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6.3.1 Strategien zum Hauptprozeß der bewußten Evaluation von Erfahrung

Während der bewußten Erfahrungsevaluation erlebt sich der Mensch als selbstbestimmtes Wesen, das den Anlaß seiner Erfahrung kennt und in die Bewertung miteinbezieht. Jede positve, ästhetische Bewertung von Erfahrung ist von dem gegenwärtigen Gefühl etwas besonderes zu erleben sowie frei von bedrohender Angst oder innerem Zwang zu sein begleitet. Sie kann den Wunsch nach Wiederholung durch erneute Bezugnahme auf den mit ihr verbundenen Anlaß erzeugen. Dieser darf aber nicht zur Sucht ausarten, weil dann das ästhetische Erleben im Dienst deren Befriedigung stehen und somit instrumentalisiert werden würde. Die ästhetische Bezugnahme auf den Erfahrungsanlaß folgt der freien Zuwendung und keiner zwanghaften Hinführung oder inneren Fixierung. Auch wenn die Wertung nur auf eine der drei markanten Qualitäten oder auf eine Dimension des Selbstkonzepts bezogen ist, wird das während einer ästhetischen Erfahrung nicht als Beschränkung oder Lückenhaftigkeit, sonderen als Profilierung erfahren. Denn die Wertung kann sich nur auf die momentanen Bewußtseinsinhalte beziehen. Zwar wirken auch bedingende, subliminale, soziale und mediale Einflüsse ständig ein, werden aber nicht bewußt mitreflektiert.

Wie durch viele Beobachtungen von hirngeschädigten Personen belegt ist, sind sich diese des Fehlens einer Erfahrungsebene nicht bewußt. Nur von außen betrachtet scheinen ihre Wirklichkeitskonstruktionen eine Lücke zu haben. Der Film »Zeit der Erwachens« nach dem Buch von Oliver Sacks gedreht, dokumentiert einfühlsam, wie Menschen zusammen mit der Bewußtseinsfähigkeit jede ästhetische Erfahrungsqualität verlieren und um das Erlebnis des Lebens gebracht sind. Nach jahrzehntelangem Leben ohne Bewußtsein verhilft ein Medikament vorübergehend wieder zur Erlebnisfähigkeit. Die Patienten erwachen gleichsam wie nach einem kurzen Schlaf. Von den vielen Jahren in der Anstalt wissen sie nichts. Sie fühlen sich, als ob keine Zeit vergangen wäre, suchen im Spiegel nach ihrem jungen, bekannten Gesicht und freuen sich an ihren alten Lieblingstätigkeiten. Hier wird die Konstruiertheit von Wirklichkeit erschreckend deutlich. Doch auch für gesunde Menschen ist zu folgern, daß die Reichweite und die erfahrbare ästhetische Qualität ihrer Wirklichkeit immer an ihr Bewußtseinspotential gebunden bleibt. Das heißt, daß die Abwesenheit einer bisher unbekannten positiven ästhetischen Erfahrung nicht vermißt wird. Erst nachdem sie bewußt erlebt wurde, erscheint im Rückblick das vorherige, im gewohnten Trott eingebundene Leben leer, zufälligen Erfahrungssplittern folgend und unfrei. Demgegenüber öffnen sowohl die resonante, als auch die initiative Option wählbare Alternativen, die nach der Strategie der Profilierung einerseits oder der Aufklärung andererseits durch Design umzusetzen sind.

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