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[6.3.3]
Zur Strategie der »Diversifizierung«
bezüglich der initiativen Option

Die menschliche Gesellschaft ist nur idealisierend als Ganzes zu betrachten. Durch kommunikative Entwicklungsprozesse bilden sich vielfältige, veränderliche Ausformungen der typischen sozialen Organisationsstrukturen. Ästhetische Vorlieben, beispielsweise für geometrische, kantige Formen oder blumige Farben, verändern sich mit der Pesönlichkeitsentwicklung. Diese Lebensvielfalt erfordert die Bereithaltung vielfältiger Angebote für die ästhetische Erfahrung. Obwohl die Möglichkeiten für ästhetische Erfahrungen durch die Bedingungen der menschlichen Körperlichkeit eingeschränkt sind, macht es nach den vorangegangenen Überlegungen weder Sinn anzunehmen,daß manche ästhetische Elemente zeitlos sind, noch daß andere für immer veralten. Es wird immer wieder neue Kombinationen und Deutungen von bereits bekannten ästhetischen Elementen geben.

Deshalb bleibt die an dem Ideal der Zeitlosigkeit orientierte, ästhetische Konzeption der Moderne wie der »Internationale Style« in der Architektur, die Bauhaustypografie in der visuellen Kommunikation oder die »Neue Sachlichkeit« für Gebrauchsgegenstände nur eine von anderen möglichen Ausformungen, welche mit dem Engagement für die emanzipative Perspektivität von Design entstanden. Doch der humanistische Kern des linearen Aufklärungsgedankens der Moderne geht nicht verloren, sondern wird im pluralistischen Denksansatz der Postmoderne in unterschiedlichen Ausformungsrichtungen weitergeführt (vgl. Welsch, 1987).

Die pluralistische Sehweise nimmt nicht eine einzige richtige, sondern viele, in sich geschlossene Weltsichten an, die sich nicht auf eine gemeinsame Grundlage ­ wie die biologische Konstitution, Denk- oder Sprachstrukturen ­ zurückführen lassen. Erfahrung, Denken, Sprache und Lebensform beeinflussen sich gegenseitig und führen deshalb zu vielfältigen Organisationsstrukturen und Traditionen innerhalb sozialer Systeme sowie im Denken und der Erfahrung sozialer Akteure. Dementsprechend gehen Theorien zum gesellschaftlichen Wandel nicht mehr von einer eindimensionalen gesamtgesellschaftlichen Weiterentwicklung aus. Durch die Parallelität von unterschiedlichen Lebensweisen als Ausdruck verschiedener Lebensziele hat die Idee der ästhetischen Moderne insoweit an Faszination verloren, als sie vorwiegend nur eine Entwicklungsrichtung, die auf mehr Rationalität abzielt, unterstützt. Die Annahme mehrerer gleichwertiger und paralleler Entwicklungsrichtungen beinhaltet gleichzeitig den Verzicht auf die alles umfassende Anführerrolle einer intellektuellen Avantgarde.

In Anknüpfung an Luhmann sind soziale Systeme als Produkte von Kommunikation zu definieren und von den personalen Systemen, die sich durch Bewußtsein auszeichnen und der Umwelt sozialer Systeme zugehören, zu unterscheiden. Um die Entwicklung sozialer Systeme beeinflussen zu können, muß eine Person an der systemspezifischen Kommunikation teilnehmen und ihren Beitrag in eine dem jeweiligen System entsprechende kommunikative Form bringen. Es ist also besonders wichtig, als Voraussetzung für diese Kommunikationskompetenz, Ausdrucksfähigkeit und Unterscheidungsvermögen zu entwickeln. Im vorliegenden Zusammenhang kann diese Ausdrucksfähigkeit sprachliche, nonverbale oder künstlerische Aspekte umfassen.

Korrespondierend zur initiativen Option und der Strategie der Diversifizierung sollte die emanzipative Perspektivität von Design den Menschen, an die es sich richtet, keine für alle gleichermaßen verbindlichene Angebote zur Erfahrungsselektion vorgeben. Vielmehr sollte sie zur Entwicklung selbständiger Urteilskompetenz und einer aktiv mitbetriebenen Selektion von Erfahrungen anregen.

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