[2.3.1]
Zum Hauptkriterium des »bewußten Selbstgefühls«
bezüglich der empathiven Qualität
Während der empathiven Erfahrungsbewertung tritt die momentane
Gegebenheitsweise der Erfahrungsinhalte zugunsten der Reflexion des inneren Zustands, der mit
ihnen verbunden ist, in den Hintergrund. Das Hauptkriterium des bewußten
Selbstgefühls bezieht sich auf das subjektive, innerliche Selbst.
Zwei wesentliche Kriterien bestimmen das Selbstgefühl. Erstens wird mit ihm die Subjektivität, die Einmaligkeit
und die Privatheit von Erfahrungen verbunden. Zweitens gehört zum Selbstgefühl
immer die persönliche Perspektivität. Beide Kriterien sind durch wissenschaftliche oder
philosophische Ansätze, die um die Formulierung objektiv nachprüfbarer und
allgemein verwertbarer Aussagen bemüht sind, schwer zu erfassen. Die Privatheit von
Gefühlen oder ästhetischen Erfahrungen wird deshalb oft abgestritten oder als unwichtig
erachtet. Im Bemühen, das typisch Menschliche zu beobachten und zu beschreiben,
verlieren Wissenschaft und Philosophie den konkreten Menschen aus dem Blick.
Für das Selbstgefühl jedes Menschen gibt es neben den biologisch bedingten
auch auf den soziokulturellen Kontext bezogene, verallgemeinerbare Einflußgrößen.
Dies sind alterstypische Entwicklungsphasen, Krankheit, Partnerwahl, soziale
Anerkennung usw., die im persönlichen Erleben gefühlsmäßig verarbeitet werden müssen.
Psychotherapeutische Anzätze können hierfür insbesondere in zwischenmenschlichen
Problemsituationen einen unterstützenden Rahmen bieten. Die Reflexion des
Selbstgefühls ist jedoch nicht nur eine Komponente der Problembewältigung, sondern
gehört zu einer bewußten Lebensführung und kann auch alltägliche Situationen zum
Anlaß nehmen. Durch Veränderungen und Wechselwirkungen
der Beziehung zum eigenen Selbstkonzept, zum Körper, zu anderen Menschen und zur Lebensumgebung
wandelt sich das Selbstgefühl ständig. Die
Qualität des Selbstseins begleitet mehr oder
weniger intensiv jede innerliche Reflexion. Sie ist aber nur schwer für andere oder im
eigenen Denken in Worte zu fassen oder durch nonverbale ästhetische Mittel
auszudrücken. Wenn es nicht gelingt, sich
wenigstens ab und zu bewußt dem Fühlen der
Empfindungsqualität des eigenen Selbsts hinzugeben, entstehen innere Leere,
Selbstentfremdung und Langeweile. Das Leben scheint sinnlos dahin zu gleiten (vgl. Hülsemann, 1996).
Mit Thomas Metzinger ist bezüglich der Frage nach der Bedeutung von
Selbstgefühlen, die den Zustand des inneren Selbsts reflektieren, deren bestehender
Gewißheitscharakter und deren fehlender Wissenscharakter festzustellen (vgl. Metzinger,
1993 u. 1996). Von Selbstgefühlen als qualitative Selbstreflexion ist kein verwertbares
Wissen abzuleiten, nur das sichere Gefühl, ein handelndes, verantwortliches Selbst
zu sein. Wenn diese empathive Qualität der Selbstgewißheit fehlt, wird ein Mensch
unsicher in seinen Gefühlen, der Verantwortung für sein Verhalten zu anderen
Menschen und zu seiner Umwelt. Deshalb ist es sinnvoll, die evokative Aktualität von Design
als Anregung für das Zustandekommen von bewußten Selbstgefühlen einzusetzen.
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