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[2.3.1]
Beispiel für die evokative Aktualität von Design

Im Strafvollzug, beim Militär, im Kloster oder in Sekten benutzen Maßnahmen zur Störung des Selbstgefühls wie strenge Vorschriften für Frisur und Kleidung, strikte Zeiteinteilung, Reduktion persönlicher Utensilien, knapper Lebensraum, Beschneidung von Kommunikations- und Aktivitätsmöglichkeiten, Überforderung des Leistungsvermögens usw., stehen Möglichkeiten zur Förderung eines positiv erlebbaren, bewußten Selbstgefühls entgegen. Körperliches und geistiges Tätigsein und Wohlbefinden, individuell angepaßte Kleidung, Möbel und Wohnräume, flexible Arbeitszeiten, Achtung vor der individuellen Lebensgeschichte usw., wären dann Richtlinien für die evokative Aktualität von Design im Alltag.

In einer demokratischen Kultur, die verschiedene Lebensweisen und Selbstgefühle toleriert und in der die Menschen selbstbewußt die Freiräume zur Lebensgestaltung nutzen wollen, können sich Designer nur selten auf ein elementares, aus dem vereinheitlichenden Ansatz der Anthropologie abgeleiteten gestalterisches Repertoire beziehen, indem sie sich zum Beispiel auf die »wesenhafte« Gefühle evozierende Kraft einer Farbe, einer Form oder eines Materials berufen. Das heißt nicht, daß es unnötig oder unmöglich wäre ein Repertoire ästhetischer Mittel anzulegen, doch eine allzu schablonenhafte Anwendung von Zuordnungen zwischen Gestaltungsmitteln und Gefühlen, wie runde Formen und Erotik oder Kindchenschema, läßt die Erforschung ästhetischer Mittel im Design stagnieren.

Wenn die Erlebnisvielfalt und der das Selbstgefühl stärkende Gewißheitscharakter von Sinneswahrnehmungen akzeptiert wird, sind wissenschaftliche Forschungen zu Farben, Oberflächen, Haptik, Duft- und Geschmacksstoffen, Geräuschen usw., die meist von Herstellerfirmen oder naturwissenschaftlichen Hochschulinstituten betrieben werden, stärker in das disziplinäre Wissen einzubeziehen und durch Forschungen zur Wirkung von Formen, Materialien, Proportionen usw. zu ergänzen. Obwohl diesbezüglich häufig beispielsweise von Duft- oder Sound-Design die Rede ist, sind nur wenige Designer in solche Forschungen miteinbezogen. Hier wäre eine stärkere Kooperation bereits in der Ausbildung anzustreben, denn die Computertechnik erleichtert es, nuancenreiche Effekte bei Gestaltungsmitteln zu erzielen, die der sinnlichen Fülle und Vielfalt von Naturerscheinungen und menschlicher Erlebnisfähigkeit entsprechen und dadurch gezielter auf individuelle Wünsche einzugehen.

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