Kommunikation > Zum Hauptkriterium der »gegenwärtige Verbundenheit« bezüglich der empathiven Qualität

Der Glaube an das Mythische als Gefühl einer ursprünglichen Verbundenheit allen Lebens ist mit der von Max Weber diagnostizierten »Entzauberung der Welt« im Zuge der wissenschaftlichen Aufklärung des Menschen verloren gegangen. Heute ist Verbundenheit als gemeinsames Gefühl der Zusammengehörigkeit als gegebener, sicherer Halt oder als einschränkende Bremse individueller Tätigkeitsorientierung erlebbar. In einer Kultur, die das Individuelle fördert, wird das Gefühl der geteilten Verbundenheit daher meist nur phasenweise und hinsichtlich verschiedenen Anknüpfungsmöglichkeiten gesucht. Sie muss durch ständige Kommunikation immer wieder aufgebaut oder gepflegt werden. Nicht die Auflösung der je individuellen Position im gemeinsamen Konsens, sondern die respektvolle Toleranz des Andersseins und das Aufrechterhalten der Kommunikation kennzeichnen das Gefühl der Verbundenheit. Dessen Bedeutung löst sich durch dieses Verständnis von der Assoziation der unmittelbaren Gemeinsamkeit und verbindet sie mit einem Medium. Dies kann die Sprache sein oder ein Fußballspiel, ein Film, ein Autorennen, eine Oper, ein Essen usw. Das Medium beeinflusst als bedingende Voraussetzung die Art und Weise der möglichen Kommunikation und damit auch die Qualität des Gefühls der Verbundenheit (vgl. Kapitel 5). Beispielsweise konkretisiert sich dieses Gefühl durch die Kommunikation mittels Internet in einer neuen Form, indem Menschen die Möglichkeit des Mediums nutzen, verschiedene Identitäten anzunehmen und dadurch Kontakte herstellen, die durch konventionelle Medien in dieser Art nicht zustande gekommen wären.

Während zum Beispiel das Medium Buch den Rezipienten auf sich selbst verweist, eignen sich die oben genannten Medien dafür, Kommunikation und Interaktion gemeinsam zu erleben und in gegenwärtiger Verbundenheit aktiv, sei es allein durch Anwesenheit, Beifallsbekundungen, persönliche Beiträge usw., mitzugestalten. Designer können das Entstehen des Gefühls der gegenwärtigen Verbundenheit fördern, dessen Verlauf strukturieren, sowie Gestaltungsmöglichkeiten für die Akteure anbieten.

Für die Konzeption solcher Erfahrungsangebote benötigen Designer neben dem fachspezifischen Wissen zu Gestaltungsmitteln, die räumliche und zeitliche Anschauungsformen, also Komposition und Dramaturgie verbinden, auch Kenntnisse in der Soziologie (vgl. Kapitel 4).

Beispiel für die evokative Aktualität von Design

Beispiele hierfür lassen sich beim Event-Design ebenso finden, wie bei der Gestaltung des alltäglichen Lebensraums. So kann das Konzept der Frankfurter Küche von Margarete Schütte-Lihotzky bei allen Pluspunkten dahingehend kritisiert werden, dass gemeinsames Kochen als Medium zur Pflege familiärer Verbundenheit in dem schmalen Raum fast unmöglich ist. Im Bereich der Arbeitsplatzgestaltung ist es wichtig, Zonen einzurichten, die zum kurzen Verweilen einladen, wie Stehtische für Raucher oder in Nähe eines Kaffeeautomaten, und dadurch das Zustandekommen eines Gesprächs erleichtern. Bei Messen ist es entscheidend, geschäftlich oder privat interessierte Besucher, beispielsweise durch schmale oder breite Durchgänge zu kanalisieren, damit potentielle Gesprächspartner zusammenfinden. Ein Event, wie die Präsentation eines neuen Rennwagens oder der Haute-Couture, die Eröffnungsfeier von Olympischen Spielen, die Höhepunkte eines Abenteuerurlaubs usw. muss allen Beteiligten das verbindende Gefühl vermitteln, an einem unwiederholbaren Ereignis teilzunehmen. Die Gestaltung von Events im weiteren Sinne wird voraussichtlich in Zukunft durch die Globalisierung der Wirtschaft weltweit stärker nachgefragt. Bisher sind nur vereinzelt Designer in diesem Bereich tätig. So inszenierte der Designer Hans Donner die Samba-Parade in Sao Paulo. In gesellschaftlicher Hinsicht kann das Gefühl der gegenwärtigen Verbundenheit sowohl durch Machtdemonstrationen, wie Militärparaden, als auch durch Protestmärsche zur Bekundung von Solidarität politische Brisanz gewinnen.