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1.4.2 Kategorien zum Teilprozeß des Designens

Der Begriff »Design« erlangte in den letzten Jahren steigende Popularität. Dadurch umfaßt seine Bedeutung über die fachspezifische Definition hinaus oft schillernde Konnotationen. So wird Design häufig mit Extravaganz in Verbindung gebracht. Diesbezüglich hilft es nicht, über die inflationäre Verwendung des Begriffs zu klagen oder aus einer Machtposition heraus die einzig richtige Bedeutung festlegen zu wollen. Es ist vielmehr notwendig, eine andauernde Diskussion zu den wechselnden, wichtigen disziplinären Schwerpunkten aufrecht zu halten, um dadurch eine wesentlichen Charakteristik von Design erfassen zu können, nämlich die Prozeßhaftigkeit. Diese kommt in dem deutschsprachigen Begriff für Design, »Gestaltung«, deutlicher zu Ausdruck. Trotzdem ist eine Rückkehr zum Gestaltungsbegriff, die wiederholt vorgeschlagen wird, gerade jetzt, wo sich die Rede von Design im alltäglichen Sprachgebrauch durchsetzt, nicht mehr sinnvoll. Der aus dem Englischen übernommene Begriff wird zunehmend in eingedeutschter Form als Verb oder Adjektiv verwendet. Doch auch der Brite John A. Walker weist in seinem Buch über Designgeschichte auf die Unzulänglichkeiten hin, Design zu definieren sowie die damit verbundenen Probleme für sein Fachgebiet:

»Die Designhistoriker sind sich einig, daß ihr Forschungsgegenstand die geschichtliche Entwicklung des Design ist, aber es gibt keinen Konsens darüber, welche Bedeutung mit dem Begriff oder Konzept Design abgedeckt wird. Ist zum Beispiel Architektur darin enthalten? ist die Architektur Teil der Designgeschichte oder Kunstgeschichte oder gibt es eine eigenständige Disziplin Architekturgeschichte? Ähnliche Ungewißheiten ergeben sich für die Bereiche des Handwerks, der Volkskunst oder der Massenmedien. Design spielt mit Sicherheit beim Filmemachen, der Fernsehproduktion, der Pop-Musik und Werbung eine Rolle, aber diese Gebiete sind gleichzeitig Gegenstand der Film-, Medien und Kulturwissenschaften sowie auch der Soziologie. Für Grenzstreitigkeiten gibt es also breiten Raum.

Als sicher kann gelten, daß die Abgrenzungen aller Disziplinen eher unscharf als genau sind und daß es zu Überschneidungen kommt.« (vgl. Walker, 1992, S. 34)

Dieses Definitions- und Abgrenzungsproblem betrifft ebenso die vorliegende Untersuchung. Hier wird der Begriff Design nicht als Abkürzung für beispielsweise Industrial Design verwendet, sondern im Sinne eines ganzheitlichen Bedeutungsfelds, das im Prinzip jede Art von Gestaltung umfaßt. Deshalb bezieht sich die Einteilung in Kategorien für Design nicht auf einzelne Medien, sondern auf Komponenten ästhetischer Erfahrung. Insbesondere bezüglich der Erarbeitung von ästhetischen Richtlinien, Kriterien und Strategien, für Design sowie deren exemplarische Veranschaulichung, wird dies deutlich. Zudem geht der Untersuchungsansatz davon aus, daß die Erfahrung und alle an ihr beteiligten Prozesse durch rekursive Wechselwirkungen unlösbar aufeinander bezogen sind und wiederum miteinander nicht zu stoppende Wandlungsprozesse erzeugen. Dementsprechend muß eine Disziplin wie Design sowohl auf der Ebene der theoretischen Reflexion, als auch bezüglich der praktischen Umsetzung, diesen Wandel mitvollziehen, um aktuell relevante Forschungen betreiben zu können.

Die leitende Intention der Untersuchung, die humane Lebenspraxis in ihrer Vielfältigkeit zu respektieren und durch Design zu fördern, fließt dadurch in die Untersuchung ein, daß diese nicht von der Dominanz einer einzigen grundlegende Komponente der ästhetischen Erfahrung ausgeht. Vielmehr wird deren prinzipiell gleichberechtigte Korrelation im Kreationsprozeß angenommen. Entsprechend vielfältige Ausprägungen können dann für die ästhetische Erfahrung entstehen. Diese zeigen sich dadurch, daß Menschen ihre Weise der ästhetischen Erfahrung an sehr verschiedenen Anlässen festmachen.

Die differenzierte Analyse der vielfältigen Ausprägungen ästhetischer Erfahrung und die Akzeptanz ihrer jeweiligen Besonderheit ist eine wichtige Voraussetzung dafür, eine persönliche Überzeugung zur vermeintlich klaren, eindeutigen Verfassung der Wirklichkeit in ihrer Relativität zu erkennen. Dies gilt insbesondere für Designer. Nur so wird es möglich, die eigene Wirklichkeit kritisch zu relativieren, die Wirklichkeiten anderer Menschen in ihrer Andersartigkeit zu tolerieren, die verschiedenen Aspekte zu diskutieren und schließlich im kommunikativen, praktischen Handeln zu verändern und vielleicht verbesserte Wirklichkeitsinterpretationen zu erproben.

Hinsichtlich der gefühlsbezogenen Komponente bietet Design der Kategorie der Aktualität vielfältige Gelegenheiten für die aktuelle Entfaltung der ästhetischen Erfahrung und fördert das Gefühl, ein gutes Leben zu führen. Bezogen auf die bedingenden Komponenten sollte Design der Kategorie der Potentialität auf die unterschiedlich starken Bedingungen eingehen und spezifische Angebote bereitstellen, welche die spezifische Ausrichtung der ästhetischen Erfahrung eines Menschen aufnehmen und diesem ein Potential zur selbstbestimmten Weiterentfaltung anbieten. Obwohl die Eigendynamik der bedingenden Komponenten akzeptiert und entsprechend gründlich analysiert wird, entbindet der Verweis auf Bedingungen nicht von der Verantwortung, wenigstens soweit möglich gestalterisch regulierend an der Erfahrungskreation mitzuwirken. Gestalterische Mitwirkung beschränkt sich nicht auf theoretische Kritik der Bedingungen. Sie nutzt auch einen engen Spielraum aus, indem praktisch durchführbare Vorschläge oder Entwürfe entwickelt werden. Im Verhältnis zur antizipierenden Komponente sollte Design der Kategorie der Perspektivität verschiedene Lebensperspektiven anbieten, begleiten und zwischen ihnen vermitteln, damit Menschen mit vielfältigen Lebensweisen auch langfristig Chancen für die Entfaltung ihrer ästhetischen Erfahrung und ihrer Identität finden und ihr Leben in der Gesamtheit als ein gelungenes Leben beurteilen können. Entscheidend für die Ausrichtung der vorliegenden Untersuchung ist die Annahme, durch Design positiv Einfluß auf die ästhetische Erfahrung und dadurch auf die Erfahrungskreation nehmen zu können.

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