essens qualitativ gefördert werden und die Vielfalt der Speisen sollte sich auch in der Vielfalt der Service, Gläser und Bestecke ausdrücken. So hat es sich die Bewegung »Slow Food« zur Aufgabe gemacht, alles was zur Leibesfreude des Essens gehört, zu kultivieren. Denn letztlich trägt eine Erfüllung der Sinne und das positive Erleben von körperlicher Gegenwärtigkeit auch zu einer Abkehr von kalter, distanzierter Oberflächlichkeit und einer Bereicherung der Herzensbildung bei. Da nicht jedermann in seiner eigenen Küche diese Qualität erreichen kann, ist die Gastronomie gefordert, auch breiteren Zielgruppen einen genussvollen Umgang mit Nahrung, wenn auch nicht jeden Tag, so doch bei Gelegenheit zu ermöglichen.

Zum Kriterium der »Spontaneität« bezüglich der explorativen Tendenz

Die Bereitschaft zur explorativen Tendenz, konkretisiert sich in einer Haltung der Offenheit und Spontaneität bezüglich Reizen, die in der äußeren Wirklichkeit lokalisiert werden. Mit der offenen Haltung wird häufig Neues entdeckt und viele gleichzeitig stattfindende Reizereignisse werden gemeinsam registriert. Dadurch entstehen neuronale Verknüpfungen, die später zu kreativen Assoziationen beitragen können. Bei Kindern und Jugendlichen ist die offene Spontaneität häufig zu finden, wenn sie sich noch keine skeptische Vorsicht als Schutz vor Enttäuschungen angewöhnt haben.

Spontaneität äußert sich in impulsivem Verhalten, das Kinder und Jugendliche noch weniger steuern können als Erwachsene. Spontan gehen sie auf Reizangebote, die sich ihnen bieten zu. Das Kind läuft mitten durch die Pfütze, staunt über den Stab mit Zuckerwatte, steckt den Schnee in den Mund, reißt im Supermarkt an den bunten Verpackungen, lächelt fremden Menschen im Bus zu usw. Jugendliche, bei denen die explorative Tendenz der Spontaneität durchschlägt, erkunden aktiv ihre Umwelt. Sie setzen sich dabei oft unbeabsichtigt über konventionelle Grenzen hinweg und finden ihre eigenen Grenzen. Sie probieren, einen Lichtmast zu erklettern, mit dem Bike eine Treppe hinunterfahren, auf der Autobahnbrücke den Fahrenden zuwinken usw. Die Erhaltung von Offenheit und Spontaneität in der Begegnung mit der Außenwelt, der Natur, den Medien und den anderen Menschen ist eine wichtige Voraussetzung für die Fähigkeit, ethisches Bewusstsein und produktiven Gestaltungswillen zu entwickeln und sollte deshalb durch Design, das Gelegenheiten für spontanes, exploratives Verhalten schafft und zu weiteren Initiativen anregt, gefördert werden.

Beispiel für das impulsive Potential von Design

Die baulichen Konzepte von Schulen sollten in Hinsicht der Schaffung von Möglichkeiten zum Ausleben von Spontaneität neu überdacht werden. Es sollten Möglichkeiten für Begegnungen von Schülern verschiedener Klassen oder Schulrichtungen bestehen. Die Schüler sollten spontan, auch nachmittags nicht nur den Schulhof, sondern auch Sportgeräte oder Computer nutzen zu können oder sich zum gemeinsamen Lernen im Klassenraum zu treffen können.

Wie wichtig für viele Menschen das Gefühl spontan handeln zu können ist, auch wenn sie es nicht jederzeit einlösen, zeigt die ungebrochene Beliebtheit des Autos, das immer bereit steht. Außerhalb der Ballungsgebiete sind öffentliche Verkehrsmittel wegen ungünstigen Fahrzeiten oder zu großer Kapazität oft nicht ausgelastet. Hier müssten neue Konzepte, die im Ansatz bereits als Studien vorliegen (vgl. Vester, 1988) den flexibleren Einsatz kleinerer Fahrgastzellen und dem aktuellen Bedarf entsprechender Fahrplanzeiten ermöglichen.

Zum Kriterium der »Sensibilität« bezüglich der somatischen Tendenz

Manche Menschen erwachen sehr leicht, wenn sich an ihrem Zustand etwas ändert. Der Anlass kann von außen kommen wie ein Geräusch oder ein kühler Luftzug oder von innen wie ein Hungergefühl oder ein schlechter Traum. Auch im Wachzustand nimmt der Körper durch seine Sensibilität dauernd das Bereitschaftspotential in Anspruch und kann dadurch die Konzentrationsfähigkeit für bewusste Tätigkeiten stören. Ob übersteigerte Sensibilität durch den situativen Kontext, der den körperlichen Verhaltensdrang zu stark einschränkt, oder organische Reaktionen verursacht ist, bleibt oft unklar. So kann die Hyperaktivität von Kindern als Kompensierung des aufgezwungenen Stillsitzens in der Schule oder als Energieüberschuss durch Überzuckerung des Organismus gedeutet werden. Die Ursache von chronischen Schmerzen wird als gegen den eigenen Körper gerichtete Reaktion des Immunsystems interpretiert oder auf schwierige Lebensumstände zurückgeführt.

Aus diesen Alltagsbeobachtungen ist bezüglich dem Kriterium hoher Sensibilität als Bereitschaft zur somatischen Tendenz zu folgern, dass sich das Körperliche während bewusst eingeschlagenen Motivationstendenzen in verschiedensten Formen durchsetzt. In der speziellen genetischen Prägung der körperlichen Konstitution manifestiert sich Individualität. Diese muss in das zwischenmenschliche Zusammenleben integriert werden. Deshalb ist ein Großteil bewusster individueller und sozialer Anstrengungen darauf gerichtet, die körperliche Sensibilität entsprechend den jeweiligen kulturellen Konventionen zu regulieren (s. o. zu Freud und Elias). Diese im öffentlichen Leben geforderte Körperkontrolle kann zur Abschottung gegenüber jeglichen somatischen Reizen führen. Ein Niesreiz, ein Lachreiz oder das Gefühl, sich strecken zu müssen, werden ebenso unterdrückt wie sexuelle Regungen.

Ein zweiter Grund für mangelnde Sensibilität bezüglich der somatischen Tendenz resultiert aus der Diskrepanz zwischen registrierten Umweltreizen und der inneren Kapazität, diese zu verarbeiten. Die persönliche Reizschwelle wird dann zum Schutz erhöht und matte Farben, leise Töne, feine Formen fallen durch das subliminale Raster. Die Bereitschaft zur sensiblen Registrierung von unterschiedlichen Reizen auf gleichen und verschiedenen Intensitätsniveaus ist die wichtigste Voraussetzung für die Untersuchung aller weiteren, die somatische Tendenz betreffenden ästhetischen Kriterien. Deshalb sollte das sensitive Potential darauf angelegt sein, durch das Angebot differenzierter Reizniveaus, die Fähigkeit zur Sensibilität zu wecken, zu erhalten und auszubauen.

Beispiel für das sensitive Potential von Design

Hersteller von hochwertigen Beschichtungsmaterialien für Oberflächen erforschen das Verhältnis zwischen der Rauhigkeit des Materials und der Hautfeuchtigkeit sowie dem Temperaturgefühl bei Berührung. Lackhersteller entwickeln Autolacke, die bei Änderungen des Lichteinfalls ihre Farbreflexion verändern. Die Autos wirken dadurch weniger plakativ auffallend, als vielmehr sensibel und in immer neuer Weise reizvoll.

Die Planung eines Supermarkts kann aus kommerziellem Interessen mittels dem sensitiven Potential von Design die Sensibilität unterstützen. Indem die Waren nicht durch Barrieren verstellt werden, wird die Bereitschaft der Kunden zur sensiblem Registrierung verschiedenster Produkte gefördert.Anstelle rechtwinkliger Regalführung kann die Wegeführung dem Rollradius des Einkaufwagens angepasst sein, um störendes, holpriges Schieben zu vermeiden. Die Gemüsetheke lädt beim Selbstabwiegen zum Spiel mit dem Tastsinn ein. Die Hand gleitet über glatte Tomaten, feine Folien, knubbelige Nüsse, bauschigen Salat usw. Beleuchtung mit unterschiedlichen Lichtwellen markiert den Übergang in die nächste Zone.

Bedienelemente werden durch sanfte Wölbungen oder Vertiefungen auf die haptische oder durch Klickgeräusche auf die akustische Sensibilität abgestimmt. Ein Kranführer bewegt zwar große Lasten, muss diese jedoch sehr sensibel steuern. Eine Kassiererin tippt nur Zahlen ein, muss aber das sichere Feedback spüren, jede Taste richtig aktiviert zu haben.

Plakate oder Titelseiten sollen Aufmerksamkeit wecken. Wenn sie aber generell ein zu starkes Reizniveau erreichen, werden sie nicht mehr differenziert registriert. Formatwechsel, unterschiedliche Farbsättigung, verschiedene Papierqualitäten erfordern eine eher sensible Beachtung.