Die dritte Dimension der schwerpunktmäßigen Ausrichtung der bewussten Organisationsqualitäten und des Selbstkonzepts ergibt sich aus der Interaktion mit der Welt. Diese Dimension ist die elementarste und liegt der Selbstreflexion, welche die Erschließung und Entwicklung des inneren Selbst betrifft sowie der Kommunikation, welche die Beziehung zu den Mitmenschen erfasst, zugrunde. Sie bezieht sich auf das Verhältnis des Menschen zur Welt, das Umgehen mit den Konkretisierungsformen von Erfahrung, den Dingen sowie auf die dadurch zustande kommenden Wechselwirkungen, Veränderungen an den Dingen wie auch im Verhaltensprozess des Akteurs. Der Begriff Interaktion ist hier nicht im Sinne der soziologischen Theoriebildung zum symbolischen Interaktionismus nach G. H. Mead (vgl. Kapitel 4.1.3) gemeint. Er drückt vielmehr im Sinne von Dewey (vgl. Kapitel 1.1.3) aus, dass jegliches Handeln auf raumzeitlich stabilisierte Einheiten trifft, die dadurch nicht völlig unverändert bleiben, sondern ihrerseits ein aktives Potential besitzen. Für die weiterführende Analyse der ästhetischen Erfahrung von Interaktion mit der Welt, sind als deren wesentliche Bedingungen die Einflüsse der medialen Komponente einzubeziehen (vgl. Kapitel 5).
Oft wird in Bezug auf Tastaturen oder Bedienfelder von interaktivem Design gesprochen. Bei dieser Produktkategorie tritt die Wechselwirkung zwischen menschlichen Aktionen und umwelt- oder gegenstandsbedingten Reaktionen sowie eigenständigen Wirkmechanismen, auf die menschliches Agieren abzustimmen ist, besonders offensichtlich hervor. Aber auch jeder Tisch ist nicht nur ein passives Ding. Er wirkt durch interaktives Design, indem er demjenigen, der sich an ihn setzt, bestimmte Sitzpositionen wie Stirn- oder Längsseite zuweist. Der bewusste Mensch nähert sich den Dingen oder der Welt je nach Erfahrungsschwerpunkt mit unterschiedlichen Erwartungen an die Erfahrungsqualität. Diese ist bezüglich der perzeptiven Qualität durch das Hauptkriterium der konkreten Dinglichkeit, bezogen auf die empathive Qualität durch das Hauptkriterium der lebendigen Anmutung und in Hinsicht auf die imaginative Qualität mittels dem Hauptkriterium der virtuellen Inszenierung beschreibbar.
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- Die perzeptiven Qualifizierung erfolgt unter völliger Absehung von subjektiven Interessen. Deshalb wird sowohl im eher rezeptiven, als auch eher produktiven Interagieren der Anlass der Reize, beispielsweise die Gegenstände des Lebenskontextes, in ihrer konkreten Dinglichkeit angenommen. Jedes Ding ist demnach in der bewussten ästhetischen Anschauung thematisierbar, ohne gleichzeitig psychologische Interpretationen ausdrücken oder anregen zu müssen. Dadurch wird es möglich nach Kriterien und Gesetzmäßigkeiten der Anschauung zu forschen, die sich nur auf die Organisation der Gestaltungsmittel, die für die das Zustandekommen und die perzeptive Qualität von konkreter Dinglichkeit nötig sind, konzentrieren (vgl. Kapitel 3.1.2). Diese Überlegungen prägten zu Beginn dieses Jahrhunderts das…
- Zum Gefühl, in einer Umgebung zu Hause zu sein, gehört die sinnliche Erfahrung von Anmutungsqualitäten, die eine Beziehung von Nähe und Lebendigkeit zu diesem Umfeld vermitteln. In einer völlig reizarmen Umgebung fühlen Menschen sich auf Dauer nicht wohl, da ihre sinnliche Aktivität keine Angebote findet und keine positive atmosphärische Stimmung zu der Umgebung aufbauen kann. Sogar das Rauschen einer Klimaanlage kann das Gefühl einer lebendigen Anmutung vermitteln wie sich an einem konkreten Fall zeigen lässt (vgl. Bedrohliche Stille, in: Der Spiegel, 10/97, S. 227). Eine Großbank hatte ihre Klimaanlage erneuern lassen und die Beschäftigten litten unter der ungewohnten Stille. Deshalb…
- Der Bezug zur Welt unter der imaginativen Qualität der ästhetischen Erfahrung ist durch das Hauptkriterium der virtuellen Inszenierung zu kennzeichnen. Die ästhetische Qualität der Interaktionen mit der Welt wird nicht am konkreten Sosein der Dinge festgemacht und auch nicht am Zustandekommen einer lebendig scheinenden Nähe; vielmehr werden neue Möglichkeiten der Interaktion ausprobiert und alternative Dinge und Welten kreiert. Die Welt wird als virtuelle Inszenierung aufgefasst, die dem Erfahrungsprozess entsprechend zu verändern, neu zu arrangieren, in unterschiedlichster Weise zu entfalten ist und nicht als feste Größe akzeptiert. Das Potential für Interaktionen erscheint dann beinahe unendlich, obwohl die eigentliche Bedeutung der Dinge…