Zielsetzung > Zum Kriterium der »Reibungslosigkeit« bezüglich der integrativen Struktur

Zur integrativen Struktur passt die Überzeugung, dass sie sich aus sich selbst heraus weiterentwickelt. Im Vertrauen auf die Logik der Natur wird angenommen, dass alles, einer inneren Zielrichtung folgend zweckmäßig, sich Schritt für Schritt verbessernd weiterwächst. Das höchste Qualitätskriterium der integrativen Struktur ist die Reibungslosigkeit, das zweckmäßige, harmonische Ineinandergreifen aller Einzelfunktionen. Eine bestimmte Auffassung von Bionik, der Kombination aus Technik und Biologie, vergleicht systematisch technische mit biologischer Zweckmäßigkeit. Häufig belegt das Ergebnis die Überlegenheit der Natur. In der Natur scheint alles aufs beste, ohne überflüssige Details, zweckmäßig organisiert zu sein. Laut diesem Modell entfalten sich die immanenten, teleologischen Anlagen der Natur von selbst. Der Mensch braucht sich nur einzufügen und sollte keine Veränderungen vornehmen. Hier wird die zu der integrativen Struktur passende mythische Auffassung einer zweckvollen und zielstrebigen Eigendynamik des Weltgeschehens mit dem Wunsch nach der Sinnhaftigkeit dieses Geschehens für die Menschheit kritiklos vermischt. Fälle in denen offensichtlich unzweckmäßige Formen entwickelt wurden wie Untersuchungen von Vogelarten oder Fischen beweisen, bleiben ausgeklammert oder werden als Fehlentwicklungen abgewertet.

Dem Kriterium der Reibungslosigkeit in der integrativen Struktur entspricht das kollektive Potential von Design, das von dem natürlichen Ineinandergreifen von Individualität und sozialem Miteinander ausgeht. Für alle Menschen, da sie von gleicher Natur sind, gelten die gleichen ästhetischen Kriterien. Alles Zweckmäßige und reibungslos Funktionierende ist gleichzeitig gut, einfach und schön.

Beispiel für das kollektive Potential von Design

Als beispielhaft für Design, das aus der Intention entstand, zu einer zweckvolle Reibungslosigkeit des sozialen Alltagslebens beizutragen, gelten die Gebrauchsgegenstände der Shaker, einer religiösen Glaubensgemeinschaft, die in Amerika in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erstarkte. Auch die Entwürfe von Jasper Morrison folgen diesem Ansatz, keine Statusobjekte, sondern funktionierende, schlichte Gegenstände zu entwerfen, ähnlich wie bereits Mart Stam, dessen Entwürfe seinem sozialreformerischen Anliegen verpflichtet waren. Allerdings haben weder die Produkte der Shaker, noch die Stams oder Morrisons Eingang in das kollektive Potential gefunden, sondern blieben einer designbewussten und zahlungskräftigen Klientel vorbehalten.

Aktuelle, tatsächlich im kollektiven Potential von Design verankerte und dem Kriterium der Reibungslosigkeit entsprechende Gegenstände aus dem Alltag sind stapelbare, billige Plastikstühle und quadratische Freizeitzelte, die in jedem Baumarkt erhältlich sind und sich rasch in den Vorgärten ausgebreitet haben sowie auch die überall verwendeten Einkaufstaschen aus unbedrucktem, naturfarbenem Stoff. Viele Küchenutensilien der Firma Fackelmann sind in jedem Haushalt zu finden, ohne dass die Benutzer den Firmennamen oder gar den Designer kennen und sind somit dem kollektiven Potential von Design zuzuordnen.

Wandlung > Zum Kriterium der »Flexibilität« bezüglich der polyvalenten Struktur

Hinsichtlich der polyvalenten Struktur können sich ausgehend von dem gleichen Problem mehrere Lösungsprozesse mit verschiedenen Auswirkungen entwickeln. Das Auffinden einer zeitlos richtigen Lösung wird dabei nicht erwartet. Vielmehr stehen die verschiedenen Einzelprozesse in ständiger Interdependenz zueinander. Dadurch entstehen Prozesse, die sich wechselweise, schneller oder langsamer beeinflussen und die prinzipielle Wandlung sowie die Flexibilität hinsichtlich weiterer Entwicklungsziele der polyvalenten Struktur begründen.

Die mit der Orientierung an der polyvalenten Struktur verbundene Erfahrung beinhaltet die ständige Bereitschaft zur bewussten Erprobung von verändernden Einflussgrößen. Sie erfordert geistige und praktische Flexibilität von den sozialen Akteuren und nicht das fatalistische Akzeptieren oder das steuernde Absichern gegenüber Wandlungen. Die Erfahrung und Fähigkeit zur Flexibilität werden besser durch breit gefächerte Wissensbildung oder spielerische Sportarten, als durch selektiv optimiertes Wissen oder gerätespezifische Kondition ausgebildet.

Die Wandlung von Konventionen der polyvalenten Struktur und die das mit ihr verbundene Kriterium der Flexibilität bezüglich der Erfahrung spricht besonders das Lebensgefühl oder die ästhetische Erfahrung junger und jung gebliebener Menschen an, die sich nicht auf die festgelegte hierarchische Struktur einlassen wollen und sich nicht fatalistisch der integrativen Struktur überlassen können. Während diese Flexibilität in der hierarchischen Struktur ein Störfaktor wäre, bietet die polyvalente Struktur eine positive Auseinandersetzung mit der flexiblen Suche nach alternativen Entwicklungszielen. Das ästhetische Kriterium der Flexibilität kann auch zu kommunikativem Verhalten motivieren, weil es den sozialen Akteuren Gelegenheit gibt, ihre kommunikative Erfahrungsdimension in verschiedene Richtungen zu testen.

Das partizipative Potential von Design wächst von unten aus Initiativen von Einzelpersonen, Interessengruppierungen oder Subkulturen, die in ihren Lebensbereichen etwas verändern wollen, im Gegensatz zu dem von Fachleuten von oben installierten, instruierenden, distinktiven Potential von Design. Dieser Flexibilität als Kriterium der kommunikativen Dimension ästhetischer Erfahrung kann das partizipative Potential von Design durch die Möglichkeit, Veränderungen an einem Produkt vornehmen zu können oder durch das Angebot völlig neuer Produktkonzepte entsprechen.

Beispiel für das partizipative Potential von Design

Viele Möbel von Ikea eignen sich als Beispiel für das partizipative Potential von Design, denn sie können leicht auf- oder abgebaut, mit Farbe oder wenigen Zusatzteilen optisch oder funktional in Relation zu den spezifischen Wünschen oder der flexiblen Lebensweise der Nutzer verändert werden. Sie erleichterten ein an dem ästhetischen Kriterium der Flexibilität orientiertes Verhalten. Auch die wechselhaften ästhetischen Angebote der Mode sind dem partizipativen Potential zuzurechnen, wenn sie nicht als Modediktat nur befolgt, sondern mit eigenen Zutaten vermischt werden und als flexible kommunikative Zeichen innerhalb des sozialen Miteinanders fungieren.

Aber auch in professionellen Handlungsbereichen, die häufig eine hierarchisches Organisationsstruktur aufweisen wie Wissenschaft, Forschung, Sport, Theater usw. kann das Kriterium der Flexibilität ein erstarrtes System aufbrechen, neue Impulse setzen und Entwicklungen ermöglichen. Bewährte Methoden werden testweise modifiziert, alte Deutungen uminterpretiert usw. Beispielsweise präsentieren Studenten der HBK Saarbrücken ihre Projekte nicht in etablierten Galerien, sondern auch mal mitten in der Stadt und provozieren dadurch die Passanten dazu, flexible Kommunikationsprozesse zu beginnen. Der Eventkünstler Christoph Schlingensief stört durch seine Projekte den erwartungsgemäßen Ablauf von traditionellen Ereignissen indem er zusätzliche Kommunikationsprozesse inszeniert, Menschen zum Mitmachen auffordert und somit flexible Wege aufzeigt.

Wandlung > Zum Kriterium der »Steuerbarkeit« bezüglich der hierarchischen Struktur

Anders als in der integrativen Struktur folgt die Verhaltensorientierung bezogen auf die hierarchische Struktur expliziten Vorgaben und Regeln. Diese dienen in erster Linie der sicheren Erhaltung der Zielvorgabe und dem Kriterium der Niveaudifferenzierbarkeit. Veränderungsversuche oder Experimente werden als Störfaktoren ausgeschaltet. Die an der hierarchischen Struktur orientierte kommunikative Dimension der ästhetischen Erfahrung ist von dem Bemühen um die Stabilität der Struktur geprägt. Weil die Kommunikationsbeiträge in ständiger Dynamik prozessieren, muss einem zu raschen Wandel, der in eine nicht gewünschte Richtung laufen könnte, durch andauernde Regulierung gegengesteuert werden. Während das kollektive Design die fatalistische Verhaltensorientierung mithilfe unreflektierter Gewohnheit unterstützt, lenkt das distinktive Design die regulative, bewahrende und sichernde Verhaltensorientierung durch bewusst vollzogene Wiederholungen und Bestätigungen. Es erzeugt durch klare Vorgaben an jeder Stelle der Hierarchie ein rational begründbares Überzeugungsgefühl von Richtigkeit und Sicherheit hinsichtlich Handlungsentscheidungen.

Das Kriterium der Steuerbarkeit, ist auf die Bewahrung und Sicherung des erreichten Ist-Zustands angelegt. Das distinktive Potential von Design kann diesem Kriterium durch die strikte Anwendung von immer gleichen ästhetischen Mittel hinsichtlich einer Niveaustufe und durch Wiederholungen und Bestätigungen entsprechen.

Beispiel für das distinktive Potential von Design

Beispielsweise wiederholen altägyptische Inschriften endlos die Lobpreisungen der Herrscher. An der Zahl der mühsam eingemeißelten Inschriften lässt sich der Status des Herrschers ablesen. Durch den aufwendigen altägyptischen Totenkult wird der natürlichen Wandlung der hierarchischen sozialen Organisationsstruktur regulativ entgegengesteuert.

Vom distinktiven Potential dominiertes Design muss sich streng nach den maßgebenden Vorgaben richten. Deshalb gibt es keine echten Alternativen quer zu den Niveaus, sondern nur Variationen auf dem gleichen Niveau. Die Dinge ähneln, zitieren, wiederholen, bestärken sich gegenseitig und manifestieren die Beziehung zu einem bestimmten Niveau.

Die Regulierung hinsichtlich der Beständigkeit und Stimmigkeit des adäquaten Designs für ein bestimmtes Niveau erfolgt durch die Erfüllung von Erwartungen an die demonstrative Kraft des distinktiven Potentials. So gehört das ausladende Ledersofa in einen großzügig gebauten Wohnraum, der mit üppig fallenden Stoffen und bauchigen Keramikgefäßen punktuell dekoriert ist. Eine private, aus zusammengewürfelten Erinnerungsstücken gewachsene Bilderwand wirkt in diesem Ambiente kleinkariert und deplatziert Durch die festgefahrenen Erwartungen und Wahrnehmungen der Ausdrucksformen sozialer Niveaus, kann ein unpassender oder sogar lächerlicher Eindruck entstehen, wenn Produkte, die verschiedenen Niveaus zugehören, kombiniert werden. Zur Orientierungserleichterung der Kunden werden deshalb zunehmend Produktkombinationen, eine Automarke plus Parfum, Lederjacke oder Sofa, Fitnessgerät oder Kamera, Biermarke oder Kaffee usw. in der Werbung gezeigt. In dieser Sparte trägt das distinktive Design eindeutig auch zur weiteren Verfestigung sozialer Ungleichheit bei. Ähnlich wie im Mittelalter, als das kostbare Rot den Adeligen vorbehalten war, wogegen ein nicht zu intensives Blau von jedermann getragen werden durfte und daher kaum ein Adeliger sich in blauer sowie kein Arbeiter oder Bauer in roter Kleidung zeigen durfte, erscheint es heute vielen Menschen unpassend, wenn ein Arbeiter mit einem silbernen Auto der gehobenen Klasse vorfährt und der Chef mit einem unscheinbaren Kleinwagen. Allein durch die Weigerung, an dieser Art des distinktiven Potentials von Design mitzuwirken, ist nicht zu verhindern, dass sich weiterhin viele Menschen daran sowie an der zugehörigen hierarchischen Struktur mit der Zielvorgabe der Kaufkraft orientieren. Diese Regulierung zieht die prinzipiell stattfindende Wandlung wieder in die tradierten Bahnen zurück.

Einen anderen Akzent bezüglich dem Kriterium der Steuerbarkeit setzt das distinktive Potential von Design auch in eigener Sache durch die Bewahrung von einmal erreichten Standards. Anstelle weiter mit Design zu experimentieren gehen oftmals gerade die Innovatoren in einer zweiten Phase wieder auf die kanonischen Traditionen zurück und halten an der als Quereinsteiger erreichten Position innerhalb der hierarchischen Struktur fest. Eine Besinnung dieser Art mit teils regressiven Zügen ist beispielsweise in den Arbeiten von Neville Brody, Philippe Starck oder Vivienne Westwood zu beobachten, die alle nach einer Experimentierphase zu beruflichem Erfolg kamen und anschließend wieder die Wichtigkeit von stabileren Gestaltungskriterien betonten.

Wandlung > Zum Kriterium der »Durchmischbarkeit« bezüglich der integrativen Struktur

Eine Wandlung wird bezüglich der integrativen Struktur durch das Kriterium der Durchmischbarkeit für die Erfahrung positiv erfasst. Derjenige, der sich in ein System mit integrativer Struktur eingebunden fühlt, orientiert sein Verhalten am langsamen, von Durchmischung der Kommunikationsbeiträge geprägten Wandel des Systems. Hierzu tragen erstens Alterungsprozesses von Material, Vergänglichkeit und Erneuerung oder die jeweils aktualisierte Anpassung des Menschen an die vorgefundene Umwelt, Natur, Behausung, Gebrauchsgerät und zweitens die Fortsetzung der gewachsenen Tradition bei. Spezialisierte oder kontroverse Wandlungsprozesse bestehen in der integrativen Struktur nur kurz. Da alle Beteiligten eines integrativ strukturierten Systems durch ihre Kommunikationsbeiträge einen stetigen Durchmischungsprozess erzeugen, nivellieren sie dadurch zu exponierte Beiträge. Die neutralisierende Durchmischung der Kommunikationsbeiträge in sozialen Systemen mit integrativer Struktur, in die verschiedene individuelle und soziale Prozesse einfließen und dabei zunehmend ihre Besonderheit verlieren, verändert sich im zähen Dahinfließen. Dieser langsame Wandel wird seit Dilthey inzwischen auch alltagssprachlich mit Zeitgeist bezeichnet. Im Unterschied zu Hegels Begriff des Zeitgeists als Erscheinung des objektiven Geistes einer Zeit, der sich in einem spiralförmigen, dialektischen Fortschrittsprozess zum absoluten Geist perfektioniert, meint die umgangssprachliche Verwendung des Begriffs das Entstehen eines zu einer bestimmten Zeit allgemein verbreiteten Lebensgefühls und Wissensstands. Rock, Punk und Techno usw. sind zunächst als musikalischer Ausdruck für die Mitwirkung an einem bestimmten sozialen System entstanden, wurden dann aber in alle Lebensbereiche integriert und als populäres, kollektives Potential gemeinsam weiterentwickelt. Gleiches gilt für Modeströmungen. Inhalte, die anfangs hinter diesen Ausdrucksformen standen verlieren ihre Bedeutung, indem sie vom allgemeinen Zeitgeist aufgesogen werden und in der mitmenschlichen Begegnung keine besondere Beachtung mehr finden. Nach dieser Absorption ist es kein geheimes Gruppenzeichen mehr, einen Ohrring oder Nasenring zu tragen, sich tätowieren zu lassen usw., sondern es gehört zum allgemeinen In-Sein, mit diesen Zeichen zu spielen, ohne deren gewachsene Bedeutung zu kennen oder mitteilen zu wollen.

Von dem kollektiven Potential von Design erwartet jeder an der integrativen Struktur Beteiligte, dass er dies ohne großen Lernaufwand für die weitere Kommunikation nutzen kann. Dies unterstützt bezüglich der kommunikativen Dimension der ästhetischen Erfahrung das Gefühl, jederzeit, trotz der Wandlung als einem Subprozess im Teilprozess der Bildung von Konventionen, auf dem letzten Stand der Kommunikation zu sein. Das kollektive Potential von Design wandelt sich mit dem Durchmischungsprozess. Es entspricht dem Kriterium der Durchmischbarkeit durch die unspezifische Verwendung ästhetischer Elemente oder auch durch naheliegende, nicht experimentell entwickelte oder kreativ geschaffene Kombinationen von tradierten und neuen Herstellungstechniken und Materialien.

Beispiel für das kollektive Potential von Design

Innerhalb der japanischen Kultur sind große individuelle Unterschiede im Verhalten oder der Kleidung nicht erwünscht. Sie basiert in weiten Bereichen auf der integrativen Struktur und unterliegt einer von Durchmischungsprozessen gekennzeichneten Wandlung. Traditionen werden zwar gepflegt, doch neue, interessant scheinende Elemente, beispielsweise der westlichen Kulturen, werden zwanglos aufgenommen.

Ein Beispiel für die praktische Umsetzung des ästhetischen Kriteriums der Durchmischbarkeit ist die Verbreitung von kommunikativ erzeugtem Wissen als Basis des kollektiven Potentials von Design auf alle möglichen Bereiche. Dies kommt im Heimwerkerbereich vor: wenn einmal bekannt ist, wie Dielen verlegt werden wird der gesamte Fußboden belegt und anschließend die Wände verkleidet; in der Industrie: wenn einmal bekannt ist, wie Leuchten aus Metallrohr hergestellt werden, entstehen unzählige Variationen; im Designstudium: wenn einmal bekannt ist, wie interessant lackiertes, geriffeltes Plexiglas wirkt, wird es für jedes Modell verwendet oder in Designstudios: wenn einmal bekannt ist, wie ein modisches Layout entsteht, werden die gleichen Gestaltungselemente ob für Printmedien, TV-Inserts oder CD-Roms eingesetzt. In allen Fällen wird nicht gefragt, ob die Ausdehnung der Erkenntnisse auf andere Bereiche sinnvoll ist oder ob dies den Nutzern zusagt. Ohne Rücksicht auf bereichsspezifische Probleme oder individuelle Vorlieben wird eine neue Erkenntnis in alle Bereiche integriert und mit dem bisherigen Wissensstand durchmischt, bis auch sie zum kollektiven Allgemeingut gehört.

Wertbestimmung > Zum Kriterium der »Vielfältigkeit« bezüglich der polyvalenten Struktur

Im Vergleich zur integrativen Struktur, in der ein implizites Verständnis des Wertungsprinzips der Ganzheitlichkeit angestrebt wird oder zur hierarchischen Struktur, hinsichtlich der die Niveaudifferenz an einer expliziten Zielvorgabe gemessen wird, entwickelt sich das Wertungsprinzip der Vielfältigkeit in der polyvalenten Struktur durch mehrere, meist explizite und verschiedenartige Kommunikationsprozesse zu einer Thematik. Dadurch führt die Orientierung an der polyvalenten Struktur die sozialen Akteure nicht dazu nach der einen, besten Lösung eines Problems zu suchen. Es werden viele kommunikative Wertungsprozesse relational zu unterschiedlichen Bezügen initiiert, die verschiedenartige gute Ergebnisse anstreben.

Vielfältigkeit als ästhetisches Kriterium bezüglich der kommunikativen Dimension der ästhetischen Erfahrung wirkt sich dahingehend aus, dass erstens die Fähigkeit zur ironischen Distanz wichtig wird, die beispielsweise hinsichtlich dem Kriterium der Ganzheitlichkeit eher negativ wirken würde. Zweitens ist flexibles Denken gefordert und drittens die Kompetenz zur adäquaten Definition einer dem speziellen Fall entsprechenden Richtgröße.

Das partizipative Potential von Design kann dem ästhetischen Kriterium der Vielfältigkeit zum Beispiel durch das Angebot von unterschiedlichen, je spezielle Vorteile bietenden Entwurfsvarianten zu einer Thematik entgegenkommen.

Beispiel für das partizipative Potential von Design

Die Befürwortung des Privatfernsehens zu Beginn der achtziger Jahre war großteils dadurch motiviert, ein vielfältiges Angebot zu erzeugen und das Meinungsmonopol der staatlichen Sender zu brechen. Nachrichten sollten unterschiedlich kommentiert werden, um diesbezüglich das Entstehen vielfältiger Kommunikationsprozesse zu fördern. Ob dieser Anspruch jemals mit der wünschenswerten Qualität eingelöst wird, ist fraglich. Trotzdem setzen die Sender in ihrer Berichterstattung zum gleichen Ereignis verschiedene Schwerpunkte und regen dadurch nicht nur zur passiven Rezeption, sondern auch zur kritischen Diskussion im Kreise der Zuschauer an. Dass durch die Quantität der Medien und ihre gegenseitige Bezugnahme oft belanglose Themen aufgebauscht werden, kann nicht den Effekt verdecken, dass dieser Mechanismus auch hinsichtlich wichtiger Themen die Möglichkeit öffnet, diese für zielgruppengerecht aufzubereiten und unter verschiedensten Aspekten zu behandeln.

Dem Kriterium der Vielfältigkeit entspricht auch die Adaption und neue Interpretation von altbekannten Opern, Theaterstücken oder Literaturvorlagen für Drehbücher. Diese gewinnen durch neue Interpretationen ein größeres Publikum. Durch Kontroversen um die vielfältigen Auslegungen kann zudem Konfliktfähigkeit eingeübt werden.

Wertbestimmung > Zum Kriterium der »Niveaudifferenzierbarkeit« bezüglich der hierarchischen Struktur

Während bezüglich der integrativen Struktur die Ganzheitlichkeit als Wertungsprinzip implizit die kommunikative Dimension der ästhetischen Erfahrung beeinflusst, basiert die hierarchische Struktur und die daran orientierte Kommunikation auf einem explizit definierten Wertungsprinzip, das durch unterschiedlichste Zielvorgaben konkretisiert sein kann. Einige Individuen schaffen es der expliziten Zielvorgabe näher kommen und andere entfernen sich von ihr. Die Zielvorgabe ist nicht für alle sozialen Akteure gleichermaßen erreichbar. Zudem erfordert eine der Zielvorgabe entsprechende Beteiligung spezielles Vorwissen, das nicht jeder erwerben kann. Deshalb führt diese Wertbestimmung zu einer Ungleichheit in der Kooperation der Individuen. Zum wesentlichsten Inhalt der Erfahrung wird es, die eigene Position im Vergleich zu den anderen zu bestimmen. Deshalb ist das Kriterium der Niveaudifferenzierbarkeit für Menschen, die sich primär an einer hierarchischen Struktur orientieren, so wichtig.

Im Unterschied zum Kriterium der Ganzheitlichkeit, das im Sinne der erkenntnistheoretischen Richtung des naiven Realismus ohne weitere Reflexion mit dem Glauben an ein unmittelbares Grundverständnis zwischen den Menschen und auch zwischen Mensch und Umwelt verbunden wird, erreicht das Kriterium der Niveaudifferenzierbarkeit bezüglich der hierarchischen Struktur ein höheres Abstraktionsniveau. Konkretisierungen in Form eines entsprechenden Potentials von Design sind nicht bereits im alltäglichen sozialen Miteinander wie durch das kollektive Potential von Design gegeben, sondern müssen grundsätzlich erst entwickelt werden.

Logisches Denken, präzises Befolgen von einmal formuliertem Wissen, exakter Umgang mit Handwerkszeug und ranggemäße Zuordnung des individuellen Vermögens innerhalb der Niveaudifferenz, gehören zu diesem ästhetischen Kriterium. Für jemanden, der sich auf ein bestimmtes Wertungsprinzip eingeschworen hat und seine ästhetische Erfahrung an der diesbezüglichen Perfektion aller Komponenten ausrichtet, ist es oft nicht mehr möglich auf kritische Distanz zu gehen und erstens zu bemerken, dass neben dem gewählten Wertungsprinzip noch alternative Prinzipien stehen sowie zweitens deren mögliche Gleichwertigkeit anzuerkennen. Dies gilt nicht nur hinsichtlich Werten wie dem Einkommen oder dem Bildungsstatus, sondern kann auch die nach spezifischen Zielvorgaben entstanden Niveaudifferenzierung innerhalb wissenschaftlichen Systemen beeinflussen. Die Konzentration auf eine dominante Wertbestimmung erschwert einen Paradigmenwechsel (vgl. Kuhn, 1976).

Eine an der hierarchischen Struktur orientierte ästhetische Erfahrung sucht nach Designangeboten, die dem jeweils erreichten Niveau Ausdruck geben. Das distinktive Potential von Design muss daher, um dem Kriterium der Nieveaudifferenzierbarkeit zu entsprechen, Abstufungen hinsichtlich dem repräsentativen Status wie Funktionsqualität oder handwerklicher Präzision ausdrücken.

Beispiel für das distinktive Potential von Design

Ein Merkmal des distinktiven Potentials von Design ist die niveaugerechte, spezialisierte, ohne Vorwissen nicht erschließbare Verkoppelungen von Form und Inhalt. Deshalb sind Materialien, Konstruktion und Fertigungstechniken nach expliziten Regeln anzuwenden. Kein Detail ist zufällig, jedes Gestaltungselement repräsentiert eine Bedeutung. Bezüglich dem distinktiven Potential von Design entspricht jedem ästhetischen Ausdruckselement ein bestimmter Wert auf einer gedachten Skala zur Niveaudifferenz. Insbesondere im Automobilbereich gibt es fein abgestufte Unterschiede in der Ausstattung der Typenklassen. Wie wichtig dieses distinktive Potential von Design für die Kunden ist, zeigt der Markterfolg von Accessoires, die mit dem Produkt Auto wenig zu tun haben, aber sich dessen jeweiligem Niveau und Sozialprestige zuordnen lassen. Diese Produkte geben auch einem Kunden, der sich das zugehörige Auto nicht leisten kann das Gefühl, wenigstens mit der richtigen Sonnenbrille und der aus seiner Sicht standesgemäßen Lederjacke ausgestattet zu sein.

Durch solche Zuordnungen entsteht ein Stil, der die niveaugerechte kommunikative Dimension der ästhetischen Erfahrung prägt. Solange der Zusammenhang der Ausdruckselemente mit einem Niveau durch entsprechende Kennerschaft der sozialen Akteure lebendig gehalten wird, gilt dieser Stil zwar als ästhetischer Kanon, der als Idealzustand anzustreben ist, jedoch ständig kleine Veränderungen erfährt und in der gewünschten Perfektion oft unerreichbar bleibt. Kommt es aber zu einer Absolutsetzung der Zielvorgabe, dann erstarren die kleinen Veränderungsprozesse und das Erkennen der zugehörigen Niveaudifferenz erfordert immer weniger spezifische Kennerschaft, bis schließlich ein Bruch der spezifischen Einheit von Form und Inhalt und die Mutation des lebendigen Stils zu einem inhaltsleeren Formalismus eintritt.

So wählen viele Menschen, die schnell zu Wohlstand gekommen sind, sich an der hierarchischen Struktur orientieren und ihren neuen Status durch den Erwerb teurer Produkte präsentieren wollen, nicht die wirklich wertvollen Stücke aus, sondern diejenigen, die von jedermann für solche gehalten werden. Beispielsweise ist dies am Konsumverhalten wohlhabender Bürger ehemaliger Ostblockländer zu beobachten, welche sich mit überdimensionierten Möbeln, die teils aus Spanplatten gefertigt sind, ausstatten. Ihnen fehlt zwar die erforderliche ästhetische Kennerschaft, die sie bräuchten, um von den Insidern dieses Niveaus anerkannt zu werden, dies schadet aber nicht, wenn die Deutlichkeit und leichte Erkennbarkeit des nun erreichten Niveaus für gesellschaftlich weiter unten stehende Menschen ihres Landes Priorität hat.

Wertbestimmung > Zum Kriterium der »Ganzheitlichkeit« bezüglich der integrativen Struktur

Ganzheitlichkeit ist das elementare Wertungsprinzip der integrativen Struktur. Konflikte durch gegensätzliche oder einen Unterschied hervorhebende Kommunikationsbeiträge werden im Konsens aufgehoben. Nach dem Prinzip der Ganzheitlichkeit hängt alles mit allem zusammen. Menschen, die sich an diesem Wertungsprinzip orientieren oder es als wesentliche Konvention eines Systems implizit verinnerlicht haben, neigen dazu, mit einem Hang zur Romantik oder zum Mythos, das Kriterium der Ganzheitlichkeit zu universalisieren. Alles Leben entfaltet sich aus dieser Einheit und führt wieder zu ihr zurück. Individuen sind als Teile der umfassenden Ganzheitlichkeit zu verstehen. Mit gemeinsamer Orientierung an dem Wertungsprinzip der Ganzheitlichkeit überbrückt die zwischenmenschliche Kommunikation alle möglichen Unterschiede.

Ganzheitlichkeit in ihren verschiedensten Erscheinungsformen wird auch als Wertungsprinzip für die ästhetische Erfahrung übernommen. Hierin gründet eine Verweigerungshaltung gegenüber komplexem Fachwissen, sei es geistiger oder praktischer Art, wie Mathematik oder Technik. Dies stellt zum Beispiel R. M. Pirsig in seinem Roman »Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten« (dt. 1978) dar. Er schildert die Schwierigkeit eines Motorradfahrers, der eher dem integrativen Strukturtyp und damit dem Wertungsprinzip der Ganzheitlichkeit zugeneigt ist, sich mit der differenzierten Technik seines Fahrzeugs auseinanderzusetzen. Zu dem ästhetischen Kriterium der Ganzheitlichkeit gehört die Vorstellung der Möglichkeit eines unmittelbaren harmonischen Miteinanders. Das diesbezüglich spezifizierte Potential von Design sollte diese kommunikative Erfahrung der Harmonie unterstützen.

Weil schwer nachvollziehbare Spezialisierungen, ob funktionaler, materialspezifischer oder produktionstechnischer Art eher abgelehnt werden, zeichnet sich das kollektive Potential von Design durch eine unspezialisierte Gebrauchsfunktion, wenig veredelte Materialien, eine leicht herstellbare Konstruktion und eine tendenziell schlichte ästhetischer Anmutung aus.

Beispiel für das kollektive Potential von Design

Volkstümliche Musik, bei der jeder mitsingen und mitschunkeln kann, die Eckbank daheim, auf der sich immer noch ein Platz für unerwartete Besucher findet, Eintopfgerichte, die TV-Show für die ganze Familie oder die den gewöhnlichen Alltag thematisierende Serie vermitteln als kollektives Potential von Design das ästhetische Kriterium der Ganzheitlichkeit.

Selten sind solche Produkten oder Ausdrucksformen tatsächlich das Resultat von kollektivem Zusammenwirken. Dies ist für die Menschen, die sich an der integrativen Struktur orientieren, meist weniger wichtig. Sie akzeptieren ebenso Produkte, die gezielt so gestaltet sind, als wäre ihr Harmonie ausdrückendes Design kollektiv entstanden, denn auch diese können das Zustandekommen und die Erhaltung von Harmonie fördern. So darf beispielsweise ein Volkslied auch neu komponiert sein. Der Erfolg von Guildo Horn im Jahr 1997 ist als ein Indiz für den großen Bedarf an dem Ganzheitlichkeit und zwischenmenschliche Harmonie ausdrückenden, kollektiven Potential von Design.