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5.1.3 Kausalität nach oben durch den Hauptprozeß der Limitation

Mit Hilfe der drei typischen medienbezogenen Logiken ließe sich der Hauptprozeß der medial bedingten Komponente innerhalb der Korrelation aller an der Erfahrungsbildung beteiligten Komponenten als Geschichte der Medien im Zusammenhang mit der Technik und der Menschheitsentwicklung schreiben, an deren vorläufigem Abschluß die Medien mit standardisierter Logik stünden. Während die Medien der ersten Stufe der organischen Logik und deren Entfaltung durch die individuelle Verkörperung verhaftet sind und die Medien der zweiten Stufe von der kontextuellen Logik sowie den zufällig gewachsenen und tradierten sozialen Konventionen geprägt sind, lösen sich die Medien der dritten Stufe von diesen schwer veränderlichen Lebensbedingungen eher ab. Die standardisierte Logik erwächst aus der gut entwickelten Fähigkeit des Menschen zum abstrakten Denken und dem Umgehenkönnen mit Symbolen. Diese Fähigkeit zeichnet den Menschen gegenüber anderen Lebewesen aus. In Zukunft könnte sie von einer künstlichen Intelligenz übertroffen werden. Deren »artifizielle Logik« ist aufgrund der zunehmenden Perfektion im Umgang mit standardisierten Logiken im Bereich der Computertechnologie bereits in der Entwicklung begriffen. Wichtige Konsequenzen, die durch die Konkretisierung dieser Zukunftsperspektive langfristig entstehen können und bereits Wirkung zeigen, stellt Mihai Nadin in seinem Buch »Jenseits der Schriftkultur« (dt. 1999) dar.

Im Rahmen des Konzepts zu den medialen Logiken erhält die standardisierte Logik keine exponierte Position. Vielmehr werden die drei typischen medialen Logiken gleichwertig bezüglich ihres Einflusses auf die ästhetische Erfahrung im alltäglichen Erleben in Gegenwart und mit Blick in die Zukunft sowie die verstärkende Rückwirkung durch den Hauptprozeß der medialen Komponente behandelt. Die Wirkung dieses Hauptprozesses innerhalb der Wechselwirkung aller Komponenten ist als Limitation charakterisierbar. Jedes Medium ermöglicht bestimmte Konkretisierungen und setzt gleichzeitig Grenzen. Neue Medien weiten diese zwar zunächst aus, im Nutzungsprozeß werden dann bald auch deren Grenzen offensichtlich.

Oft werden mehrere Medien, obwohl sie sich jeweils einer der typischen Logiken primär zuordnen lassen, parallel und einander ergänzend angewendet. Zum Beispiel wird die Qualität der ästhetischen Erfahrung beim Interagieren mit einem Schlagzeug durch das adaptive Potential von Design verbessert, indem die Größe und Anordnung der Instrumente, die Sitzposition usw. auf den Musizierenden abgestimmt werden. Zur kontextuellen Logik gehört die Tatsache, daß nicht nur der Musiker seine Taktübungen hört, sondern die Schallwellen ungefragt auch anderen Menschen zur Verfügung stehen. Das situative Potential von Design kann hier die Schalldämmung eines Übungsraums betreffen oder zur Entwicklung eines digital zu spielenden und über Kopfhörer zu empfangenden Instruments führen. Die standardisierte Logik umfaßt die etablierten, gerätespezifischen Klangstandards von Schlagzeugen. Hier kann das innovative Potential von Design ansetzen und die Klangstandards der herkömmlich gebauten Instrumente mit den Standards eines digitalen Instruments verbinden. Aus dieser Kombination ergeben sich mehrere Alternativen. Klangstandards werden digital imitiert, beliebige Klänge auch aus der Natur können aufgenommen und bei Berührung einer Instrumentenfläche mit dem Taktstock aktiviert werden oder ein Drumcomputer speichert den ursprünglichen Sound der Originalinstrumente. Nicht immer werten die Nutzer eine innovative Möglichkeit, die sich aus der Kombination der Standards zweier Medien ergibt, als positiv. So können mittels eines Samplers auf der Ursprungsbasis eines Klaviers oder einer Orgel Naturklänge zu neuartigen Kompositionen zusammengefügt werden. Dies lehnen viele Liebhaber des Schlagzeugs für ihr Instrument ebenso ab wie synthetische Klänge. Ein guter Drumcomputer zeichnet sich im Unterschied zu einem Sampler gerade dadurch aus, daß er die Originalklänge eines herkömmlichen Schlagzeugs wiedergibt. Denn letztlich wünscht sich auch derjenige, der mit Kopfhörern sein digitales Instrument spielt, das besondere ästhetische Gefühl des Schlagzeugspielens zu erleben, zu dem untrennbar der körperliche Einsatz und dessen Koordination mit Rhythmus und Lautstärke gehört. Dadurch entsteht wiederum der Bezug zur organischen Logik und zum adaptiven Potential von Design.

Wie diese Beobachtungen verdeutlichen, wird die Alltagserfahrung und deren Entfaltung zur ästhetischen Erfahrung im Prinzip von allen drei medialen Logiken gleichermaßen beeinflußt und in jeweils typischer Weise limitiert. Zudem ist feststellbar, daß jedes neu hinzukommende Medium und der zugehörige Logiktyp bereits vorhandene Medien zwar mitverändert, sie selten völlig verdrängt oder ersetzt. Deshalb wäre die Hervorhebung der standardisierten Logik unter der bisherigen Untersuchungsperspektive eine unzulässige Reduktion. Der Hauptprozeß der Limitation und seine langfristige Wirkung auf das ästhetische Lebensgefühl wird in Relation zu seiner Beeinflußbarkeit durch Design bezüglich der Kategorie der Perspektivität im sechsten Kapitel genauer untersucht.

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