[3.3.3.1]
Beispiel für das animative Potential von Design
Gert Selle schildert sein ambivalentes Verhältnis zwischen distanzierter
Selbstreflexion und emotionaler Hingezogenheit anhand einer Erinnerung an die Sitzecke seines Vaters (vgl.
Selle, in: Ruppert, 1993). Das Wissen um die miefige Kleinbürgerlichkeit des
Wohnmobiliars wechselt mit der innerlichen Zuneigung zur väterlichen Wohnspäre ab. Wie viele
Menschen sich in diesem Konflikt für die Fortschreibung ihrer ästhetischen Prägung und
zum Eintreten für ihre emotionale Hingezogeneheit gegenüber zeitweise diskriminierten
ästhetischen Elementen entscheiden, zeigt zum Beispiel die stabile Präsenz der Möbelkette
Domizil im Hintegrund des aktuellen Möbelangebots oder auch der Kult um den
deutschen Schlager, Sissi-Filme, Blumenmotive usw.
Schülerstatements zu neuen Schulbauten mit sehr unterschiedlichen
architektonischen Konzepten in Wien belegen, daß viele Schüler eine innerliche Hingezogeneheit zu
Gebäuden entwickeln, die aus dem Alltagsleben bereits bekannte und positiv besetzte
ästhetische Elemente wie kleinteilig gegliederte Raumsituationen, verschiedene Farben und
Materialien usw. einbringen, während ausschließlich helle, offen und weiträumig angelegte Stahl-Glaskonstruktionen eher abgelehnt werden.
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