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[5.3.3.1]
Beispiel für das situative Potential von Design

Auch im Bereich der visuellen Kommunikation ist das Kriterium der Erreichbarkeit durch das situative Potential von Design zu beachten. So sollten Hinweisschilder innerhalb Ausstellungen schon aus einer größeren Entfernung lesbar sein, damit ein Besucher je nach Wunsch die Durchgangsrichtung verändern kann. Sind die Schilder erst zu lesen, wenn der Besucher direkt vor ihnen steht, ist er gezwungen, sehr nahe auf sie zuzugehen. Dadurch verliert er leicht die bereits selbst gewonnene Orientierung im Raum und folgt womöglich etwas irritiert den Angaben des Schildes. In dieser Hinsicht fällt das von Neville Brody entworfene Leitsystem der Kunsthalle der BRD in Bonn negativ auf.

Das Kriterium der Erreichbarkeit nimmt in Konzepten zum Wohnen in der Zukunft einen hohen Stellenwert ein. Riesige, hochgebaute Wohnkomplexe könnten dazu beitragen, die unerwünschte Zersiedelung der Landschaft zu stoppen und Menschen die Vorteile eines Lebenskontexts zu bieten, der alle wichtigen Medien zur Nutzung und Reaktivation bei Bedarf zur Verfügung hält. Wohnen und Arbeiten, Freizeitgestaltung, medizinische Versorgung, das Einkaufen und die Ausbildung, alle diese menschlichen Lebensbereiche sollen nach den Plänen japanischer Architekten in einem nach heutigen Maßstäben überdimensionalem Hochhaus integriert werden. Binnen etwa fünf Minuten wäre jeder Ort in dem Haus mittels Fahrstühlen, Rolltreppen oder Laufbändern zu erreichen. Die Bewohner müßten im Grunde diesen Lebenskontext nicht mehr verlassen.

Das Pendant zu diesem Gedanken, der dem derzeit favorisierten westlichen Lebensgefühl, zu dem untrennbar das Reisen gehört, nicht entspricht, ist die Vorstellung von einer freien, ortsungebundenen Beweglichkeit, einem modernen Nomadentum. Aufgrund der Telekommunikationstechnologie ist es im Prinzip möglich, jeden Ort auf der Welt zu jeder Zeit zu erreichen, ohne selbst ortsgebunden zu sein. Denn durch die mobile Telekommunikation schrumpfen die Bedingungen von Raum und Zeit hinsichtlich der Reaktivation kontextueller Medien ebenso, wie umgekehrt auch bezüglich der Erreichbarkeit einer Person. Inzwischen kann die permanente Erreichbarkeit bereits durch die Vergabe von personenbezogenen Nummern auf Lebenszeit garantiert werden. Dies hat auch für das Service-Design Konsequenzen. Zur Zeit ist es noch üblich, eine Hausbank, ein Ärztezentrum und wenigstens Geschäfte zur Nahrungsmittelversorgung am Wohnort zu haben, die Geschäftspost am Schalter abzuliefern, den Handwerkerbetrieb aus der Nachbarschaft mit Reparaturen zu beauftragen, täglich zur Arbeit zu fahren oder in die Schule zu gehen usw. All dieses könnte in Zukunft völig anders gestaltet werden, weil die mobile Internetechnologie neue Serviceleistungen ermöglicht und alte ersetzt oder verdrängt.

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