Zum Kriterium der »Angeregtheit« bezüglich der explorativen Tendenz

Von der explorativen Tendenz motiviert strebt der Verhaltensfluss relativ unbestimmt irgendwelchen Reizangeboten zu. Auch hierdurch entsteht eine verengende Kanalisierung. Diese ist nicht durch das somatische Kriterium der Bedürfnisgerechtheit oder das introvertierte Kriterium der Befindlichkeit vorgegeben, sondern formt sich durch zufällig vorgefundene und im Verhalten verknüpfte Reize der externen Welt nach dem explorativen Kriterium der Angeregtheit. Insbesondere für Kinder ergeben sich aus diesem Effekt weitreichende Konsequenzen für ihr Wirklichkeitsverständnis.

Ansätze zur explorativen Tendenz bei Kindern zu ermuntern, sie mit allzu vielfältigen Angeboten in Kontakt zu bringen, kann zu einem konfusen Verhältnis zur Wirklichkeit führen, denn diese ist durch die einseitige Förderung der explorativen Tendenz weder im Innersten verankert, noch in einer kommunikativen Beziehung zu einer sozialen Gruppierung ausgerichtet. Dabei ist es egal, durch welche Medien, ob Buch, Fernsehen, Internet, Museen oder auch Reisen, diese Angebote erfolgen. Anstatt der elterlichen Erwartung entsprechend, Wissen anzusammeln, vermischt sich im Erfahrungshintergrund des Kindes Vergangenes, Aktuelles, Historisches oder Erfundenes, Wissenschaftliches oder Sektiererisches, zu einem neuen Zusammenhang. Im positiven Fall resultiert daraus Kreativität. Im negativen Fall entsteht weder ein stabiles Selbstgefühl noch Nähe zu anderen Menschen. Das Kind oder der Jugendliche treibt ohne interne Selektions- und Wertungsfähigkeit von einem Reiz zum nächsten. Für Erwachsene, die bereits ein Selbstgefühl und kommunikative Kompetenz entwickeln konnten, ist die Gefahr, zum Spielball des durch die explorative Tendenz motivierten Aktivitätsdrangs zu werden, geringer. Zu wenige Reizangebote sind für die kindliche Entwicklung ebenso schädlich, da sie frühzeitig eine verengte Kanalisierung einleiten.

In pädagogischer Hinsicht ist deshalb eine verantwortliche Haltung bei der Konzeption von Design mit dem Schwerpunkt des impulsiven Potentials einzufordern. Das impulsive Potential von Design kann nur durch den maßvollen und im Ansatz zielorientierten, jedoch nicht instruieren wollenden Einsatz gestalterischer Mittel förderlich auf das Kriterium der Angeregtheit wirken.

Beispiel für das impulsive Potential von Design

An vielen Kindergärten werden seit einigen Jahren spielzeugfreie Wochen durchgeführt. Die Kinder müssen erst wieder lernen, einen selbstbestimmten Verhaltensfluss zu entwickeln, denn es stehen nicht mehr ständig initiierende Angebote in Form der Spielsachen bereit. Es wird mehr miteinander gespielt und die Natur wird stärker einbezogen. Trotz positiver Ergebnisse beschlossen alle Beteiligten, wie Kinder, Eltern und Erzieher, dass ein dauerhafter Verzicht auf Spielzeug nicht sinnvoll wäre, denn ein Großteil der Kinder wird nach einiger Zeit in dem Drang nach geistiger explorativer Aktivität unterfordert.

Fernsehprogramme für Kinder und Jugendliche werden auf ihre erzieherische Tauglichkeit hin auch unter Einbeziehung der Zuschauerreaktion geprüft. Kinder riechen eine allzu erzieherische Selektion und instruierende Absicht hinter der Umsetzung einer Sendung meilenweit gegen den Wind und wehren dieses pädagogisch zu einseitig definierte impulsive Potential von Design durch Umschalten sofort ab.

Zum Kriterium der »Zuordnbarkeit« bezüglich der explorativen Tendenz

Die Stabilisierung von Wichtigem im kognitven Subprozess der Einschließung ist auch bezüglich der explorativen Tendenz mit ihrem Drang nach Neuem relevant. Wenn ein Reizangebot kognitive Entfaltungsmöglichkeiten für die explorative Tendenz anbietet, kann daraus eine längere und wiederholte Beschäftigung mit dem Reizangebot und eine zunehmend geordnetere Interaktion erfolgen. Diese Geordnetheit ergibt sich aus der individuellen explorativen Vorgehensweise, wird aber durch allgemeine subliminale Mechanismen, wie beispielsweise den Gestaltgesetzen beeinflusst. Das impulsive Potential von Design kann das Zustandekommen dieser Geordnetheit fördern, indem es mittels ästhetischer Elemente die Reizangebote den Organisationsmechanismen der Kognition entsprechend räumlich strukturiert und zeitlich staffelt. Hierbei liegt die Schwierigkeit darin, die richtige Gewichtung zwischen zu hohen Ordnungsvorgaben, die für die explorative Tendenz schnell langweilig werden und zu niedrigen Vorgaben, die alle Ordnungsarbeit allein der explorativen Tendenz überlassen, zu finden. Der Charakter der explorativen Tendenz, als nach Neuem suchende Aktivität muss trotz der Gestaltung eines Reizangebots nach dem Kriterium der Geordnetheit erhalten bleiben, um diese Tendenz nicht zu stark abzubremsen. Nur mit dem Spielraum für eigenständige Ordnungsarbeit kann individuell Wichtiges in den kognitiven Erfahrungshintergrund einfließen und zur spezifischen Persönlichkeitsbildung mitbeitragen.

Beispiel für das impulsive Potential von Design

Durch die Schriftkultur hat sich der lineare Aufbau von Informationen weit verbreitet. Vom Rezipienten fordert er ein entsprechend lineares Abarbeiten. Dagegen ermöglichen verbesserte Drucktechniken, Fernsehen und inzwischen auch die Multimedia-Technologie vielfältige ästhetische Umsetzungen. Designer und Rezipienten müssen erst den Umgang mit diesen Möglichkeiten lernen. Solange es beispielsweise nur ein Fernsehprogramm gibt, bleibt dem Zuschauer dessen eigene Filterwirkung verborgen. Er folgt mit seinem Interesse der Ordnung einer Nachrichtensendung und verlässt sich darauf, dass alles gezeigt wird, was für ihn von Wichtigkeit ist. Wenn stattdessen mehrere qualitativ anspruchsvolle Programme konkurrieren muss der Rezipient seine konsumierende Haltung aufgeben und selber auswählen. Zunächst kann er durch die Möglichkeit des Zappens zwischen verschiedenen Programmen und Sendungen zufällig für ihn Wichtiges entdecken. Mit zunehmender Stärkung seiner explorativen Tendenz erwächst aus diesem zufälligen Verhalten vielleicht eine individuelle Geordnetheit in der Interaktion mit dem Medium. Auf diese Weise wird die Macht derjenigen, die bestimmen, was Wichtigkeit erlangen soll, aufgesplittet.

Die Gestalter sind gefordert, differenzierte und für die explorative Tendenz interessante Entscheidungskriterien anzubieten. Logos von Fernsehstationen, Inserts zu den Sendungen, Intros für die thematische Einleitung usw. markieren Aufgabenfelder für Kommunikationsdesigner, die bisher in der Ausbildung verstärkt zu behandeln sind.

Zum Kriterium der »Entfaltbarkeit« bezüglich der explorativen Tendenz

Sinnhaftigkeit kommt in Bezug auf die explorative Tendenz in Form von Entfaltbarkeit dadurch zum Ausdruck, dass das Streben nach Entdeckungen nicht weiter zieht, sondern bei einem Reizangebot anhält, weil es Impulse für innerhalb dem momentanen Verhaltensfluss sinnvolle Aktivierungen findet, die zur weiteren Entfaltung anregen. Das impulsive Potential von Design muss in ungefährer Entsprechung zum Erfahrungsstand der Menschen, an die es sich richtet, Aktivierungsmöglichkeiten für die sinnhafte Entfaltbarkeit von Design durch die explorative Tendenz einbauen.

Beispiel für das impulsive Potential von Design

Museen versuchen durch neue Konzepte die explorative Tendenz von Besuchern stärker einzubeziehen. Es werden Ansatzpunkte zur eigenständigen Entfaltung von weiterführenden Informationen oder zum persönlichen Ausprobieren angeboten. Nicht die lückenlose Wissensvermittlung zu einem Fachgebiet, sondern die Anregung zur explorativen Entfaltung von persönlichen Interessensgebieten ist das Ziel aktueller Ausstellungskonzepte. Die Ausstellung zum »Mythos Titanic«, 1998 in Hamburg, zeigt eine Vielfalt von unterschiedlichsten Objekten, die mit der Titanic zusammenhängen. Es gibt keine vorgeschriebene Führung. Jeder Besucher kann innerhalb vielfältigen Impulsen seiner explorativen Tendenz folgend einen persönlichen Zugang zum Thema entfalten, indem er durch das Schiffsmodell geht, Berichte von Augenzeugen anhört usw.

Zum Kriterium der »Neuheit« bezüglich der explorativen Tendenz

Während hinsichtlich der introvertierten Tendenz das Bekannte die intuitive Anknüpfung erleichtert, ist bezüglich der explorativen Tendenz die Neuheit das Kriterium, mit dem ästhetisches Material den ersten Anschluss begünstigt. Nicht das bewährte Alte, sondern das vielversprechende Neue wird gesucht. In der progressiven Dynamik der explorativen Tendenz geraten viele Reize in das Blickfeld, die am Ende nicht halten, was sie versprechen und es ist ein gewisser Energieverschleiß einzukalkulieren.

Für den einzelnen heißt das, dass er für die Suche nach Neuem mehr Energie aufwenden muss, als sich auf das Bekannte und die introvertierte Tendenz zu konzentrieren. Jemand, der aufgrund der Erfahrungsqualität der Neuheit einer Kamera, einer Skiausrüstung, eines Fahrrads, einer Software usw. einen ersten kognitiven Anschluß herstellt, das Produkt kauft und sich damit in den Strudel von Folgeentwicklungen begibt, die er ebenfalls erwerben muss, um das erste Produkt immer auf dem neuesten Stand zu halten, kommt selten dazu, die Aktivierungsmöglichkeiten des Produkts für sich sinnvoll zu entfalten. Eine Begleiterscheinung dieser einseitigen Aufmerksamkeit für das Neue ist der Verschleiß ästhetischer Mittel und ihrer potentiellen Erlebnisqualität. Sie werden nicht hinsichtlich ihrer sensitiven oder animativen Funktion entfaltet, sondern bei nächster Gelegenheit durch eine neue Entdeckung ersetzt.

Immer das Neueste zu wissen oder um sich zu haben ist ein psychisches Bestreben, das aus der explorative Tendenz resultiert. Indem die Jagd nach Neuen und die Bevorzugung der explorativen Tendenz zur gesamtgesellschaftlichen Orientierung erhoben wird, erfährt das Handeln des einzelnen eine zusätzliche Beschleunigung, die sich in sozialen Systemen fortsetzt. In diesem Zusammenhang zeigt sich der Energie- und Ressourcenverlust anhand von technischen Innovationen, für die man sich um ihrer selbst Willen begeistert, ohne zu prüfen, ob sie sich im gewohnten Leben bewähren können. Die Formierung von Design als Wissenschaft steht in diesem Kontext, der die explorative Tendenz und das Neue hoch einschätzt und die somatische und introvertierte Tendenz sowie das sensitive und das animative Design hauptsächlich in ihrer, die Akzeptanz von impulsivem Design unterstützenden Funktion miteinbezieht. So ist die Frage, was den nun eigentlich das Neue an dem Entwurf sei, bei Diplompräsentationen obligatorisch, selbst wenn das Design durch explizite Bezugnahme auf sensitive oder animative ästhetische Kriterien entstanden ist und Neuheit als solche kein entscheidendes Gestaltungskriterium war.

Die negativen Kritikpunkte zum Kriterium der Neuheit ergeben sich aus dessen Überbewertung und der Vermischung von Neuheit im Verhältnis zur individuellen Erfahrung und zum gespeicherten Wissen sozialer Systeme. Wenn Neuheit ihren Stellenwert als erste kognitive Anknüpfung in der von der explorativen Tendenz getriebenen subjektiven Erfahrung erhält, dann relativiert sich ihrer Bedeutung, denn als weitere ästhetische Kriterien folgen ihr die sinnvolle Entfaltbarkeit und die Zuordnbarkeit. Das impulsive Potential von Design, das der explorativen Tendenz einen Anschluss bieten will, sollte durch Neuheit auffallen und gleichzeitig darüber hinausweisen.

Beispiel für das impulsive Potential von Design

Ein negatives Beispiel zum Kriterium der Neuheit geben viele Homepages ab, die zwar durch Interesse weckende Links und auffallende Gestaltung zunächst Anknüpfungen für die explorative Tendenz bieten, bei weiterem Erkunden aber triviale Inhalte darbieten. Ebenso faszinierte die Produktgattung der Pager anfangs durch ihre Neuheit, sowohl bezüglich der Erscheinung, als auch der versprochenen Funktionen, die sie aber durch zu hohe Nutzungskosten bisher nicht einlösen konnte.

Folgenreich im positiven Sinne waren dagegen die neuen Impulse, die David Carson in den 90er Jahren im Kommunikationsdesign setzte. Er zeigte innovative Lösungen, die vielen Designern auf der Suche nach neuen ästhetischen Ausdrucksmöglichkeiten Anregungen zur Entfaltung weiterführender eigenständiger Inspirationen boten.

Zum Kriterium der »Entdeckbarkeit« bezüglich der explorativen Tendenz

Aktivitätsziel der explorativen Tendenz ist es, irgendeine Entdeckung zu machen, die den motivierten Verhaltensfluss vorläufig zum Stillstand bringt und dazu anregt, das Gefundene kognitiv und emotional weiterzuverarbeiten. Das impulsive Potential von Design kann diese Anregung in vielfältiger Weise anbieten. Die ästhetische Gestaltung der Umwelt sollte Menschen Gelegenheiten zum verschiedenartigen, mehrere Sinnesmodalitäten aktivierenden Ausleben ihrer explorativen Tendenz aufzeigen. Nicht nur im Städtebau wurden diesbezüglich in der Vergangenheit Fehler gemacht. Anstelle inspirierender, der Vielfalt von Lebensinteressen entsprechender Angebote wurden langweilige Einheitskästen fabriziert. Das impulsive Potential von Design kann dem Kriterium der Entdeckbarkeit insbesondere durch unerwartete Details entsprechen.

Beispiel für das impulsive Potential von Design

Im Industriedesign war lange Zeit das perfekte und reibungslos funktionierende Produkt das Gestaltungsziel. Viele Nutzer suchen aber eine spannendere Interaktion mit den Produkten ihres Lebensumfelds als die erwartungsgemäße Erfüllung des genau definierten Nutzens. Sie wollen etwas entdecken, was nicht bereits vorhersehbar ist. Ein strikt ergonomisch gestalteter Arbeitsplatz, der keine Anregungen zu Tätigkeiten bietet, die nicht direkt mit dem Arbeitsziel in Verbindung stehen, zwingt den Nutzer zur eindimensionalen Ausrichtung seiner Motivation und fördert das Entstehen einer ermüdenden, passiven Haltung. Arbeitsplatzgestaltung welche weniger stark planbare Aktivitäten einbindet, zum Beispiel durch morgendliche Arbeitsplatzwahl, Stehpulte, Arbeitsstühle mit verschiedenen Sitzprinzipien, unterschiedliche Lichtquellen, flexible Wände zur Abgrenzung oder Kommunikation mit Kollegen usw., regt Aktivität hinsichtlich der explorativen Tendenz an und verhilft im Rahmen der Möglichkeiten innerhalb des Arbeitsalltags zu eigenständigen Entdeckungen.

Kommunikationsdesign kann durch Integration von verschiedenen ästhetischen Elementen wie unterschiedlichen Bilddarstellungen, Illustrationen, Schemata, Tabellen, Karikaturen usw., Wechsel im Layout, Verwendung mehrerer Schrifttypen, wechselnder Papierqualitäten usw., eine mehrdimensionale, also nicht nur visuelle, sondern auch haptische, nicht nur zur Aufnahme von Information instruieren, sondern zur aktiven Entdeckung und Kombination von Informationen anregen. Trotz berechtigter Kritik an der Gestaltung von Illustrierten oder den Programmen der Fernsehanstalten, bieten gerade diese Medien durch ihr impulsives Potential von Design Ansatzpunkte für Entdeckungen an.

Zum Kriterium der »Neugierigkeit« bezüglich der explorativen Tendenz

Von der explorativen Tendenz beeinflusste Aktivitäten sind vom Gefühl der Neugier und des Erlebnishungers begleitet. Die emotionale Erstbewertung entsteht unter der Erwartung, dass die Interaktion mit dem vorgefundenen Reizangebot spannend ist und die Neugier aufrecht hält. Mit der Neugierigkeit gegenüber einem Reizangebot ist nicht zwangsläufig dessen absolute Neuheit verknüpft. Beispielsweise können viele Spiele, deren Regeln bekannt sind und die schon oft gespielt wurden, im Moment des Spielens immer wieder neugierig auf den nächsten Spielzug machen und sehr spannend sein. Beim regelgeleiteten Spielen ergänzen sich die Kriterien der Geordnetheit und Neugier sehr gut. Durch die Stimulanz von Neugier und Spannung beschäftigt sich die explorative Tendenz länger mit einem Reizangebot. Diesen Effekt nutzen beispielsweise Spiele-Designer aus und Fernsehsender bemühen sich darum, vor einem Werbeblock oder nach dem Ende einer Sendung nochmals einen Neugierschub zu erzeugen, um den Zuschauer an ihren Sender zu binden. Das impulsive Potential sollte eine emotional aufgeschlossene Neugierphase nicht zur irreführenden Überlistung missbrauchen, sondern sie im Erziehungsprozess als Vehikel durch didaktische Interessensunterstützung nutzen.

Beispiel für das impulsive Potential von Design

Die Neugier von Kindern, die voller Freude über jede Entdeckung die Welt erkunden, sollte nicht ständig durch vordergründig kindgerechte Reize, wie Buntes, Süßes, Niedliches usw. in Kombination mit simplen kognitiven Anschlussmöglichkeiten gefesselt und von der Erforschung der sogenannten Erwachsenenwelt abgehalten werden. Vielmehr sollte das impulsive Potential, welches das emotionale neugierige Interesse der Kinder beispielsweise zu den beruflichen Tätigkeitsfeldern ihrer Eltern, dem Alltagswissen oder der Lebensumgebung fördert, aktiv unterstützt werden. Die Kinderserie »Die Sendung mit der Maus« liefert hierfür positives Anschauungsmaterial.

Wenn der Autor Robert Bly in seinem 1998 erschienen, gleichnamigen Buch »die kindliche Gesellschaft« diagnostiziert und den Mangel an verantwortlicher Ernsthaftigkeit beklagt, so ist zu fragen, ob sich viele Menschen nicht deshalb in eine verlängerte Pubertät flüchten, weil sich die tradierte Erwachsenenwelt auch in weniger ernsten Bereichen vor einer Bestätigung emotionaler Aspekte der explorativen Tendenz verschließt. Noch bevor sich das Kriterium der Neugierigkeit aufgrund des Spaßes während der Beschäftigung mit einem Wissensbereich entwickeln kann, wird diese Art emotionaler Zuneigung durch Barrieren wie Prüfungen oder die Forderung nach umfassender Einarbeitung in Grundlagenwissen abgetötet, ohne garantieren zu können, dass dieses Austrocknen des neugierigen Engagements durch einen sicheren Platz in der Erwachsenenwelt belohnt wird.

Die Faszination beim Erkunden des Internets liegt dagegen darin, dass der Neugierde freier Lauf gelassen werden kann. Emotionales und Kognitives werden hier beim Entfalten der explorativen Tendenz verbunden. Initiativen zur Wissensvermittlung wie das Comenius-Programm für Schulen und andere Angebote im Netz geben Impulse und regen zum neugierigen Weiterforschen an.

Zum Kriterium der »Selbstsicherheit« bezüglich der explorativen Tendenz

Der emotionale Höhepunkt, die Erfahrung von Grenzenlosigkeit, im Zuge einer von der explorativen Tendenz beeinflussten Aktivität, ebbt nach einer intensiven Phase ab und geht im Subprozess der Vertrauensbildung in ein Empfinden von Gewissheit und Mutigkeit über. Diese Empfindung ist durch das Kriterium der Selbstsicherheit zu erfassen und zu bewerten. Obwohl all die grenzenlos erscheinenden Angebote nicht gleichzeitig zu erforschen sind, bildet sich Vertrauen auf die eigenen Fähigkeiten aus, mehr entdecken zu können als das Gewohnte, weitere Vorstöße zu einem späteren Zeitpunkt unternehmen zu können und mit dem Drang nach Neuem, sei es im Denken oder im Tun nicht alleine zu sein. Das impulsive Potential von Design sollte das Kriterium der Selbstsicherheit mitberücksichtigen und dadurch die positive Vertrauensbildung zu Stärkung der Selbsteinschätzung und damit die furchtlose Offenheit gegenüber Erwartungen anderer Menschen und allgemeinen Anforderungen der Welt unterstützen.

Beispiel für das impulsive Potential von Design

Werbung wird von den meisten Menschen nicht mehr als Information wahrgenommen. Seitdem mehrere Fernsehsendungen Werbespots thematisieren, weiß jeder, mit welchem Aufwand die ästhetisch perfekten Bilder fabriziert werden. Der Reiz an neuer Werbung gründet daher nicht im Inhaltlichen, Erkenntnis anbietenden, sondern in der Erwartung von ästhetisch unterhaltenden Effekten. Mit deren Einlösung durch das Genre der Werbung ist die Vertrautheit oder Selbstsicherheit der explorativen Tendenz verbunden.

Von einem Nachrichtenmagazin ist dagegen die verständliche, gewissenhaft recherchierte Aufbereitung von Information zu erwarten. Der Zuschauer oder Leser eines Magazins vertraut auf die verantwortliche Vorauswahl der Produzenten. Wenn dann eine Zeitschrift wie Focus mit einem innovativen, ästhetisch ansprechenden, die explorative Tendenz anregenden Design auftritt, ihrem Anspruch auf fundierte Informationen aber nicht gerecht wird, dann rückt diese Täuschung auch das aufwendige Design in ein negatives Licht. Das Vorurteil einer zwangsläufigen Verknüpfung von ästhetischer Vielfalt mit geistiger Einfalt wird dadurch leider wieder bestätigt. Eine ähnliche Diskrepanz zwischen vielversprechender, der explorativen Tendenz entgegenkommender Ästhetik und seichtem Inhalt weisen bedauerlicherweise viele Multimedia-Produktionen auf.

Zum Kriterium der »Grenzenlosigkeit« bezüglich der explorativen Tendenz

Das Erleben von Freude stellt sich unter dem Einfluss der explorativen Tendenz ein, wenn die Neugier viele freie Entfaltungsmöglichkeiten vorfindet und dadurch ein Gefühl der Grenzenlosigkeit entsteht. Der Besuch einer Ausstellung zu einem interessanten Themengebiet, bei dem jedes Exponat wie eine persönliche Entdeckung erscheint, zur kognitiven Entfaltung führt und als Bereicherung der Erfahrung erlebt wird, kann das Erlebnis von Grenzenlosigkeit ebenso anregen, wie ein Abenteuerspiel, die touristische Erkundung eine Region oder die Nutzung einer Bibliothek ohne Zeitlimit für ein Forschungsprojekt. Die emotionale Erfüllung einer explorativen Aktivitätssequenz durch das Fühlen von Grenzenlosigkeit wird oft von vielerlei Einschränkungen behindert, von denen manche berechtigt, andere willkürlich sind. Zum impulsiven Potential von Design gehört die verantwortungsvolle Gestaltung von Grenzen, die dem Kriterium der Grenzenlosigkeit entsprechend genügend Raum zur persönlichen Entfaltung der explorativen Tendenz lassen.

Beispiel für das impulsive Potential von Design

Ein vermeidbarer Grund für übervorsichtigen Umgang mit Gebrauchsobjekten, die Unterdrückung von Freude bezüglich der explorativen Tendenz und damit die Missachtung des Kriteriums der Grenzenlosigkeit, ist die Empfindlichkeit von Materialien und Oberflächen bei Kinderspielzeug. Wenn Kinder ständig zum Aufpassen ermahnt oder für Beschädigungen, die im Spieleifer entstehen bestraft werden, bleiben für spontane, Lebensfreude ausdrückende und fördernde explorative Aktivitäten zu wenig Gelegenheiten. Diese fehlen aber auch den Erwachsenen. Anstatt sich an den technischen Geräten, die sie unter dem Einfluss der explorativen Tendenz angeschafft haben, zu erfreuen und durch die vielversprechenden Funktionen Grenzenlosigkeit empfinden zu können, steckt ihnen die Angst im Nacken, das teuer erworbene Gerät, ob Kamera oder Automobil, zu beschädigen. Die meisten Besitzer von Videorecordern nutzen nur die Basisfunktionen. Selten nehmen sie Sendungen zu für sie interessanten Themen auf, um sie zu archivieren oder später in Ruhe anzuschauen, weil sie die Geräte nicht programmieren können und befürchten, etwas kaputt zu machen.

Auch falsche Verkehrsplanung wie lange Abschnitte von Stadtautobahnen ohne Wende- oder Überquerungsmöglichkeit, kann dazu führen, dass der Bewegungsdrang der explorativen Tendenz eingeschränkt werden muss und das Kriterium der Grenzenlosigkeit unerfüllt bleibt. Ebenso schneiden zeitliche Vorgaben wie die Öffnungszeiten von Universitäten, Bibliotheken, Werkstätten und Museen oder lange Wartezeiten bei der Arbeit mit dem Internet oft eine explorative Phase noch vor ihrem erlebten Höhepunkt von Grenzenlosigkeit ab und verhindern somit die positive Verankerung dieser Erlebnisse in der Erinnerung.

Zum Kriterium der »Spontaneität« bezüglich der explorativen Tendenz

Die Bereitschaft zur explorativen Tendenz, konkretisiert sich in einer Haltung der Offenheit und Spontaneität bezüglich Reizen, die in der äußeren Wirklichkeit lokalisiert werden. Mit der offenen Haltung wird häufig Neues entdeckt und viele gleichzeitig stattfindende Reizereignisse werden gemeinsam registriert. Dadurch entstehen neuronale Verknüpfungen, die später zu kreativen Assoziationen beitragen können. Bei Kindern und Jugendlichen ist die offene Spontaneität häufig zu finden, wenn sie sich noch keine skeptische Vorsicht als Schutz vor Enttäuschungen angewöhnt haben.

Spontaneität äußert sich in impulsivem Verhalten, das Kinder und Jugendliche noch weniger steuern können als Erwachsene. Spontan gehen sie auf Reizangebote, die sich ihnen bieten zu. Das Kind läuft mitten durch die Pfütze, staunt über den Stab mit Zuckerwatte, steckt den Schnee in den Mund, reißt im Supermarkt an den bunten Verpackungen, lächelt fremden Menschen im Bus zu usw. Jugendliche, bei denen die explorative Tendenz der Spontaneität durchschlägt, erkunden aktiv ihre Umwelt. Sie setzen sich dabei oft unbeabsichtigt über konventionelle Grenzen hinweg und finden ihre eigenen Grenzen. Sie probieren, einen Lichtmast zu erklettern, mit dem Bike eine Treppe hinunterfahren, auf der Autobahnbrücke den Fahrenden zuwinken usw. Die Erhaltung von Offenheit und Spontaneität in der Begegnung mit der Außenwelt, der Natur, den Medien und den anderen Menschen ist eine wichtige Voraussetzung für die Fähigkeit, ethisches Bewusstsein und produktiven Gestaltungswillen zu entwickeln und sollte deshalb durch Design, das Gelegenheiten für spontanes, exploratives Verhalten schafft und zu weiteren Initiativen anregt, gefördert werden.

Beispiel für das impulsive Potential von Design

Die baulichen Konzepte von Schulen sollten in Hinsicht der Schaffung von Möglichkeiten zum Ausleben von Spontaneität neu überdacht werden. Es sollten Möglichkeiten für Begegnungen von Schülern verschiedener Klassen oder Schulrichtungen bestehen. Die Schüler sollten spontan, auch nachmittags nicht nur den Schulhof, sondern auch Sportgeräte oder Computer nutzen zu können oder sich zum gemeinsamen Lernen im Klassenraum zu treffen können.

Wie wichtig für viele Menschen das Gefühl spontan handeln zu können ist, auch wenn sie es nicht jederzeit einlösen, zeigt die ungebrochene Beliebtheit des Autos, das immer bereit steht. Außerhalb der Ballungsgebiete sind öffentliche Verkehrsmittel wegen ungünstigen Fahrzeiten oder zu großer Kapazität oft nicht ausgelastet. Hier müssten neue Konzepte, die im Ansatz bereits als Studien vorliegen (vgl. Vester, 1988) den flexibleren Einsatz kleinerer Fahrgastzellen und dem aktuellen Bedarf entsprechender Fahrplanzeiten ermöglichen.