[3.3.1.2]
Zum Kriterium der »Bedürfnisgerechtheit«
bezüglich der somatischen Tendenz
Ein Bedürfnis der somatische Tendenz macht sich durch ein Gefühl von
nervöser Anspannung, die sich auf einen bestimmten Bereich des Körperschemas richtet,
bemerkbar. Die grobe Richtung eines Bedüfnisses wie Hunger, Durst, Sehnsucht
nach Streicheleinheiten, Bewegungsdrang usw. bringt sich recht eindeutig ins
Bewußtsein. Schwieriger ist die spezielle Bestimmung, wodurch der Hunger gestillt werden
kann, wie der Bewegungsdrang auszuleben ist. Wird kein der Anspannung und dem
Bedürfnis entsprechendes Verhalten eingeleitet, fordert der Körper durch Streßreaktionen
die Aufmerksamkeit. Es ist daher wichtig zu lernen, das eigene Körperschema ständig
zu aktualisieren und die Signale des Körpers richtig zu interpretieren. Vielen
Menschen kommt dieses Gespür heute abhanden. Mitschuld daran sind Visionen mancher
Computerforscher, die wie Hans Moravec oder vorher
Norbert Wiener, die Überwindung des Körperlichen durch zukünftige intelligente, zur Selbstreplikation fähigen Roboter
voraussagen, von der Unnötigkeit des Leibes für den Geist ausgehen und das
Körperliche gegenüber dem Geistigen degradieren. Sie stehen in der langen, das Denken vieler
Wissenschaftler prägenden Tradition der idealistischen und rationalistischen
westlichen Philosophie. Dagegen bezieht die östliche Philosophie das Körperliche stark ein.
Ungeachtet aller Zukunftsphantasien wie die von
William Gibson in seinen Science Fiction Geschichten geschilderten beliebig veränderbaren Cyber-Körper oder der
Experimente des australischen Künstlers Stelarc mit technischen Erweiterungen
seines Körpers, hat jeder Mensch noch immer nur den einen Leib, in dem sich seine Seele
und Lebenszeit konkretisiert. Es bleibt daher im Streben nach Lebensqualtität notwendig,
die aufkommenden Bedürfnisse der somatischen Tendenz interpretieren zu lernen
und nicht wiederholt durch Ersatzangebote abzubauen, da dies dem eigenen
Wohlbefinden und der Gesundheit dauerhaft schadet.
Im medizinischen Bereich ist es besonders wichtig, sich bei einer unklaren
Diagnose langsam an die Ursache eines Schmerzgefühls, das ja auch eine Art von
Bedürftigkeit darstellt, heranzutasten. Hierzu werden verschiedene Untersuchungsmethoden
genutzt. Ebenso muß eine diffuse somatische Anspannung zunächst einmal nach
ihrer spezifischen Tendenz diagnostiziert werden, indem körperlichen Empfindungen
und Erfahrungen nachgespürt wird, um dann die weitere Aktivitätsrichtung zu
selektieren. Bei der Auswahl, ob dem Hungergefühl eher mit Schmalzbroten oder mit
Salaten abzuhelfen ist, sollte das körperliche Gedächtnis als Referenzebene fungieren und
signalisieren können, ob der Körper in dieser Situation eher Fett oder Ballaststoffe
benötigt. Das sensitive Potential von Design könnte dem Kriterium der
Bedürfnisgerechtheit entsprechen, indem es den Aufbau dieses Gedächtnisses fördert, dabei hilft,
es zu verfeinern und ein Gespür für die Deutung der spezifischen Ursache eines
Bedürfnisses zu bewahren.
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