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[2.3.2]
Zum Hauptkriterium der »gegenwärtige Verbundenheit«
bezüglich der empathiven Qualität

Der Glaube an das Mythische als Gefühl einer ursprünglichen Verbundenheit allen Lebens ist mit der von Max Weber diagnostizierten »Entzauberung der Welt« im Zuge der wissenschaftlichen Aufklärung des Menschen verloren gegangen. Heute ist Verbundenheit als gemeinsames Gefühl der Zusammengehörigkeit als gegebener, sicherer Halt oder als einschränkende Bremse individueller Tätigkeiteorientierung erlebbar. In einer Kultur, die das Individuelle fördert, wird das Gefühl der geteilten Verbundenheit daher meist nur phasenweise und hinsichtlich verschiedenen Anknüpfungsmöglichkeiten gesucht. Sie muß durch ständige Kommunikation immer wieder aufgebaut oder gepflegt werden. Nicht die Auflösung der je individuellen Position im gemeinsamen Konsens, sondern die respektvolle Toleranz des Andersseins und das Aufrechterhalten der Kommunikation kennzeichnen das Gefühl der Verbundenheit. Dessen Bedeutung löst sich durch dieses Verständnis von der Assoziation der unmittelbaren Gemeinsamkeit und verbindet sie mit einem Medium. Dies kann die Sprache sein oder ein Fußballspiel, ein Film, ein Autorennen, eine Oper, ein Essen usw. Das Medium beeinflußt als bedingende Voraussetzung die Art und Weise der möglichen Kommunikation und damit auch die Qualität des Gefühls der Verbundenheit (vgl. Kapitel 5). Beispielsweise konkretisiert sich dieses Gefühl durch die Kommunikation mittels Internet in einer neuen Form, indem Menschen die Möglichkeit des Mediums nutzen, verschiedene Identitäten anzunehmen und dadurch Kontakte herstellen, die durch konventionelle Medien in dieser Art nicht zustande gekommen wären.

Während zum Beispiel das Medium Buch den Rezipienten auf sich selbst verweist, eignen sich die oben genannten Medien dafür, Kommunikation und Interaktion gemeinsam zu erleben und in gegenwärtiger Verbundenheit aktiv, sei es allein durch Anwesenheit, Beifallsbekundungen, persönliche Beiträge usw., mitzugestalten. Designer können das Entstehen des Gefühls der gegenwärtigen Verbundenheit fördern, dessen Verlauf strukturieren, sowie Gestaltunsmöglichkeiten für die Akteure anbieten.

Für die Konzeption solcher Erfahrungsangebote benötigen Designer neben dem fachspezifischen Wissen zu Gestaltungsmitteln, die räumliche und zeitliche Anschauungsformen, also Komposition und Dramaturgie verbinden, auch Kenntnisse in der Soziologie (vgl. Kapitel 4).

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