Der Einfluss der antizipierenden Komponente auf die gesamte ästhetische Erfahrungskreation lässt sich mit dem Hauptprozess der Modulation kennzeichnen. Modulation meint in diesem Kontext im Unterschied zum Begriff der Revolution als umwälzender, radikaler Veränderung der Lebensumstände eine gemäßigte, sanfte und doch aktiv betriebene Veränderung. Diese ist des weiteren in Differenz zum Begriff der Evolution nicht mit einem linearen Fortschrittsgedanken verbunden. Denn wie die Untersuchungen zur Verwirklichbarkeit als Charakteristikum der antizipierenden Komponente ergaben, ist nach dem heutigen Wissensstand die gezielte, umfassende Neuplanung der Zukunft als unmöglich zu akzeptieren.
Für Design als Disziplin folgt daraus, bescheidenere aber umsetzbare Ziele anzustreben. Doch nicht nur die Idee der Planbarkeit, die im Design eine große Rolle spielt (vgl. Winter, 1972, 1972) ist aufzugeben. Die Idee, durch Design wesenhafte Ordnungen erzeugen oder auf diese zurückkommen zu können muss ebenso revidiert werden. Genauso wenig, wie sich die Vielfalt individueller wie soziokultureller Wirklichkeitskonstruktionen auf eine vorgegebene Ordnung als gemeinsamer Wurzel alles Werdens zurückführen lässt, ist die Unterschiedlichkeit der Lebensprobleme durch die Implementierung einer neuen, umfassenden, optimalen Ordnung zu bewältigen. Die Hoffnung, durch Erkenntnis endlich auf die eine Ordnung zu stoßen, die alle Probleme löst, läuft genauso ins Leere wie die Hoffnung, durch Design diese Ordnung optimieren und neu installieren zu können. Eine solch aussichtslose Hoffnung führt irgendwann zum Scheitern desjenigen, der ihr anhängt. Diese Erfahrung machen viele engagierte Designer, die ihren Beruf wählten, um die Welt positiv zu verändern. Wahrscheinlich nimmt gerade in der persönlichen ästhetischen Erfahrung von Designern die antizipierende Komponente großen Raum ein, denn das Begeisternde an diesem Beruf liegt darin, durch Entwürfe eine zukünftige Wirklichkeit darzustellen, die es in dieser Form noch nicht gibt. Ein großer Teil der positiven Energie wird durch den Anspruch an Großem teilhaben zu wollen vergeudet und geht dadurch der Mitwirkung an verwirklichbaren, verbessernden Modulationen im Kleinen verloren.
In seiner Einführung in die pragmatische Philosophie bezieht sich Rorty auf Dewey, um eine in die Zukunft weisende, positive der in eine Sackgasse führenden und damit negativen Richtung von Hoffnung entgegenzustellen:
»Denn eine solche Ordnung könnte es nur geben, wenn alle künftigen Alternativen jetzt schon vorhanden wären. Die Hoffnung auf ihr wirkliches Vorhandensein ist eben die falsche Hoffnung der klassischen Philosophie Europas, von der Dewey spricht. Es ist die Hoffnung, man könne hinter dem vergänglichen Inhalt eine zeitlose Struktur erspähen und dadurch die Grenzen des Möglichen ausmachen: des möglichen Forschens, des möglichen Erkennens und der möglichen Formen menschlichen Lebens. Dies ist die Hoffnung, von der Dewey hoffte, dass wir Amerikaner sie aufgeben würden. Er drängte darauf, dass wir sie um einer besseren Hoffnung willen fallenlassen, nämlich der Hoffnung auf die Fähigkeit, eine neue Welt zu schaffen, in der unsere Nachkommen leben können, eine Welt mit mehr Vielfalt und Freiheit, als wir uns zur Zeit ausmalen können. Die Einzelheiten dieser in höherem Maße erwachsenen und entwickelten menschlichen Welt können wir uns ebenso wenig vorstellen, wie unsere Vorfahren in der Bronzezeit imstande waren, sich von den Einzelheiten unserer heutigen Welt einen Begriff zu machen.« (Rorty, 1994, S. 36)
In diesem Sinne hält der Hauptprozess der antizipierenden Komponente die Zukunft offen, ohne die Entwicklung dem Zufall zu überlassen oder in eine lineare Bahn zu pressen. Seine Wirksamkeit liegt vielmehr in einfühlsamer, bescheidener nicht machthungriger Einflussnahme auf den Gesamtprozess der Erfahrungskreation als deren verbessernde, an vielfältige Wirklichkeitskonstruktionen anpassbare Modulation.